Der Anlass auf dem Milchviehbetrieb von Peter Schlauri in Gossau SG richtete sich an landwirtschaftliche Kandidaten der nationalen Wahlen 2019, Meinungsträger aus der Landwirtschaft und die Medien. 

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein

Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands (SBV), berichtete in seinem Referat über seinen politischen Alltag. Noch nie habe er es erlebt, dass so viele agrarpolitische Diskussionen gleichzeitig geführt werden. Man könne sich fragen, wie das in den nächsten Jahren noch herauskommt. Wichtig sei, dass die Landwirtschaft diese Aufgaben mit einer klar strukturierten Arbeit und einer guten Organisation anpackt.

"Man liest immer, die Landwirtschaft mache ihre Sache gut. Das hängt damit zusammen, dass wir wissen, was wir wollen, wie wir es wollen und vor allem wie wir mit den entsprechenden Geschäften im Parlament, aber auch gegenüber Bundesrat und Verwaltung vorgehen müssen", führte Ritter aus. "Für uns Bauern ist es wichtig, dass wir auch in den nächsten Jahren die Möglichkeit haben, unsere Anliegen einzubringen. Dafür müssen wir zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort mit der richtigen Person bei den verschiedenen Geschäften agieren."

Ritter ist trotz der vielen Initiativen zuversichtlich für die nächsten Jahre: "Wir haben einen Wirtschaftsminister, der ein Bauer ist. Wir haben einen Finanzminister und weitere Mitglieder im Bundesrat, die unsere Anliegen verstehen." Wichtig sei aber auch, dass die Bauern(vertreter) mit der Bevölkerung diskutieren und zeigen, dass die Landwirtschaft die verschiedenen Herausforderungen in Märkten oder Umweltbereich annimmt und an Lösungen arbeitet.

Erwartungen aus Sicht der Kuh

Christian Manser, Fachstelle Rindvieh beim Landwirtschaftlichen Zentrum Flawil, begab sich für sein Referat unter die Kühe. Mit seinen Inputs aus dem Kuhbereich – mal mehr, mal weniger ernst gemeint – beschrieb er die Erwartungen an Politik und Konsumenten aus Sicht der Milchkuh. So sagte Manser etwa, als Kuh komme man sich komisch vor, wenn man am Schluss verantwortlich sein soll für das, was klimamässig abgeht: "Da liegst du gemütlich am Sonntag auf der Weide, bist am Wiederkäuen und siehst ein Auto nach dem anderen vorbeifahren." Und die Kuh, die am Arbeiten ist, die Futter für die Milchproduktion umsetzt, solle nun verantwortlich sein für die Klimaerwärmung. Von Kühen erwartet der Kuhsignal-Trainer Respekt und Vertrauen. Dasselbe erwartet er aber auch von den Politikern und Konsumenten.

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Nicht alle zahlen den Qualitätszuschlag

Hanspeter Kern, Präsident der Schweizer Milchproduzenten (SMP), sprach über die Milchpreispolitik. Als grösste Herausforderung sieht er die Preisgestaltung für jenes Drittel Milchbetriebe, die einen schlechten Milchpreis haben.  "Es muss uns gelingen, dass alle einen anständigen Milchpreis haben", machte Kern geltend. Eine Massnahme ist der "grüne Teppich", der Branchenstandard für nachhaltige Schweizer Milch, Swissmilk Green. Kern hofft, dass der Konsument die Mehranstrengungen honoriert und bereit ist, die entsprechenden Zuschläge zu zahlen.

Zum grünen Teppich kamen dann auch Fragen aus dem Publikum. Kolumban Helfenberger, Thurgauer BDP-Kantonsrat, berichtete, dass er seinen Betrieb für das Nachhaltigkeitsprogramm angemeldet hat. "Ich weiss von meinem Käser bis heute nicht, ob ich für den Monat September den Nachhaltigkeitszuschlag bekomme."

"Es ist störend, dass sich nicht alle an die Abmachungen halten" – Hanspeter Kern, Präsident SMP

Kern sagte, er habe Kenntnis davon, dass kleinere Anbieter von Molkereimilch nicht in der Lage seien, den Zuschlag von 3 Rappen auf Molkereimilch zu bezahlen. "Das ist eine Sauerei", machte er seinem Ärger Luft. "In der Branche waren wir uns einig und haben die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen. Die Umsetzung allerdings muss über die Handelsorganisationen kommen." Der SMP-Präsident bezeichnet es als "störend", dass man die Wertschöpfung nicht bis zum Produzent bringt.

Bauern brauchen Planungssicherheit

Aufgrund der schwierigen Situation bei Molkereimilch fordert Martin Haab, Präsident von BIG-M und Zürcher SVP-Nationalrat, mehr Planungssicherheit für die Milchproduzenten. "In Zukunft müssen wir über die Menge diskutieren, allenfalls über eine transparente Segmentierung."

Hanspeter Kern betonte, dass die Mengendiskussion nicht so einfach sei. "Fünf Prozent weniger Milch heisst nicht automatisch zehn Prozent höhere Preise." Für ihn ist der teilweise fehlende Grenzschutz  ein Problem. Daher warnte er auch vor weiteren Freihandelsabkommen. "Jede Marktöffnung ist für uns problematisch.

Kritik an der Reduktion der Dünger-GVE

Für weiteren Diskussionsstoff sorgte die vorgesehene Absenkung der Dünger-Grossvieheinheiten (GVE) von 3,0 auf 2,5 pro Hektare, abgestuft nach Zonen. Dies hatte der Bundesrat in der Vernehmlassung zur AP 22+ vorgeschlagen. Andreas Widmer, Geschäftsführer des St. Galler Bauernverbands und St. Galler CVP-Kantonsrat, und Martin Haab warnten vor grossen Problemen in der Düngerbilanz.

Haab: "Das hätte zur Folge, dass wir entweder mehr Hofdünger von den Betrieben wegführen oder dass die Betriebe die Tierbestände runterfahren." Weil die Milchwirtschaft auf vielen Betrieben der am wenigsten lukrativste Betriebszweig ist, könnte die Zahl der Milchviehbetriebe weiter sinken.

"Die Senkung der Dünger-GVE hätte grosse Auswirkungen auf Tal- und Bergbetriebe" – Markus Ritter, Präsident SBV

Laut Markus Ritter müssten 92'000 Dünger-GVE zusätzlich verschoben werden. Und zwar nicht nur Betriebe, die mit den eigenen Tieren zu viel haben, sondern auch solche, die Dünger zuführen. Ritter stört sich besonders daran, dass das Bundesamt für Landwirtschaft nicht weiss, was Sache ist. "Es wird eine Zahl festgelegt, die den Nährstoffbedarf der Pflanzen nicht wiedergibt. Das Manko müsste man mit Pflanzendünger ausgleichen und das kann es nicht sein." Er hoffe,  dass bei der Beratung der AP 22+ dieses Mal der Ständerat Erstrat ist. "Da sind die Kantone gefordert, die richtigen Fragen zu den Ständeräten zu tragen."

SBV-Präsident ruft zu Einigkeit auf

Zur Situation in der Schweizer Milchwirtschaft meinte Ritter: "Wir haben viel probiert, aber im Vergleich zu anderen Bereichen hatten wir in der Milchwirtschaft immer Gruppierungen, die die Idee eines gemeinsamen Auftretens untergraben haben." So komme man auf keinen grünen Zweig. "Wichtig ist, dass man gemeinsam etwas beschliesst, geschlossen handelt und es nachher auch durchzieht." Das gelte für die politischen Vorlagen, aber auch fürs Agieren in den Märkten.