Kaum ein Bauernbetrieb mag sich heute eine Viehfutterbeschaffung ohne ihn vorstellen – ohne den Motormäher. Dabei gibt es ihn noch gar nicht so lange. Während Jahrhunderten wurde auf den Feldern und Wiesen mit Sichel und Sense hantiert. Vor 100 Jahren, am 12. Januar 1922, wurde das Patent Nr. 99 455 für eine selbstfahrende Motor-Mähmaschine vom aus Eriz im Berner Zulgtal stammenden Bauernsohn, Tüftler und Konstrukteur Jakob Fahrni registriert.
Kinderleichte Bedienung
Die Maschine war aber erst eine Idee auf Papier. Zu den Konstruktionsplänen gehörte jedoch bereits eine Zeichnung, die einen lässig-entspannten Landwirt zeigte bei der ganz offensichtlich kinderleichten Bedienung des rund 2 m langen und etwa 1,5 m breiten Gefährtes. Für die Leipziger Messe im selben Jahr liess der Erfinder einen Prospekt davon drucken, um Investoren als Lizenznehmer zu überzeugen.
Jakob Fahrni, am 4. Juni 1872 geboren, befasste sich mit dieser und jener technischen Erfindung. Er wanderte Anfang des 20. Jahrhunderts nach Mainz ins Rheinland aus, musste aber 1914 bei Ausbruch des 1. Weltkrieges wieder in die Schweiz zurückkehren und betrieb dann in Zürich ein Konstruktionsbüro. Um 1920 kam ihm die entscheidende Idee zur Entwicklung des selbstangetriebenen Motormähers. Am 12. Januar 1922 hat Jakob Fahrni aus Eriz im Emmental das Patent Nr. 99455 für den Motormäher eingereicht. [IMG 3]
Zuerst mit Zugtieren
Die Idee lag – sozusagen – schon in der Luft. Bereits in den 1820er- und 1830er-Jahren hatten in Schottland und in den USA Tüftler mit Gerätschaften experimentiert, die das Mähen leichter machen sollten. Sie funktionierten nach dem Scherenprinzip. Es waren Karren, an denen vorn Messerschienen angebracht waren: Zwei, die sich gegeneinander bewegten und damit beim Vorwärtsfahren alles abschnitten, was sich ihnen in den Weg stellte. Nur: für diese Vorwärtsbewegung benötigte man Zugtiere wie Pferde, Ochsen oder Kühe. Die amerikanische McCormick-Mähmaschine wurde 1831 nach diesem Prinzip auf den Markt gebracht. Die von Tieren gezogene Mähmaschine fand auch in Europa Verbreitung. Die erste serienmässige Fabrikation in der Schweiz wurde 1895 durch die Maschinenfabrik Aebi AG in Burgdorf aufgenommen. Für die Bauern bedeutete das mechanische Mähen schon eine grosse Arbeitserleichterung. Anstatt mit Sichel oder Sense ins Feld zu ziehen, konnten sie nun auf einem Gefährt sitzend mähen.
Motoren wurden zuverlässiger
Der Bauernsohn Jakob Fahrni hatte den naheliegenden Einfall, Pferdestärken durch einen der zu diesem Zeitpunkt immer zuverlässiger werdenden Motoren zu ersetzen. Seine wesentlichste Erfindung war aber der Mähbalken – wie wir ihn heute kennen: Mit den spitzen Stahlfingern und dem hin und her ruckelnden, dreieckigen Klingen am Messerhalter. Die liessen sich bei Bedarf auch recht einfach auswechseln.
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Und jetzt: Standen die Maschinenfabrikanten und die Landwirte der Schweiz auf und applaudierten dem Erfinder Jakob Fahrni für die geniale Idee, die das Bauern in Zukunft um so vieles leichter machen würde? Keineswegs: Es schlug ihm viel Skepsis entgegen. Nachdem an der Leipziger Messe der Prototyp vorgestellt worden war, wurden Schweizer Maschinenfabrikanten um eine Lizenzherstellung angefragt. Es gab eine ganze Reihe Absagen.
Einzig der Konstrukteur Arnold Rutishauser bei der Firma Berna in Olten konnte sich für die Idee begeistern. Auf privater Basis konnte bei der Firma Oehler in Aarau 1924 /1925 eine Weiterentwicklung gefertigt werden. Einer der ersten Interessenten war ein Landwirt aus Bubikon im Kanton Zürich. Der war rundum begeistert von der Maschine. Seine Wiesen konnte er in sechsmal kürzerer Zeit mähen als mit der Pferdezugmähmaschine.
Ausverkauft vor Fertigung
Der Erfolg der Mähmaschine kam dann 1926, als zwei erfahrene Industrielle, der Konstrukteur Arnold Rutishauser und der Kaufmann Karl Welte, sich der Erfindung annahmen. Im Februar 1926 gründeten sie die Rapid-Motormäher AG. Eine erste Serie von 50 Maschinen war ausverkauft, bevor die Maschinen gefertigt waren. Da die Firma Oehler nicht mehr mit-machen wollte, wurden die Maschinen bei der Armaturen-fabrik Hans Koch in Dietikon hergestellt. Vom Anfangserfolg bestätigt, entschieden sich die beiden Unternehmer erst einmal 200 Maschinen herzustellen. 1928 wurden dann bereits 300 Maschinen produziert.
Preis: Ein halbes Jahr Arbeit
Der Preis eines Mähers war damals etwas über 2000 Franken. Ein Schnäppchen, will uns scheinen. Zu bedenken ist aber, dass dafür in jener Zeit ein Arbeiter ein halbes Jahr arbeitete. Für einen Landwirt bedeutete die Anschaffung eines solchen Mähers quasi einen Quantensprung. So konnte er bei gutem Heuwetter so viel mähen, wie er wollte – ohne eine Gruppe Handmäher mit Sense organisieren zu müssen, die dann eben doch nur ein beschränktes Tagespensum schafften.
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Und ist der Erfinder, der den Bauern die Arbeit derart erleichterte, mehrfacher Millionär geworden? Seine Tochter, Mimi Frei-Schäfer liess sich in den 70er-Jahren dazu vernehmen: «Mein Vater war ein sehr ingeniöser Mann. Er hat verschiedenste Erfindungen gemacht, so neben der Motormähmaschine auch die Pavatex-Spanplatte. Aber er war kein guter Geschäftsmann. Ich habe es immer bedauert, dass er selbst nicht mehr von seinen Arbeiten hatte profitieren können.»
Mähen und Predigen
Gelegentlich kursierte die Geschichte, dass die Mähmaschine die Erfindung eines Pfarrers gewesen sei. Das trifft nicht zu. Aber offenbar gibt es Verbindungen zwischen dem Mähen und dem Predigen. Denn eine erste Idee zu einem Fingerbalken ist von einem schottischen Pfarrer, Reverend Patrick Bell (1799-1869), verbürgt. Und der Bruder von Jakob Fahrni wirkte seinerzeit im Berner Oberland tatsächlich als Methodisten-Pfarrer.
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