Rolf Angehrn vom St. Galler Obstverband meinte zum Auftakt der gemeinsamen Obstfachtagung der Kantone Thurgau und St. Gallen letzten Freitag, dass kein Jahr vergehe, ohne dass ein neuer Schädling auftritt. Vor zwei Jahren war es die Kirschessigfliege, letztes Jahr die marmorierte Baumwanze und nun mit der Ahornschmierlaus schon wieder ein neuer Schädling, mit dem es die Obstbauern zu tun haben. Es sind immer weniger Pflanzenschutzmittel (PSM) zugelassen, gleichzeitig werden keine neuen Wirkstoffe bewilligt.

Wieder ein neuer Schädling

Katja Stadler hat sich in ihrer Bachelorarbeit zur Umweltingenieurin mit der Ahornschmierlaus befasst und stellte ihre Erkenntnisse vor. Die Ahornschmierlaus legt ihren Eisack im Sommer meist an der Blattunterseite ab. In einem Eisack können bis zu 5000 Larven sein. Stadler hat während ihrer Untersuchungen bis zu 100 Läuse pro Baum gezählt.

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Die Larven beginnen gleich nach dem Schlüpfen, Blattsaft zu saugen. Dabei scheiden sie Honigtau aus, der ein gefundenes Fressen für den Russtaupilz ist. Dieser zeigt sich an schwarzen Flecken auf den Früchten, bei schlimmen Befall können sich auch Blätter und Äste schwarz verfärben. Die Bekämpfung der Ahornschmierlaus ist schwierig, der Wirkungsgrad einzelner PSM gering. Stadler kam deshalb zum Schluss: «Es braucht ganzheitliche Lösungen. Nützlingsförderung und PSM-Einsatz müssen im Einklang sein.» Sie ermahnte die Obstbauern, aufmerksam zu sein und sich auszutauschen.

Wirksame Mittel erfordern Sonderbewilligungen

Anja Ackermann, Fachstelle Obstbau am Arenenberg, informierte über den aktuellen Stand mit der marmorierten Baumwanze. Sie hat 2019 vor allem bei den Birnen und im Gemüsebau grosse Schäden verursacht. Bei den Birnen werden die Schäden auf 3 Mio Franken, beim Gemüse auf 1 Mio Franken geschätzt.

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Auch hier gestaltet sich die Bekämpfung schwierig. Ackermann empfiehlt, im Frühling, wenn der Druck noch nicht so hoch ist, die marmorierte Baumwanze ausserhalb der Obstanlage mit Pheromonfallen abzufangen. Wenn das Schneerisiko vorbei ist, sollten die Anlagen geschlossen und regelmässig kontrolliert werden. Insektizide würden im Larvenstadium zum Einsatz kommen. Aber genau hier liegt die Schwierigkeit: Für die wirksamen Mittel braucht es eine Sonderbewilligung.

Gewisse Hoffnungen setzt Ackermann in den natürlichen Feind der marmorierten Baumwanze, die Samuraischlupfwespe. Diese wurde in der Schweiz bereits nachgewiesen, allerdings noch nicht im Thurgau. Weil die Auswirkungen der Samuraischlupfwespe auf die Umwelt und einheimische Insekten unklar sind, darf sie als gebietsfremde Art im Freiland jedoch nicht einfach ausgesetzt werden. 

Die Rechnung geht nicht auf

Ralph Gilg, Präsident des Thurgauer Obstverbandes (TOV), wählte in Bezug auf die Rahmenbedingungen in der Obstproduktion klare Worte: «Noch nie war Scheinheiligkeit so salonfähig wie heute.» Er nannte mehrere Beispiele: Sagen, man kaufe immer direkt beim Bauern ein wegen den regionalen Produkten, im Kühlschrank stehen aber Avocados, Mangos und Mandelmilch.

«Wir können unsere Konsumenten nicht ändern», schlussfolgerte Gilg. Gefordert werden nachhaltig gewachsene Früchte, die sich perfekt im Regal präsentieren, gleichzeitig wird der Einsatz synthetischer PSM verteufelt. «Diese Gleichung kann nicht aufgehen», so Gilg. Der politische Druck auf die Landwirtschaft und insbesondere auf den PSM-Einsatz werden weiter steigen. Dennoch gibt es für ihn Hoffnung. «Wenn wir den Konsumenten klarmachen können, dass die Lebensmittel teurer werden, kann es uns gelingen, diesen Abstimmungskampf zu gewinnen», gab sich Gilg kämpferisch.

SOV erstmals mit eigener Kampagne

Vom Schweizer Obstverband (SOV) ergriffen SOV-Direktor Jimmy Mariéthoz und Hubert Zufferey das Wort. Mariéthoz kündigte an, dass der SOV im Kampf gegen die Trinkwasserinitiative eine Kampagne lancieren wird. Das ist ein Novum in der Geschichte des SOV. Zielpublikum ist die städtische Bevölkerung. Diese wolle man ansprechen und aufzeigen, dass die Initiativen die einheimische Produktion einschränken, die Importe fördern und die Lebensmittel verteuern. «Unser Ziel muss sein, die Initiativen deutlich abzulehnen, im Wissen, dass das Thema Pflanzenschutz uns auch in Zukunft begleiten wird.»

Auch Zufferey rief dazu auf, für Schweizer Früchte zu werben, denn der Druck auf den Obstbau komme von vielen Seiten. «Wir müssen uns den neuen Herausforderungen stellen und neue, gemeinsame Visionen entwickeln», so sein Appell. Es brauche eine bessere Übersicht der Interessenvertretung, indem alle Produktionsregionen integriert und die Innovationsfähigkeit der Schweizer Obstbranche gestärkt werden. Dafür setze sich der SOV ein.