Wenn Sie an diesem Samstagmorgen die «BauernZeitung» lesen, dann bin ich vermutlich dabei «Holz aazlange» und zwar in Form eines Christbaums aus unserem Gemeindeforst in Wilchingen. Wegen des Ertrages müsste man diese langjährige Tradition bestimmt nicht aufrechterhalten, denn die Prachtsbäume gibt es schon ab 20 Franken. Doch in Anbetracht dessen, dass unsere Gemeinde recht «viel Holz vor der Hütte» hat – von 2110 ha Gemeindefläche sind rund 900 ha Wald –, ist die Aufrechterhaltung dieser Dienstleistung für unsere Einwohner und Einwohnerinnen eine Selbstverständlichkeit.

Eintauchen in den Scheunenwald

Bereits um viertel nach neun treffen die ersten Christbaumkäufer(innen) ein und platzieren sich möglichst nahe am Ort des Geschehens, denn jede und jeder will den schönsten Baum ergattern. Unsere «Hölzigen» lassen sich aber nicht aus der Ruhe bringen und um Punkt halb zehn Uhr, und keine Sekunde früher, öffnen sie das grosse Scheunentor beim Gemeindehausplatz und dann heisst es Eintauchen in den Scheunenwald.

Meistens fällt es den Ersten am schwersten, sich für einen Baum zu entscheiden, denn wie unser «Waldfredi» immer sagt: «s git nu schöni Bäum bi üs, aber mä muess halt d Auge ufmache». Dieser Aussage kann ich voll und ganz zustimmen, denn jede und jeder trägt seinen Christbaum mit Stolz aus der Scheune und lässt verlauten: «Ich han dä Schönscht!»

Vorwiegend ist es ja das männliche Geschlecht, dass den Baumkauf tätigt und Baum-Schönheit fällt bei Männern einfach anders aus. Zum Glück gibt es ja noch Kugeln, Kerzen und Lametta, die den Blick auf den Baum komplett verändern können, bzw. auch das Frauenherz höher schlagen lassen.

Schweizer «langed aa», Deutsche klopfen

Doch zurück zum «Holz aalange», das ja bekanntlich eine oft gebrauchte Redewendung ist und heute mehr denn je über die Lippen geht. Bei unseren deutschen Nachbarn heisst die entsprechende Redewendung «auf Holz klopfen». Was es mit dem «Holz aalange» auf sich hat, dafür gibt es verschieden Erklärungen.

Eine davon stammt aus dem Christentum, wo das Holz mit dem Kreuz, an dem Christus gestorben ist, in Verbindung gebracht wird. Viele Kirchen boten im Mittelalter ein kleines Stückchen Holz an, das sie als Teil von Jesus' Kreuz verkauften. Die Berührung dieses Stücks Holz sollte einem Glück bringen. Eine andere Erklärung stammt aus der Zeit, als die Menschen noch in Holzhäusern lebten.

Das Klopfen an eine Holzwand sollte das Glück und die Gesundheit, die den darin lebenden Menschen beschert war, besiegeln. Und dann gibt es da noch das Klopfen an die Holzstreben im Bergbau, welches vor Betreten der Stollen von den Arbeitern vollzogen wurde. Ertönte ein heller Ton, war dies ein Garant für eine stabile Konstruktion.

Holz fühlt sich einfach gut an

Egal welche Erklärung wir für die Richtige halten, «Holz aalange» fühlt sich einfach gut an. Holz in Form der alten Tanne neben dem Stall, des Nuss- und Apfelbaumes beim Garten, der stattlichen Linde vor dem Haus usw. Holz strahlt Ruhe und Zufriedenheit aus. In diesem Sinne: Halten Sie ein wenig inne, wenn sie Ihren schönsten Christbaum (us dä Schwiiz natürli) in die Stube tragen und geniessen Sie die Weihnachtszeit mit Ihren Lieben.

Zur Autorin
Virginia Stoll ist Sekretärin des Schaffhauser Bauernverbands. Sie schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.