«Alpenblick» steht in grossen Buchstaben am Wohnhaus angeschrieben. «Normalerweise sieht man von hier wunderbar die Berge», meint Kathrin Niemetz beinahe entschuldigend. Auf dem «Berg» herrscht eine stockdicke Nebelsuppe und es nieselt.

«Das ist Frau Stucki»

Kathrin Niemetz (40) ist Biolandwirtin und bewirtschaftet auf dem Brunnersberg in Laupersdorf SO auf knapp 1100 m ü. M. einen 23-Hektaren-Grünlandbetrieb. «Alles Naturwiesen.» Bei der Hofübernahme vor 11 Jahren stellte sie von Milchwirtschaft auf Mutterkühe um. Zugleich investierte sie in einen Laufstall, der alte Anbindestall war nicht mehr tierschutzkonform. 

Die Grauviehherde umfasst 20 Kühe. «Mein Ziel wären 25 Stück.» Wenn Kathrin Niemetz von ihren Kühen spricht, schwingt Stolz in der Stimme mit. Zu Beginn kaufte sie ein paar wenige Tiere. Um ihre Herde aufzubauen, nahm sie dann sukzessive eigene nach. «Es ist nicht einfach, Grauvieh zu bekommen.» Zurzeit läuft für die Remontierung bei einem Teil der Herde ein Grauviehstier mit. Dem Kerl muss sie immer wieder zeigen, wer die Chefin im Stall ist. Für die Tiere in den Natura-Beef-Kanal besamt sie mit Aubrac oder Limousin.

Eine Kuh sticht besonders hervor. «Das ist Frau Stucki, eine F1-Limousin». Die Landwirtin brauchte für eine Kuh, deren Kalb starb, ein Ersatzkalb. Gekauft wurde dieses bei Stuckis, deshalb der extravagante Name. «Alle meine Tiere haben einen Namen, sogar die Stierli.»

 

Kathrins Tipp

«Wenn man denkt, man kann etwas nicht, sollte man sich deswegen nicht von seiner Idee abbringen lassen. Am besten probiert man einfach mal aus und macht. Ich habe das mit meinem Bienenstand so gemacht. Anfangs dachte ich, das wird nie etwas. Et voilà, hier ist er.»

 

2019 war ein schwieriges Jahr

Unterstützung bei der Arbeit bekommt Kathrin Niemetz, die nach der Lehre zur Landwirtin gleich noch die Meisterprüfung anhängte, von ihrer Lernenden Martina Ackermann. Diese absolviert auf dem Brunnersberg ihre Zweitausbildung. «Ich bin froh um Martinas Mitarbeit. Wir können es gut miteinander.» Die Lehrmeisterin ist darauf angewiesen, dass sie jemanden hat, der mitdenkt und auf den sie sich verlassen kann. Denn 2019 war ein schwieriges Jahr. Die Beziehung mit dem Partner ging auseinander. Die Kinderbetreuung der beiden Buben  Florian (9) und Noé (3) hat das Paar zu 60 Prozent auf die Mutter und zu 40 Prozent auf den Vater aufgeteilt. 

«Die Geburt des ersten Kalbs nach dem Tod meines Vaters war speziell.»

Kathrin Niemetz, Landwirtin

Ein weiterer Schicksalsschlag war der Tod des Vaters. «Bereits im Frühjahr zeichnete sich ab, dass er nicht mehr so viel mitarbeiten konnte wie bisher.» Obwohl sie den Betrieb leitet, schätzte sie die Mithilfe und den Austausch mit ihrem Vater sehr, vor allem bei grossen Entscheidungen. Vor einem Jahr starb Peter Frey relativ rasch und eher überraschend an Herz- und Lungenproblemen. «Das war meine Bewährungsprobe, da ich nun alles alleine stemmen musste. Ich dachte: ‹Nun bist du wirklich erwachsen.›» Von Mai bis Martina Ackermanns Lehrbeginn bewirtschaftete Kathrin Niemetz den Hof alleine. «Die Geburt des erstens Kalbs nach dem Tod meines Vaters war sehr speziell.»

Ausmisten und aufräumen

Bei technischen Dingen und Maschinen liess Kathrin Niemetz meist ihrem Vater den Vortritt. «Die Werkstatt war sein Reich, aber ein ziemlich unaufgeräumtes», meint sie mit einem Schmunzeln. Nach dem Tod konnte sie deshalb längere Zeit nichts in der Werkstatt verändern. Dann mistete sie aus, räumte um und hängte sogar einen Kalender mit Werkstattboys auf.

Unterstützung bei den Kindern bekam sie von ihrer Mutter, Susanne Frey, die ebenfalls auf dem Hof wohnt und bis zum Tod ihres Mannes an den Wochenenden das im Haus integrierte Restaurant Alpenblick führte. Auch die Nachbarn und Bruder Christian Frey, der eine Weile auf den Betrieb zog, waren eine grosse Hilfe.

Unter die Leute kommen

Führungs- und Betriebsleitungserfahrung hat Kathrin Niemetz in ihrem Erstberuf erworben. Sie ist gelernte Buchhändlerin und leitete eine Filiale mit mehreren Angestellten. «Das Geschäft war ein Familienunternehmen, deshalb verstanden meine Chefs, dass ich unseren Betrieb übernehmen wollte», erinnert sie sich. Lesen tut die vielseitig interessierte Frau immer noch, weniger Bücher, dafür umso mehr Zeitungen und Fachzeitschriften. Buchhandlungen besucht sie nach wie vor ebenfalls noch gerne. 

Seit einiger Zeit arbeitet Kathrin Niemetz als Biokontrolleurin. «Das ist eine interessante Beschäftigung, und ich komme etwas unter die Leute», erzählt sie. Vor allem die Bienen und den Rebbau hat sie dabei kennengelernt. Seit Neustem imkert die Landwirtin deshalb selber. Kathrin Niemetz nimmt auch praktische Prüfungen bei angehenden Landwirten ab. «Anfangs hatte ich Respekt davor, unterdessen weiss ich, dass männliche Kollegen auch nicht überall Bescheid wissen.» 

Alles zum Guten gewendet

Bei Kathrin Niemetz hat sich nicht nur auf dem Hof alles zum Guten gewendet, auch privat hat sie ihr Glück wiedergefunden. «Mein neuer Partner kommt nicht aus der Landwirtschaft, interessiert sich aber sehr dafür. Das ist gut so.» Manchmal frage er sie jedoch, was sie denn den ganzen Tag so mache. Sie lacht herzhaft, wie sie das so erzählt. 

Zum Schluss zeigt sie noch ein Bild vom Bergpanorama. Denn nur der Nebel meint es gerade nicht gut mit ihr, da er einfach nicht der schönen Aussicht Platz machen will.