Alle wollen die Natur retten und fordern von uns Bauern mehr Massnahmen für die Biodiversität. Die Fakten sind leider schon so, dass dringendes Handeln angesagt ist. Ich werde aber den Eindruck nicht los, dass sehr viele dieser Vorschläge den Zusammenhang zwischen Umwelt und Form der Bewirtschaftung ignorieren. Ich bin in einem Alter, wo ich oft zurückschaue, weil ich nicht verstehen kann, was jetzt wieder alles umgekrempelt werden soll. Ich hatte ja das Glück, dass ich meine Kindheit in einer Zeit verbringen konnte, in der wenigstens die Umwelt noch in Ordnung war:
- Im Februar forderte der Schweizer Vogelschutz die Bauern jeweils via Radio auf, Gülle und Mist auf den schneebedeckten Feldern auszubringen, um den frühzeitig zurückgekehrten Staren Futter anzubieten. – Heute hätte diese Hilfe eine Busse von zigtausend Franken zufolge.
- Früher liess man abgeerntete Stoppelfelder einfach stehen. Im Spätherbst und Winter waren auf diesen Feldern riesige Vogelschwärme anzutreffen, welche nach Unkrautsamen suchten. Heute muss ein Stoppelfeld zwingend begrünt werden. Wer es nicht macht, verliert massiv Direktzahlungen. Auf den Phaceliafeldern findet kein einziger Vogel Futter. – Der Vogelschutz schlägt nun Alarm, weil die Goldammern immer seltener werden …
- Eine für uns Kinder mühsame Arbeit war das Eingrasen unter den Obstbäumen. Die Kühe fütterte man vorwiegend im Stall. – Heute weiden die Kühe in den ehemaligen Baumgärten. Ausser den Nuss- und Kirschbäumen sind in den ehemaligen Obstgärten alle Obstbäume abgestorben.
- Jeden Tag wurde ein Fuder frisches Gras geholt. Sobald die Mähmaschine gestartet wurde, kamen jeweils die Vögel von allen Seiten und suchten den Boden nach Nahrung ab. – Heute wird bei der ersten Schönwetterperiode im Mai sämtliches Grasland gemäht und einsiliert. Für ein paar Tage hat es nun genug Futter für die Vögel.
- Im Frühling und Herbst wurden die Kühe tagsüber auf die Weide gelassen. Im Anbindestall wurde von Hand der Mist auf einer Karette auf den Miststock transportiert. Jeder Bauernhof hatte einen grossen Miststock und ein ganz kleines Güllenloch. Heute ist der Miststock klein und die Güllengrube gross. Und wir haben ein Ammoniakproblem, obschon es bei uns in der Schweiz heute weniger Kühe hat als vor 50 Jahren.
Bewirtschaften wie vor 50 Jahren
Es ist für mich unverständlich, dass man zwar von einer Biodiversität träumt, welche vor 50 Jahren noch weitgehend vorhanden war, aber niemand darüber nachdenken will, wieso damals die Biodiversität so war. Ich bin überzeugt: Wenn die Biodiversität wieder so sein soll wie vor 50 Jahren, dann bedeutet das, dass auch die Bewirtschaftung der Flächen wieder so ist wie damals, wobei ich die Auswirkungen der modernen Gesellschaft einmal ausblende.
Das hätte Konsequenzen
Das hiesse dann aber: Weniger Effizienz, weniger Arbeitsproduktivität – mehr Arbeitskräfte, höhere Kosten. Wenn diese Arbeitskräfte zu einem vernünftigen Lohn arbeiten sollen wird klar, dass die Landwirtschaft der Zukunft teurer werden muss. Ist das finanzierbar? Es muss sein. Ansonsten bleiben alle Bemühungen reine Träumerei.
Der Autor
Werner Locher ist Landwirt in Bonstetten ZH und Vorstandsmitglied von BIG-M.