Wer am diesem Samstagmorgen auf dem Churer Wochenmarkt unterwegs ist, braucht wetterfeste Kleidung. Kurz nach acht Uhr setzt Regen ein, der erst am Nachmittag nachlässt. Gut besucht sind die Marktstände aber allemal und es herrscht eine gemütliche Atmosphäre. Wer das Markttreiben etwas genauer beobachtet, stellt fest, man kennt sich hier. Viele Passanten wissen genau, an welchem Stand sie ihr Gemüse, wo das Brot und bei wem sie den Käse einkaufen wollen.
Hundert Prozent Graubünden
Den Churer Wochenmarkt gibt es seit 1987, also schon über drei Jahrzehnte. Dass er nach wie vor Bestand hat, zeuge davon, dass die Herkunft Graubünden für den Konsumenten eine wichtige Rolle spiele, sagt Stefan Walter, Präsident des Churer Wochenmarkts. Die Zahl der Marktfahrer ist über all die Jahre etwa gleich geblieben, nämlich zwischen 25 und 30 Stände.
"Der Markt läuft konstant sehr gut. Die Leute wollen regional und vor allem bio kaufen", ergänzt Walter. Er selber nimmt am Markt nicht teil. Walter ist Geschäftsinhaber des Ladens "vom Fass" und verkauft in der Churer Altstadt Essig, Öle, Whisky, Grappa, Feinkostartikel, Spirituosen und Weine – natürlich alles von regionalen Produzenten.
Serie Marktbummel
Vielen Konsumentinnen und Konsumenten ist der wöchentliche Einkaufsbummel auf "ihrem" städtischen Markt zu einer lieben Gewohnheit geworden. Sie versorgen sich bei den Produzenten ihrer Wahl mit saisonalen und regionalen Produkten. Sie nutzen die Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch. Für die bäuerlichen Direktvermarkter hingegen sind die Markttage oft lang und anstrengend. Sie bilden auch ein wichtiges wirtschaftliches Standbein. Während der Sommerwochen schnuppert die BauernZeitung etwas Marktatmosphäre. Bereits erschienene Beiträge:
- Winterthurer Wochenmarkt
- St. Galler Bauernmarkt
- Schaffhauser Wochenmarkt
- Zürcher Wochenmarkt beim Bürkliplatz
Der Churer Wochenmarkt bildet den Abschluss dieser Sommerserie.
Fast keine Plastiksäckli mehr
Rund vierzig Bündner Bauernfamilien bieten von Anfang Mai bis Ende Oktober ihre Produkte in der Oberen und Unteren Gasse in der malerischen Altstadt von Chur an. Einige Marktfahrer sind seit den Anfängen dabei, wie die Firma Gaupp AG. Das Unternehmen aus Untervaz hat sich auf den Gemüse- und Gartenbau spezialisiert. Jörg Gaupp, der den Betrieb in zweiter Generation führt, verkauft mit seinem Team am Wochenmarkt Biogemüse, Biosetzlinge und Naturprodukte wie Honig, Konfitüren und Tee. "Hier können wir unsere regionalen Produkte direkt dem Kunden verkaufen, ohne Zwischenhandel", begründet Gaupp die langjährige Teilnahme am Wochenmarkt.
Wie hat sich denn die Kundschaft und deren Kaufverhalten über all die Jahre verändert? "Wir stellen fest, dass heute bewusster eingekauft wird. Fair-Trade und Food-Waste haben eine wichtige Bedeutung bekommen", sagt Gaupp. Wer am Wochenmarkt einkaufe, sei bereit, etwas mehr für die Produkte zu bezahlen als im Supermarkt. Und noch einen Trend macht Gaupp bei den Marktbesuchern aus: "Heute haben die meisten ihre eigenen Einkaufstaschen dabei. Plastiksäckli sieht man hier fast keine mehr."
"Eine coole Sache"
Ein paar Meter weiter steht Mirjam Corvi in auffallend blauem T-Shirt hinter einem Stand. Vor sich hat sie eine kleine Auswahl an Käsesorten, verschiedene Joghurts und Milch. "Echti Churer Milch" steht auf dem Plakat, das am Stand befestigt ist. Der Chef sei heute nicht anwesend, sagt Corvi, sie gebe aber gerne Auskunft, so weit sie könne. "Produkte am Markt unter die Leute zu bringen, ist etwas Cooles", sagt die aufgestellte Frau mit Kurzhaarschnitt. "Regionalität ist gefragt, das spüren wir hier Woche für Woche."
Die Milch und Milchprodukte, die Corvi an die Frau und den Mann bringt, stammen vom Gutsbetrieb der Stiftung Plankis, eine Arbeits- und Ausbildungsstätte für Menschen mit geistiger Behinderung. Seit 2013 verkauft Plankis seine Milchprodukte auch am Churer Wochenmarkt. Vis à vis vom Milchproduktstand steht ein weiterer Stand der Stiftung. Hier verkaufen Bewohner vom Plankis zusammen mit ihren Betreuern weitere Produkte vom Gutsbetrieb.
Viel Gemüse und viel Bio
Bummelt man weiter durch den kleinen, gemütlichen Bauernmarkt, so fällt auf, dass es viele Biobetriebe hat. "Bio spielt für uns beim Einkaufen zwar eine wichtige Rolle, aber wir kommen vor allem hier hin, weil wir regionale Produkte, frisch und direkt vom Bauern kaufen wollen", sagt ein junges Paar, das mit zwei Körben in der Hand seine Marktrunde macht.
An den Gemüseständen bilden sich allmählich Warteschlangen. Auch für frisches Brot und Zöpfe muss man anstehen. Bei der Metzgerei von Marcel Hefti aus Seewis bleibt dann schon eher Zeit für einen kurzen Schwatz und fürs Probieren von Bündner Räucherschinken.
Eine Frau mit zwei vollen Einkaufstüten sucht sich ein trockenes Plätzchen unter dem Dach von einem der vielen Strassenkaffees – auch das gibt dem Churer Wochenmarkt einen gewissen Charme. Und plötzlich steht da eine Gruppe von asiatischen Touristen, mitten im Marktgetümmel. Etwas verloren sehen sie aus und sind mit ihrem Reisebegleiter auch bald wieder verschwunden. Für die übrigen Passanten an der Oberen und Unteren Gasse geht der Einkauf bei ihrem Bauern derweil weiter.
Eckdaten des Churer Wochenmarkts
Ort: Obere Gasse und Untere Gasse
Zeit: jeweils am Samstag, 8 bis 12 Uhr
Saison: von Anfang Mai bis Ende Oktober
Grösse: 28 Stände
Weitere Infos: www.churer-wochenmarkt.ch