Seit den 1850er-Jahren haben zahlreiche Agronomen und Bauern europäische und nordamerikanische Länder bereist, um die dortigen landwirtschaftlichen Verhältnisse zu studieren. Ihre Erlebnisse und Einsichten hielten sie in Berichten, Briefen und Tagebüchern fest. Als Erster dokumentierte Walter Schmid, der 1935 in die USA reiste, seinen drei Monate dauernden Aufenthalt auch mit einer Kamera.

Bekannt als «Texas-Gödu»

Die nordamerikanische Landwirtschaft übte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine besondere Anziehungskraft auf Reisende aus Europa aus. Die USA galten auch in der Schweiz als die fortschrittlichste Nation der Welt. So hat es jedenfalls Gottlieb Lüthi in seinem 1932 veröffentlichten Bericht «Wanderjahre in Amerika» formuliert. Lüthi, der von 1934 bis 1969 an den landwirtschaftlichen Schulen Rütti und Schwand unterrichtete und dort als «Texas-Gödu» bekannt war, finanzierte seine zwei Jahre dauernde Reise durch die Arbeit auf Farmen.

Andere Reisende besuchten Nordamerika mit einem Stipendium, anlässlich von Konferenzen oder im Auftrag des Völkerbundes. Die meisten von ihnen nutzten die Gelegenheit für längere Reisen durch die USA oder Kanada. So auch Walter Schmid, der 1935 im Auftrag der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich die USA bereiste, um ehemalige Strickhof-Schüler zu besuchen und einen Bericht über den Stand der Motorisierung und Mechanisierung in den USA zu erstellen.

Grösste Traktorenfabrik

Ausgelöst wurde das Interesse der Behörden an dieser Frage durch Zeitungsberichte, gemäss denen in den USA aufgrund der Wirtschaftskrise wieder vermehrt menschliche und tierische Arbeitskräfte anstelle von Motoren eingesetzt wurden. Schmid sollte herausfinden, ob dies zutraf.

Als Werkführer des Gutsbetriebs und Lehrer für Maschinenkunde an der landwirtschaftlichen Schule Strickhof und Geschäftsführer der Pferdezuchtgenossenschaft Zürich war Schmid prädestiniert zur Beantwortung dieser Frage. Er war zudem der Erste, der seine Erfahrungen und Einsichten auch in der Form eines Films dokumentierte.

Der 80-minütige Schwarzweiss-Streifen zeigt unter anderem die Schiffsreise, amerikanische Farmen, landwirtschaftliche Bildungs- und Forschungsinstitutionen und die damals grösste Traktorenfabrik der Welt in Chicago. Nicht filmen durfte Schmid hingegen in den berühmten Schlachthöfen Chicagos, die er ebenfalls besuchte.

[IMG 2]

Aufnahmen zeigen Zugtiere

Schmids Reiseroute war auch bestimmt durch die Wohnorte von ausgewanderten Verwandten und ehemaligen Strickhof-Schülern und -Lehrern, die er besuchte. Dazu gehörten u. a. sein Onkel Theodor Wirth, der für die Parkanlagen in Minneapolis verantwortlich war, und Max Kleiber, der an der Universität in Davis forschte. Als Schmid in Kalifornien ankam, erfuhr er jedoch, dass sich Kleiber zur selben Zeit auf einer Europareise befand und in Moskau an einem Kongress teilnahm.

In seinem schriftlich verfassten Bericht für den Kanton Zürich stellte Schmid fest, dass in den USA kein Rückgang der eingesetzten Landmaschinen festzustellen sei. Im Gegenteil: In den USA würden immer mehr menschliche und tierische Arbeitskräfte durch motorengetriebene Maschinen ersetzt, schrieb Schmid. Seine Filmaufnahmen sind allerdings weniger eindeutig. Sie zeigen nämlich auch, dass Zugtiere weiterhin eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft spielten.

Lernende nach Amerika

Nach seiner Rückkehr auf den Strickhof zeigte Walter Schmid seine Filmaufnahmen bis zu seiner Pensionierung 1960 jeder Abschlussklasse und kommentierte das Gesehene mithilfe seiner Tagebuchnotizen und des schriftlichen Berichts.

Seine Aufnahmen machten damit nicht nur Hunderte von Schülern und Schülerinnen am Strickhof mit den Entwicklungen der amerikanischen Landwirtschaft vertraut. Sie trugen darüber hinaus einiges dazu bei, dass manche Strickhof-Lernende auch in der Nachkriegszeit nach Amerika fuhren, um sich ein eigenes Bild dessen zu machen, was ihr Maschinenkundelehrer 1935 auf Zelluloid gebannt hatte.

Aufnahmen kontextualisiert

Weil die stummen Aufnahmen ohne den Livekommentar wenig aufschlussreich sind, haben wir mithilfe von Schmids Tagebuch, seinen Fotografien, seinem Reisebericht und weiteren Notizen die Filmaufnahmen kontextualisiert und daraus einen 18-minütigen Videoessay zu den Amerika-Reisen von Bauern und Agronomen produziert.

Dazu haben wir die originalen Filmaufnahmen gekürzt, neu geschnitten und mit weiteren Film- und Bildaufnahmen und einem gesprochenen Kommentar ergänzt.

[IMG 3]

Begleittexte zum Videoessay

Über 1000 Filme

Walter Schmids originale Filmaufnahmen sind hier über das AfA-Filmportal zu finden. Im Portal sind über 1000 historische Filme mit Bezug zur Landwirtschaft einsehbar.

Mehr Informationen zu den im Text erwähnten Personen sind zudem im AfA-Portal «Personen und Institutionen» einsehbar: https://www.histoirerurale.ch/pers