Der Emmentaler AOP ist immer noch einer der beliebtesten Käse im In- wie im Ausland. Seinen Namen hat der berühmte Käse vom Tal mit dem Fluss Emme im Kanton Bern erhalten. Dort kann die Käseherstellung bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Emmentaler AOP wird heute in rund 100 Dorfkäsereien hergestellt, aus frischer Milch von Kühen, die Gras und Heu fressen. Für ein Kilogramm Käse braucht es etwa 12 Liter Milch. Trotzdem hat es der Traditionskäse aus der Schweiz nicht leicht am Markt. Die BauernZeitung hat mit Urs Schluechter, dem neuen Direktor von Emmentaler Switzerland, welcher per 1. Juni das Ruder übernommen hat, gesprochen.

Sie sind seit dem 1. Juni 2022 neuer Direktor von Emmentaler Switzerland. Können Sie sich kurz unseren Lesern vorstellen?

Urs Schluechter: Als Sohn eines Käsermeisters wurde mir die Passion rund um das Käsereihandwerk bereits in jungen Jahren mitgegeben. Heute bin ich seit über 30 Jahren im Bereich Fast Moving Consumer Goods (schnelldrehende Produkte) tätig – vom eigenen Start-up über KMUs bis zum grössten internationalen Lebensmittelkonzern mit Sitz in der Schweiz – und verfüge über langjährige Erfahrung in den Bereichen Marketing, Trade Marketing, Verkauf und Geschäftsleitung auf nationaler sowie internationaler Ebene (China). Meine sehr guten Kenntnisse des Retail- sowie auch des Gastrokanals in der Schweiz sind sicherlich ein weiterer Pluspunkt.

Was hat Sie bewogen, diese Stelle anzutreten?

Was mich motiviert hat, Direktor von Emmentaler Switzerland zu werden? Ich versuche es mit einer Metapher zu erklären: Ein Schiff im Hafen ist sicher, aber dafür wurden Schiffe nicht gebaut. Gerne möchte ich Kapitän eines Schiffs sein, das in See sticht.

Wie zufrieden ist Emmentaler Switzerland mit dem vergangenen Geschäftsjahr?

Trotz nach wie vor eingeschränkten persönlichen Kontaktmöglichkeiten mit unseren Mitgliedern und der Delegiertenversammlung 2021, welche erneut auf dem Zirkularweg hat stattfinden müssen, konnten alle ordentlichen Geschäfte von Emmentaler Switzerland zur Zufriedenheit erledigt werden. Inhaltlich nahm die Sortenorganisation damit trotz Corona und den daraus resultierenden Einschränkungen alle Aufgaben wahr.

Wie lief es mit dem Käsehandel?

Sicher nicht zufriedenstellend waren die Verkäufe von Emmentaler AOP. Von 2018 bis 2020 ist es Emmentaler Switzerland zwar gelungen, die Gesamtverkäufe von Emmentaler AOP stabil bei knapp 17 500 t zu halten. 2021 verringerten sich die Totalverkäufe gegenüber 2020 jedoch um 2,4 %. Von den steigenden Exporten des Schweizer Käses konnte Emmentaler AOP nicht profitieren und der wiederaufkommende Einkaufstourismus macht dem Inlandkonsum zu schaffen. Zudem kauften preissensitive Einkaufstouristen nach Öffnung der Grenzen im Ausland wieder günstigere Alternativen.

Was sind die Gründe für diesen Rückgang?

Das Minus betrifft sowohl die Schweiz als auch den Export. In der Schweiz konnte der sehr starke März 2020 zu Beginn des ersten Lockdowns nicht wiederholt werden. Ab Juli 2020 machten zudem wieder mehr Menschen Ferien ausserhalb der Schweiz. In Kombination mit dem wiederaufkommenden Einkaufstourismus machte dies dem Inlandkonsum zu schaffen. Die Gesamtexporte sanken 2021 verglichen mit 2020 um 142 Tonnen. Aufgrund der Pandemie konnte eine starke Verschiebung von der Theke hin zur Selbstbedienung festgestellt werden. Bei der Selbstbedienung sind Preispunkte beim Kaufentscheid viel wichtiger als an der Theke. Dies gilt insbesondere für die sehr preissensitiven Märkte. Zudem fehlt die Beratung vom Thekenpersonal. Trotzdem konnten die Exportmärkte, mit Ausnahme von Italien, das Volumen halten oder sogar leicht steigern.

Welche Strategie verfolgen Sie, damit der Emmentaler AOP wieder zu seinem Erfolg zurückkehrt?

Als Branchenneuling geht es zuallererst darum, das Geschäft und die Menschen rund um Emmentaler Switzerland kennenzulernen. Nach dem Amtsantritt von Präsident Daniel Meyer wurde die Strategie von Emmentaler Switzerland überarbeitet und noch stärker auf die Konsumenten und Konsumentinnen ausgerichtet. Daran wollen wir auch weiterhin arbeiten. Aktuell ist es jedoch noch zu früh, um über strategische Anpassungen zu sprechen.

Die Anzahl produzierender Emmentaler-AOP-Käsereien nehmen weiterhin ab. Bis Ende Jahr sollen es weniger als 100 Betriebe sein. Wo ist aus Ihrer Sicht die Schmerzgrenze erreicht?

Wie viele Emmentaler-AOP-Käsereien es braucht, definiert nicht Emmentaler Switzerland, sondern der Markt. Fakt ist, dass der Strukturwandel bei den Käsereien noch nicht abgeschlossen ist. Fakt ist aber auch, dass jedes Jahr 200 bis 210 Mio kg Milch zu Emmentaler AOP verarbeitet werden. Auch zur dezentralen Besiedelung und damit zur Sicherung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum liefert Emmentaler AOP einen wichtigen Beitrag.

Im Weiteren kämpfen viele Emmentaler-AOP-Käsereien mit veralteten Einrichtungen. Auch das Personal fehlt. Wo sehen Sie den Emmentaler AOP in zehn Jahren?

Nicht erst die Mitgliederumfrage von Emmentaler Switzerland im Herbst 2020 zeigt, dass die Nachwuchsförderung in der Milchproduktion und in den Käsereien zukünftig eine wichtige Herausforderung für die gesamte Branche darstellt. Mit den Preiserhöhungen im April 2020, Januar 2022 (für Bio) und August 2022 konnte die Wertschöpfung für Emmentaler AOP auf allen Stufen gesteigert werden. Die aktuell tieferen Freigaben bedeuten jedoch tiefere Auslastungen der Emmentaler-AOP-Käsereien. Die Ausrichtung und die finanzielle Situation sind jedoch für jede Käserei sehr individuell, weshalb eine generelle Aussage nicht möglich ist.

Warum ändert man das Rezept des Emmentalers AOP nicht?

Die Herstellung und damit auch die Qualität von Emmentaler AOP ist im Pflichtenheft festgehalten. Die «Rezeptur» respektive die Herstellung des Emmentalers AOP kann deshalb nicht einfach verändert werden. AOP-Produkte sind Qualitätsprodukte, die im Ursprungsgebiet erzeugt, verarbeitet und veredelt worden sind und sie stehen für ein klar definiertes geografisches Gebiet, eine lange Geschichte, natürliche Inhaltsstoffe und eine traditionell-handwerkliche Herstellung. Wie erwähnt, werden jedes Jahr über 200 Mio kg Milch zu rund 17 000 t Emmentaler AOP verarbeitet.

Fragt man die Konsumenten, hört man viel, dass sie den Emmentaler AOP vom Geschmack her einfach nicht mögen. Bereitet das Ihnen nicht Sorgen?

Emmentaler AOP ist damit nach wie vor einer der wichtigsten und beliebtesten Sortenkäse mit Herkunft Schweiz. Es gibt bestimmt Konsumenten, die andere Sortenkäse dem milden Emmentaler AOP vorziehen. Der Emmentaler AOP ist jedoch mittlerweile in verschiedensten Reifegraden erhältlich. Diesen Konsumentinnen empfehlen wir zum Beispiel reifere und somit rezentere Varianten. Wir sind überzeugt, dass es für jeden Geschmack respektive für jeden Genusstyp einen treffenden Reifegrad gibt.

Wie hoch ist zurzeit der Milchpreis der Emmentaler-Milchproduzenten und welche Prognosen geben Sie hier für die Zukunft?

Dazu verweisen wir auf den Geschäftsbericht der Schweizer Milchproduzenten (SMP). Die durchschnittlichen Milchpreise für alle Sortenkäse werden von SMP erhoben. Eine Prognose abzugeben wäre reine Spekulation.