Steinebrunn Jimmy Mariéthoz hat die Nationalratsdebatte vom 20. Juni zu den beiden Pestizid-Initiativen genau verfolgt. "Nach über acht Stunden Diskussion hat der Nationalrat um 12.43 Uhr beschlossen, die beiden Initiativen ohne Gegenvorschlag abzulehnen." Angereist aus Bern, rapportierte der Präsident des Schweizer Obstverbands dieses Ergebnis noch gleichentags um 15.30 Uhr in Steinebrunn im Oberthurgau den Gästen von Agromarketing Thurgau.

Dort hatte diese Organisation nach ihrer Generalversammlung zu einem Business-Apéro eingeladen. Mariéthoz ist über das Resultat im Nationalrat keineswegs erleichtert. "Der Aktionsplan Pflanzenschutzmittel des Bundesamt für Landwirtschaft genügt unseren Gegnern nicht. Sie glauben uns nicht, dass wir den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren wollen."

Breite Allianz gebildet

In seinen Ausführungen hob Jimmy Mariéthoz hervor, dass die Anliegen der beiden Initiativen populär sind. Als Mitglied des Steuerungsausschusses der Interessengemeinschaft Zukunft Pflanzenschutz stellte Mariéthoz deren Aktivitäten vor. In dieser IG haben sich die beiden Verbände der Obst- und Gemüseproduzenten sowie Swisspatat, Jardin Suisse und die Swiss Convenience Food Association zusammengeschlossen. Zum einen möchten sie eine Annahme der Initiativen verhindern. Zum andern haben sie sich das Ziel gesetzt, bis ins Jahr 2030 Alternativen zu den umstrittensten Pflanzenschutzmitteln zu entwickeln. Beraten wird die IG durch das Schweizerische Konsumentenforum.

Zusammenarbeit von Produzenten, Verarbeiter und Konsumenten

Für Mariéthoz ist es zentral, dass unter dem Dach der IG Zukunft Pflanzenschutz Produzenten, Verarbeiter und Konsumenten vertreten sind. Unter dem Slogan "Wir wachsen zusammen" bereitet die IG derzeit eine breit abgestützte Abstimmungskampagne vor, an der sich auch Produzenten beteiligen sollen.

Wie man den Kontakt mit der Bevölkerung sucht und dieser Informationen und Hintergründe zu einer gewählten Produktionsform vermittelt, das führte Gastgeber Matthias Müller den Gästen des Apéros am Beispiel seines Betriebs "Sunnehof-Beeri" vor. Müller organisiert regelmässig Führungen auf seinem Hof, der direkt an der stark befahrenen Hauptstrasse zwischen Amriswil und Arbon liegt.

"Tischkulturen" ermöglichen Pflücken im Stehen

Die Teilnehmer solcher Führungen erfahren da zum Beispiel, dass auf seinem 17 Hektaren grossen und auf Beeren spezialisierten Betrieb je nach Saison zwischen 14 und 130 bis 140 Angestellte beschäftigt sind. Oder dass so genannte "Tischkulturen", die das stehende Pflücken der Erdbeeren ermöglichen, nicht nur bei den Angestellten beliebt sind, sondern auch wirtschaftlich einen Sinn machen. 55 bis 60 Prozent der Kosten entfallen bei der Beerenproduktion auf das Personal, die Pflückkosten wiederum machen zwei Drittel dieses Kostenblocks aus – und der Kostendruck, der vom Detailhandel auf die Produzenten geht, ist gross.

Matthias Müller legte auch dar, dass Folientunnels einen Beitrag dazu leisten, den Infektionsdruck für Pilzkrankheiten zu reduzieren. Der gezielte Einsatz von Nützlingen gegen Schädlinge funktioniere in vielen Fällen mit Tunnel effizienter und gezielter als ohne, erläuterte er. Er warnte etwa davor, im Beerenbau bei hohen Temperaturen und Feuchtigkeit auf die Bekämpfung des Echten Mehltaus zu verzichten. "Das kommt einem Food Waste in grossem Stile gleich".

Weniger ist möglich

Drei weitere Produzenten hielten am Apéro in Statements fest, dass es wichtig sei, den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln einzuschränken – dass es ganz ohne aber nicht gehe. TMP-Präsident Daniel Vetterli stellt seinen Betrieb gegenwärtig auf Bio um. Er sagte, bei gewissen Kulturen würden ohne synthetischen Pflanzenschutz die Ausfälle zu gross werden. Die Bioprämie würde diese Ausfälle für die Produzenten zwar bis zu einem gewissen Grade ausgleichen – nicht alle Konsumenten seien aber in der Lage oder bereit, diesen Mehrpreis zu bezahlen.

Verzicht auf Herbizide mit Unterstockmäher

Die Winzerin Nina Wägeli legte dar, dass ein neuer Unterstockmäher auf ihrem Betrieb den Verzicht auf Herbizide ermöglicht. Weil sich Schützlinge und Schädlinge auf ihrem Weinberg die Waage halten, komme sie auch ohne Insektizide aus. Die Rebsorten auf ihrem Betrieb verunmöglichten aber einen Verzicht auf den Fungizideinsatz. Wägeli folgt dabei aber nicht einem strengen Spritzplan, sondern beobachtet die Entwicklung der Reben und der Wetterlage genau.

Die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmittel ist für Gemüsebauer Ralph Bötsch ein zentrales Anliegen. Er stellte fest, dass in Gewächshäusern dank Nützlingen auf Herbizide, Insektizide und Fungizide verzichtet werden könne. Im Freilandbau müsse über technische Möglichkeiten die Abdrift reduziert ­werden. Die Züchtung von resistenten Sorten sei zentral. Das allerdings sei ein sehr langer Prozess.