Herr Gilg, welche Arbeiten stehen aktuell bei Ihnen in der Obstanlage an?
Ralph Gilg: Wir sind voll am Winterschnitt, denken aber bereits wieder an die kommende Saison. Wenn möglich, wird deshalb bei idealen Bodenbedingungen bald Kompost gestreut, um die Bodenlebewesen zu füttern. Für die Planung der kommenden Saison und anstehender Projekte habe ich im Moment sicher auch mehr Ressourcen als im Sommer.
Man hört immer wieder, 2021 werde ein wegweisendes Jahr für die Schweizer Landwirtschaft. Wie sind Sie in dieses Schicksaljahr gestartet? Würden Sie überhaupt von einem Schicksaljahr reden?
Wir haben den Start ins neue Jahr im Familienkreis verbracht – viel anderes blieb ja in der aktuellen Situation nicht übrig. Wenigstens konnten die Kinder einige Tage Schnee geniessen.
Es wird auf jeden Fall ein wegweisendes Jahr. Von Schicksal zu sprechen, finde ich nicht zielführend, denn wir haben ja genügend Möglichkeiten, gegen die anstehenden Abstimmungen anzukämpfen. Und selbst wenn der Abstimmungskampf verloren gehen sollte, bedeuten beide Initiativen noch lange nicht das Ende der Schweizer Landwirtschaft. Sich dem Schicksal zu ergeben, wäre sicher die falsche Einstellung.
Die Obstfachtagung musste Corona-bedingt abgesagt werden. Wie stark im Fokus wären die Pflanzenschutz-Initiativen an dieser Tagung gestanden?
Am Nachmittag wäre sicherlich der Fokus auf den beiden Initiativen gelegen. Es ist uns gelungen, Nationalrat Markus Ritter für ein Referat zu engagieren. Leider müssen wir nun ohne diesen Kick-off in die Kampagne starten, was angesichts der sehr beschränkten Kontaktmöglichkeiten ein grosses Handicap ist.
Die beiden Initiativen kommen am 13. Juni an die Urne. Wie sieht der Fahrplan für den Abstimmungskampf des Thurgauer Obstverbandes aus?
Wir sind aktuell voll in den Vorbereitungen für die Kampagne. Ich gehe davon aus, dass gerade die letzten Wochen vor dem 13. Juni sehr intensiv sein werden und wir in dieser Zeit omnipräsent sein müssen. In den kommenden Wochen geht es aber primär darum, möglichst breit die Stimmbürger über den praktizierten Pflanzenschutz und die zielgerichtete Düngung aufzuklären.
Wie nehmen Sie die aktuelle Stimmung der Obstbauern auf der einen und jene der Konsumenten auf der anderen Seite wahr?
In der Corona-Zeit ist es schwierig, überhaupt Stimmungen wahrzunehmen. Im persönlichen Gespräch mit Freunden ist jedoch immer wieder zu spüren, dass die meisten Konsumenten kaum eine Notwendigkeit für den Pflanzenschutz sehen, weil sie keine Ahnung von der Landwirtschaft haben. Oft stören sie sich einfach daran, dass gegüllt oder gespritzt wird.
Wenn sie mit einem «Ja» an der Urne etwas gegen diese Störfaktoren unternehmen können, haben sie bereits das vermeintlich Richtige getan und müssen sich nicht mit lästigen, produktionstechnischen Fragen auseinandersetzen. Einfache Antworten auf komplexe Fragen sind aber oft gefährlich. Im vorliegenden Fall der Pflanzenschutz-Initiativen können viele «Nicht-Betroffene» über das Schicksal weniger Betroffener entscheiden. Und das mit einem einfachen «Ja» als Antwort auf eine sehr komplexe Frage.
Was beschäftigt die Obstbranche dieses Jahr sonst noch?
Sicherlich die weiterhin angespannte Situation beim Mostobst. Die hohen Rückbehalte, welche nötig waren, um überschüssiges Mostobstkonzentrat zu exportieren, haben stark auf die Rendite dieses Betriebszweiges gedrückt. Die Branche steht hier vor grossen Herausforderungen, denn während die Anbauflächen teils ausgebaut wurden, ist der Konsum seit Jahren rückläufig.
Als weiterer Brennpunkt dürfte, unabhängig von den beiden Pflanzenschutz-Initiativen, das Thema Nachhaltigkeit sein. Die Obstbranche kann noch nachhaltiger produzieren. Allerdings müssen die Mehrkosten, welche durch ein Nachhaltigkeitsprogramm entstehen, abgewälzt werden können.
Wie geht der TOV diese Themen an? Und mit welchen Partnern?
Beide Themen sind sicherlich nicht im Alleingang zu lösen. Der Einbezug von Detailhandel, Verarbeitung, Fachstellen und Produzenten ist bei der Lösungsfindung evident. Wenn Strategien gemeinsam erarbeitet werden, steht die ganze Branche dahinter. Das macht es dann einfacher, auch in Krisenzeiten zusammenzustehen.
Was erhoffen Sie sich vom Jahr 2021?
Ich hoffe natürlich wie alle, dass sich die Corona-Situation soweit verbessert, dass wir wieder ein halbwegs normales Leben führen können. Ausserdem bin ich zuversichtlich, dass wir der Schweizer Bevölkerung die Notwendigkeit einer sinnvollen Kulturpflege mit Pflanzenschutzmitteln, Düngung und weiteren Pflegemassnahmen nachhaltig ins Bewusstsein brennen können.
Ich habe ausserdem die Hoffnung nicht verloren, dass auch die Bio-Produzenten sich öffentlich zum praktizierten Pflanzenschutz bekennen, anstatt die ÖLN-Produzenten in die Pfanne zu hauen. Am Ende sitzen wir alle im gleichen Boot.
Zur Person
Ralph Gilg ist seit 2016 Präsident des Thurgauer Obstverbandes. Er führt zusammen mit seinem Vater in Fruthwilen einen gemischten Betrieb mit Ackerbau und Milchviehhaltung. Die Obstbaufläche beträgt 10 ha: 8 ha Tafeläpfel und 2 ha Tafelkirschen.