Philipp Egloff ist seit September 2019 der Geschäftsführer der Berner Waldbesitzer (BWB). Die BauernZeitung hat mit ihm über seine Arbeit, den Wald in Zeiten von Klimawandel, Krieg und Ressourcenknappheit und darüber, warum er nach nur rund drei Jahren die Geschäftsführung der BWB bereits wieder abgibt, gesprochen.
Philipp Egloff, mit welcher Arbeit als Geschäftsführer der Berner Waldbesitzer sind Sie am meisten beschäftigt?
Philipp Egloff: Die Geschäftsführung ist eine sehr vielseitige Aufgabe. Die Kernaufgabe ist jedoch die Interessensvertretung aller Berner Waldbesitzer, sowohl die der privaten wie auch der öffentlichen wie Burgergemeinden etc. Dazu sind wir in verschiedenen Kommissionen tätig, etwa der Kommission Jagd und Wildtierschutz oder der Fachkommission Biodiversität, und bringen dort die Interessen der Waldbesitzer ein. Ganz wichtig ist dabei die politische Interessensvertretung mittels Stellungnahmen, aber auch die Sensibilisierung von Politik und Verwaltung für die Anliegen der Waldbesitzer.
Lange Zeit war in den Wäldern der Borkenkäfer ein grosses Thema. Wie sieht die Situation heute aus?
Nach Burglind im Jahr 2018 herrschten optimale Bedingungen für die Käfer, um sich zu verbreiten. Es gibt bis zu drei Generationen pro Jahr und entsprechend rasch vermehren sie sich. Der BWB hat sich dafür eingesetzt, dass der Kanton die Borkenkäferbekämpfung auch im Mittelland unterstützt. Der Kanton hat daraufhin ein Forstschutzprogramm lanciert, das Waldbesitzerorganisationen bei der Überwachung der Wälder und bei der Organisation der Borkenkäferbekämpfung unterstützte.
Mithilfe dieses Programms konnten befallene Bäume rechtzeitig aus dem Wald geschafft werden. Dies hat gewirkt und wir konnten vergangenes Jahr und auch heuer einen merklichen Rückgang des Borkenkäfers verzeichnen. Geholfen hat dabei sicher auch das nasse Wetter vom vergangenen Jahr. Wichtig ist jeweils, dass die Wälder im Frühling bei steigenden Temperaturen auf Borkenkäferbefall überwacht werden und die erste Generation der Käfer noch vor ihrem Ausflug bekämpft wird, das heisst, die befallenen Bäume entsprechend aufgearbeitet werden. Die Käferproblematik ist regional sehr unterschiedlich, was eine gute Beobachtung der Wälder nötig macht.
Ist der Borkenkäfer der einzige Schädling, oder was macht dem Wald nebst dem Klima sonst noch zu schaffen?
Der wichtigste Schädling ist schon der Fichtenborkenkäfer. Was in den letzten Jahren dazu kam, ist das Eschentriebsterben, welches den Bestand dieser wichtigen Baumart stark reduziert hat. Ein Pilz lässt dabei die Triebe absterben. Es gibt Eschen, die resistent sind gegen das Eschentriebsterben. Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen, ist Gegenstand von Untersuchungen der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Der Asiatische Holzbockkäfer ist momentan weniger ein Thema.
Und dann gibt es auch noch das Wild, das Schäden anrichtet. Können diese beziffert werden?
Alle zwei Jahre wird ein Wildschadengutachten vom Amt für Wald und Naturgefahren gemacht. Dieses zeigt auf, wie gross die Fläche ist, welche durch den Wildtiereinfluss die Verjüngung des Waldes stark beeinträchtigt. Das hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen. Wir stehen jetzt bei einer Situation, wo auf zwölf Prozent der Berner Waldfläche der Wildtiereinfluss untragbar ist. Auf weiteren 26 Prozent wird er als kritisch beurteilt. Bei diesem Gutachten werden nur die Hauptbaumarten beurteilt. Aber gerade die Nebenbaumarten, wie etwa Linde oder Weisstanne im Buchenwald, die beim Thema Klimawandel ebenso wichtig sind, werden nicht berücksichtigt.
Müsste in dem Fall nicht die Vorgehensweise angepasst werden?
Richtig, die Systematik müsste gerade mit Blick auf den fortschreitenden Klimawandel angepasst werden. Das ist vom Amt für Wald und Naturgefahren für das Gutachten im Jahr 2024 auch in Aussicht gestellt worden. In der Zwischenzeit gibt es Zahlen, bei denen wir davon ausgehen, dass die Situation stark unterschätzt wird. Das ist nicht nur ein forstwirtschaftliches, sondern auch ein Waldökologisches Problem. Können gewisse Baumarten nicht mehr aufwachsen, zieht das einen Rattenschwanz nach sich. Tier- und Pflanzenarten, die auf diese Bäume angewiesen sind, kommen dort nicht mehr vor, was die Artenvielfalt beeinträchtigt.
Und auch dort, wo sich der Hirsch ausbreitet, gibt es Probleme. Dieser macht sich auch an Bäumen zu schaffen, die bereits grösser sind, was wiederum die Schutzfunktion des Waldes beeinträchtigt. Dies bedeutet nur schwer bezifferbare Folgekosten für die Gesellschaft, etwa in Form von Schutzbauten, die erstellt werden müssen.
Können Waldbesitzer mehr tun, als lediglich Jungbäume zu schützen?
Bäume vor Wildverbiss zu schützen ist nur Symptombekämpfung. Das Wichtigste ist, dass die Wildtierbestände so reguliert werden, dass die jungen Bäume ohne Schutzmassnahmen aufwachsen können. Das ist auch im Gesetz so festgelegt. Die Waldbesitzer können einen Beitrag leisten, indem sie den Wald aktiv bewirtschaften, damit er stets verjüngt wird. So wird das Nahrungsangebot für das Wild verbessert und die Schäden konzentrieren sich nicht punktuell auf eine kleine Fläche. Dabei kommt es nicht selten zu Konflikten mit der urbanen Bevölkerung, welche die Zusammenhänge, gerade beim Holzschlag, oftmals nicht nachvollziehen kann.
Bräuchte es in dem Fall vermehrt Anstrengungen vonseiten BWB in der Öffentlichkeitsarbeit, um die Bevölkerung ausserhalb der Waldwirtschaft über die Zusammenhänge zu informieren?
Ja. Wir engagieren uns über unsere Kommunikationskanäle und zeigen auf, warum Wald bewirtschaft werden muss. Hierzulande wird der Wald aber eher unternutzt. Wir verweisen auch immer wieder darauf, dass die Waldbewirtschaftung nicht Selbstzweck ist, sondern ein gesellschaftliches Bedürfnis erfüllen soll. Etwa der Holzbedarf, der hierzulande aus heimischem Holz gedeckt werden könnte. Leider leisten wir uns den Luxus, den ökologischen Fussabdruck ins Ausland zu exportieren und dort billigeres Holz aus Gebieten zu holen, wo nicht so nachhaltig gewirtschaftet wird wie bei uns.
«Die Folgekosten sind schwer bezifferbar.»
Philipp Egloff zur Wildproblematik in Bezug auf Hirsche.
Werden Wildschäden den Waldbesitzern von Kanton oder Bund entschädigt?
Es gibt die Wildschadenverordnung des Kantons, in der dies geregelt ist. Leider basiert die Entschädigung nicht auf Vollkostenbasis, sondern auf Werten, welche irgendwann von der Verwaltung definiert wurden. Dabei wird knapp das Pflanzmaterial entschädigt.
Die Burgergemeinde Bern schrieb jüngst: «Drei von vier Bäumen, die heute in Berns Wäldern wachsen, erhalten dereinst grosse Probleme. Grund: der Klimawandel.» Was bedeutet das für die Waldbesitzer und die Waldbewirtschaftung?
Die zwei wichtigsten Arten, die Buche und die Fichte, werden es zunehmend schwer mit der Trockenheit haben. Ich würde die beiden Arten jedoch nicht komplett abschreiben. Aber eine Fichte kann nicht mehr 120 Jahre stehen gelassen werden. Die Risikozeit der Bäume muss verringert werden. Im Mittelland ist der natürliche Wald mehrheitlich Buchenwald, eine Baumart, die mit der zunehmenden Trockenheit Mühe hat. Nun gilt es zu schauen, mit welchen trockenheitsresistenteren Baumarten der Wald ergänzt werden kann, welche auch unsere gesellschaftlichen Ansprüche wie den Bedarf an Holz oder Lebensräumen abdecken. Die Douglasie ist eine interessante Baumart, die für die Holzversorgung eine wichtige Rolle spielt und sich bei uns auch ökologisch etabliert hat.
Welche Baumarten halten künftigen klimatischen Bedingungen stand?
Wenn man in Länder schaut, die ein Klima haben, von dem hiesige Klimaforscher annehmen, dass das bei uns künftig herrschen wird, gibt das eine Vorstellung, wie unser Wald in 100 Jahren aussehen könnte. Niemand von uns kann heute schon sagen, welches der richtige Weg ist. Der Kanton Bern hat mit einem Innovationswettbewerb die Waldbesitzer aufgerufen, innovative Konzepte zur Anpassung des Waldes an den Klimawandel einzureichen, und setzt damit auf die Innovationskraft der Berner Waldwirtschaft. Momentan läuft die Auswertung der eingegangenen Konzepte. Im November soll dann die Preisverleihung stattfinden.
Wie präsentiert sich der Holzmarkt derzeit?
2020 waren die Preise wegen dem Überangebot an Schadholz am Boden. Dies hat sich innerhalb eines Jahres stark geändert. Angezogen haben die Preise zuerst beim Schnittholz, da ein Mehrbedarf an ökologischem Baustoff vorhanden ist. Mittlerweile sind die Preise bei gewissen Sortimenten 20 bis 30 Prozent gestiegen. Wir stellen fest, dass sich die Situation erholt hat und der Wald wieder wirtschaftlich nachhaltig bewirtschaftet werden kann. Es gibt aber noch Luft nach oben.
Aufgrund des Krieges in der Ukraine droht ein Gas- und Strommangel. Spüren Sie bereits, dass das Interesse für Holz- und Pelletsheizungen und somit die Nachfrage nach Holz steigt?
Ja, das hat angezogen, Holz kann in die Lücke springen. Neu gibt es im Kanton Bern auch für das Erneuern alter Holzheizungen Beiträge.
«Die Arbeit in der Holzernte ist gefährlich.»
Philipp Egloff zur Arbeit im Wald und zum Holzerkurs-Obligatorium.
Bei der Waldarbeit passieren laut Suva jährlich rund 1700 Unfälle. Seit Anfang Jahr gilt das Holzerkurs-Obligatorium. Was versprechen Sie sich als Geschäftsführer der BWB von diesem Obligatorium?
Es ist wichtig, dass Leute, die im Wald arbeiten, genug gut ausgebildet sind, damit möglichst wenig Unfälle passieren. Die Arbeit in der Holzernte ist gefährlich. Auch die Zusammenarbeit mit Waldunternehmen, welche die professionelle Waldbewirtschaftung anbieten, hilft, Unfälle zu vermeiden.
Herr Egloff, Sie geben die Geschäftsführung der BWB per Ende Oktober ab. Was sind die Gründe dafür?
Ich bin zu 50 Prozent als Geschäftsführer und zu 50 Prozent im Forstbetrieb tätig. Beide Funktionen zu vereinbaren wurde immer schwieriger, da ich nicht gerne Abstriche mache. Ich habe mich daher entschieden, das Betriebliche aufzustocken und die Geschäftsführung abzugeben.
Bereits Ihre Vorgängerin Lea Imola hatte den Posten nicht lange inne. Bei Ihnen war die Doppelfunktion zu viel. Nun ist die Geschäftsführung wieder in einem Teilzeitpensum ausgeschrieben, weitere Aufgaben im Forstbetrieb können übernommen werden. Läuft der BWB nicht Gefahr, dass sich die Problematik der Doppelbelastung wiederholt?
Das hat man sich durchaus überlegt. Das Pensum der Geschäftsführung wurde auf 60 Prozent erhöht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Aufgaben, die daneben im Forstbetrieb wahrgenommen werden können, nicht zeitkritisch sein dürfen. Die Arbeit ist anspruchsvoll, aber auch extrem spannend, vielseitig und attraktiv. Ich konnte enorm viel lernen in den drei Jahren. Auch die Zusammenarbeit mit dem Verband ist super.
In Zahlen
177 000 ha Wald hat der Kanton Bern.
52 % der Fläche ist Schutzwald.
72 % der Baumarten ist Nadelholz.
28 %ist Laubholz.
46 % der Bäume sind Fichten.
54 % der Waldfläche gehört privaten, 46 % öffentlichen Waldeigentümern.
aw/Quelle Nachhaltigkeitsbericht 2018 zum Berner Wald