«Nur gerade vier Miststöcke liegen zwischen meinem Elternhaus und meinem jetzigen Wohnort», erzählt Bea Bachmann (55). Auf diese Aussage folgt ein ansteckendes und lautstarkes Lachen. Es ist nicht das letzte Mal, dass es bei diesem Gespräch erklingen wird. Die Bäuerin ist in einer Handwerker-Familie gross geworden. Damit war sie eine Ausnahme im fast ausschliesslich bäuerlich geprägten Altikon ZH der Siebzigerjahre. «Bäuerin wolle ich nie werden.» Das war eigentlich eine ganz klare Sache, nachdem sie als 13-Jährige während zwei Wochen bei einer Schulkollegin im Landdienst Melden ausreissen musste.
Wie ein Erwachen bei Tag
Wegen der Liebe wurde Bea Bachmann dann aber trotzdem Bäuerin. Während den Proben zur Abendunterhaltung des Turnvereins funkte es: «Ich turnte und Walter spielte Theater.» Das frisch verliebte Paar verbrachte viel Zeit miteinander. «Fast jede freie Minute sass ich auf dem Schutzblech von Walters altem Same-Traktor.» Eigentlich wollte sie noch ins Ausland, nach Schottland und Dänemark. Aber dann brauchte Walter ihre Hilfe auf dem Hof, und so zog sie blutjung, mit 20, bei ihm ein. «Wir hatten es zu Beginn sehr bescheiden. Was wir heute haben, erwirtschafteten wir uns als Paar.».
Am Anfang war es schwierig, für die junge Frau auf dem Hof ihre Rolle zu finden. Auch die Frage, ob sie Kinder wolle oder nicht, konnte Bea Bachmann nicht sofort und endgültig für sich beantworten. Walter wollte keine. «Du bist eine Ausnahme, wenn du als Bäuerin bewusst keine Kinder hast.» Vehement wehrt sie sich gegen die Behauptung, dass ihre grosse Tierliebe ein Ersatz für die fehlenden Kinder sei. Kraft in dieser schwierigen Zeit gab ihr Gott. Es habe sie schon als kleines Mädchen zur Religion hingezogen. Die Geschichten aus der Bibel faszinierten sie. «Es war wie ein Erwachen mitten im Tag. Ich wusste, Gott hat mich gerufen.» Seit diesem Erlebnis weiss sie, alles ist von oben bestimmt. «‹Ora et labora›, bete und arbeite, ist mein Lebensmotto.» Gott habe auch bestimmt, dass zu ihren Aufgaben auf dem Hof die Tiere gehören.
«Du bist eine Ausnahme, wenn du als Bäuerin bewusst keine Kinder hast.»
Bea Bachmann, Bäuerin und Betriebsleiterin aus Altikon ZH
Beas Tipp
Einen Schnitz Zitrone ausdrücken und zusammen mit einem Stück geriebenen oder klein geschnittenen Ingwer mit einem Glas Wasser hinunterspülen. «Das schmeckt nicht gut, aber ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal krank war», erzählt Bea Bachmann. Dieses Hausmittelchen sei besser, als jede Grippeimpfung.
Kein Stier in der Herde
Bea Bachmann hat nebst Hühnern, Gänsen, Kaninchen und Katzen eine stattliche Herde Mutterkühe: Zwanzig Kühe mit Kälbern und Jungtieren in verschiedenen Ausmaststadien. Der grösste Teil der Herde ist in einer grossen Liegehalle untergebracht. Einige der Jungtiere stehen im alten Milchviehstall. «Der Anbindestall entsprach nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen, zudem hatten wir nach dem Lothar viel Sturmholz.» Es hätte sich eines ums andere ergeben, dass es nur noch konsequent gewesen sei, auf Mutterkuhhaltung umzustellen. Bachmanns fingen an, ihre rotweissen und schwarzweissen Kühe mit Fleischrassen zu besamen. Den grössten Teil des Jahres verbringen die Tiere auf der Weide. Das Land ist nur teilweise arrondiert, deshalb ist der Tiertransporter oft im Einsatz. Obwohl die Tiere viel draussen sind, verzichtet Bea Bachmann bewusst auf einen Stier, der mit der Herde mit-läuft. Dafür gebe es drei Gründe:
- Ein Stier bedeutet Gefahr.
- Alle drei Jahre muss man den Stier wechseln.
- Die Anzahl tragender Rinder, die im Schlachthaus landen, sei um ein Vielfaches grösser.
Damit sie trotzdem selten eine Stierigkeit verpasst, ist sie mehrmals pro Tag bei ihren Tieren anzutreffen. Momentan ist nur gerade eine Kuh, Jolie, im Stall. «Sie ist mit 16 Jahren unsere älteste und sollte jeden Moment kalbern», erklärt die Bäuerin. Unterdessen ist es kurz vor Mittag. Zeit zu kochen. «In der Regel koche ich sehr gerne mit Produkten aus dem eigenen Garten, aber es gibt auch Tage, da ist es ein Müssen.» Immer wieder nimmt Bea Bachmann ihren Swarovski-Feld-stecher mit Restlichtverstärker und äugt Richtung Liegehalle. «Das ist meine Karibikreise», zeigt sie schallend lachend auf das Hightech-Gerät. Sie und ihr Mann hätten sich bewusst entschieden, nur Ferien in der Schweiz und den umliegenden Ländern zu machen. Den Drang für die weite Welt verspüren sie nicht.
Betriebsleiterin ab Neujahr
So oft es geht, sind Bachmanns mit dem E-Bike auf der Suche nach guten Restaurants unterwegs. «Das werden wir in Zukunft vielleicht noch öfters machen.» Seit Ende Jahr ist Walter Bachmann pensioniert. Er hat deshalb seine zweite Tätigkeit, die des Forstunternehmers, aufgegeben. Per erster Januar hat Bea Bachmann die Funktion als Betriebsleiterin übernommen. Erste Veränderungen hat das bereits zur Folge: «Wir haben nun Blühstreifen.» Die Bäuerin strahlt über das ganze Gesicht. An der Arbeitsteilung des Paares veränderte der Rollenwechsel nichts: Sie macht weiterhin die Tiere und die Administration; er ist für Acker- und Futterbau sowie die Maschinen zuständig. «Wenn Walter nicht mehr will, hören wir auf.» Was dann mit dem Land und den Tieren geschieht, dafür werde Gott schon eine Lösung bereithalten, meint die Bäuerin zuversichtlich und lacht ihr unverkennbares Lachen.