Wissen die Rinder diese Aussicht zu geniessen, über die Dörfer des Klettgaus, in der Ferne die ganze Alpenkette? Wertschätzen sie, dass hier oben die Sonne scheint, derweil die Stadt Schaffhausen noch im Nebel sitzt? Sie vielleicht nicht, aber die Bauersfrau Sandra Pfister schon.
Ein Stadtkind
Als sie 1997, als 25-jährige Frau, den Rummelenhof das erste Mal betrat, wusste sie: «Hier kann ich mich wohlfühlen.» Einsam steht der Hof, zwei Kilometer ausserhalb von Hallau SH, aber man hat eine Weitsicht hier und gehört noch zur Welt. Das war für das geborene Stadtkind wichtig. So zog sie hierher mit ihrem damaligen Partner und späteren Ehemann Michi und seinen Eltern, von einem eingeklemmten Hof in einem Aargauer Dorf auf diesen weitläufigen Betrieb mit Milchwirtschaft, Getreidefeldern und Reben.
Michi Pfister und seine Eltern waren ein gut eingespieltes Team für die Arbeiten auf dem Hof. Sandra Pfister, gelernte Papeterieverkäuferin, fand schnell wieder eine Vollzeitanstellung in Schaffhausen.
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«Ich schaffe es auch allein»
Sie hatte eine gut bezahlte Stelle im Aargau verlassen, was nicht alle verstanden hatten. Sie selbst hatte nie Bedenken. Sollte die Beziehung wider Erwarten scheitern, wusste sie: «Ich schaffe es auch allein.» Auswärts arbeiten zu können, war und ist immer noch wichtig für sie. Um etwas vom Hof wegzukommen, aber auch, um finanziell unabhängiger zu sein.
Zwei Kinder kamen, Tochter Saskia und Sohn Kevin. Bis Kevin in den Kindergarten ging, blieb sie zu Hause. «Meine erste Priorität ist klar die Familie, da würde ich auch den Beruf dafür aufgeben, wenn es sein müsste.»
Sie arbeitete sich in den Hof hinein. Vom Rebbau hatte sie keine Ahnung, wusste nur, dass Ende Saison die Trauben schön hängen müssen. Also besuchte sie Rebbau-Kurse. Nicht immer arbeitete sie so, «wie man es immer machte», aber Hauptsache, das Resultat stimmte. Sie erlernte das Melken, den Kinderwagen im Melkstand neben ihr. Wie eine richtige Bäuerin eben.
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«Du kaufst Konfitüre?»
Dabei behauptet Sandra Pfister: «Ich entspreche nicht dem Bild einer Bauersfrau.» Als sie einmal im Coop ein Glas Konfitüre in den Einkaufswagen legte, sagte eine Bekannte etwas vorwurfsvoll zu ihr: «Du bist doch eine Bäuerin. Und kaufst Konfitüre?» Unerschrocken antwortete Sandra Pfister: «Du weisst doch, dass ich arbeiten gehe, wann sollte ich das denn machen?»
Einmachen, grosser Garten – dafür ist ihr der Feierabend zu schade. «Die Marktfrau ist auch froh, wenn jemand bei ihr einkauft», hält sie fest. Überhaupt glaubt Sandra Pfister, dass heute sehr viele Bauersfrauen auswärts arbeiten gehen. Das Bild der Bäuerin, die alles selbst mache, sei doch etwas überholt.
Rindermast statt Milchkühe
Dann hatte Ehemann Michi einen Unfall mit schwerer Schulterverletzung. Pfisters verkauften die Milchkühe und stellten auf Rindermast um. Um die gleiche Zeit ging ihr Traubenabnehmer Konkurs, und sie entschieden sich, die Reben zu verpachten. Es war eine schwere, herausfordernde Zeit. «Aber es musste einfach sein», meint Sandra Pfister rückblickend. Prioritäten wurden überdacht und neu gesetzt, für alle auf dem Hof. «Es ist alles ein Prozess.»
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Erst jetzt, seit sie nicht mehr jeden zweiten Morgen um fünf Uhr aufstehen muss zum Melken und Misten, bevor sie zur Arbeit nach Schaffhausen fährt, ist ihr bewusst geworden, was es hiess, all diese Jahre durchzuhalten. Nie freizuhaben, immer in den Stall, die Kühe geben immer Milch. Immer einfach machen: den Haushalt, den Stall, die Kinder, das Büro, von morgens früh bis spät. «Jetzt frage ich mich manchmal, wie ich das schaffte.»
Ohne schlechtes Gewissen
Die Kinder sind erwachsen und unabhängig. Endlich kann sie mal einen Nachmittag lang ein Buch lesen, und das ohne schlechtes Gewissen. Das musste sie zuerst lernen. Am Anfang hatte sie ständig das Gefühl, sie sollte etwas arbeiten. Sandra Pfister prägte sich ein: «Ich bin gar niemandem etwas schuldig.» Obwohl auch für sie klar ist: «Die Pflicht kommt zuerst.» Haushalt, Familie, Betrieb. Aber wenn diese erfüllt ist, gibt sie sich frei. «Im Sommer mal auf dem Fronwagplatz in Schaffhausen auf einem Bänkli zu sitzen und einfach den Menschen zuzuschauen, finde ich so köstlich!»
Ohne Druck
Sandra und Michi Pfister wollten, dass ihre Kinder die Berufswahl frei entscheiden konnten, ohne Druck zu verspüren, den Hof zu übernehmen.
Tochter Saskia entschied sich für Malerin. Die Mutter freut sich: «Mir wäre das nie in den Sinn gekommen.» Das war zu ihrer Zeit noch eine Männerdomäne.
Sohn Kevin Pfister absolvierte erst die Lehre als Landmaschinenmechaniker und hängt noch die Ausbildung zum Landwirt an. Vielleicht gibt es doch wieder einen Pfister auf dem Rummelenhof. Das wäre natürlich schön für die Hallauer Bauernfamilie.
Fünf Fragen an Sandra Pfister
Was können Sie besonders gut?
Backen, das macht mir und anderen viel Freude.
Ihr Rezept für Entspannung?
An einem Nachmittag ein gutes Buch lesen.
Was ist Ihnen in einer Beziehung wichtig?
Das Vertrauen in den Partner.
Worauf achten Sie bei einem Mann oder einer Frau als Erstes?
Auf die Ausstrahlung.
Welche drei Dinge nehmen Sie mit auf die einsame Insel?
Ein Buch, ein Kreuzworträtsel und Musik.