Grosse Ereignisse werfen ihren Schatten voraus. Das gilt im aktuellen Landwirtschaftsjahr im besonderen Mass für ein Wochenende Mitte Juni: Am 13.6. beschliesst das Stimmvolk über die Trinkwasser- (TWI) und über die Pestizid-verbots-Initiative (PVI). Auf diesen Termin bereiten sich der Schweizer Bauernverband (SBV) und seine Allianzpartner schon länger vor.

Verschiedene Formate

Dieser Tage präsentierte der SBV die Sujets der Kampagne. Hauptmotiv ist der sprichwörtliche Ast, auf dem alle Betroffenen sitzen und an dem man besser nicht sägen sollte. Das Sujet eignet sich nicht nur inhaltlich gut, sondern bietet auch die Möglichkeit, die verschieden breiten Formate zu bespielen, die heutzutage für politische Kampagnen zur Verfügung stehen.

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Testimonial-Inserate sollen eine wichtige Rolle spielen.

Begleitete Gestaltung

Um die Ausgestaltung und den Inhalt der Abstimmungskampagne zu definieren, hat der SBV eine breit abgestützte Begleitgruppe und innerhalb dieser einen Ausschuss eingesetzt. Ziel ist es laut den Zuständigen aufzuzeigen, dass die Initiativen zu extrem sind. Im Fall der TWI liegt laut SBV sogar eine Mogelpackung vor, weil sie der Umwelt gesamthaft unter dem Strich schaden würde, so Kampagnenleiter Urs Schneider.

Weiter will die Kampagne mit dem Sägen-am-Ast-Sujet aufzeigen, dass der gesamte Landwirtschafts- und Ernährungssektor sowie auch die Konsumenten stark betroffen wären von einer allfälligen Zustimmung des Stimmvolks zu den Initiativen. Ein Test verschiedener Botschaften habe gezeigt, welche dieser Argumente die befragten Stimmbürger besonders überzeugten:

  • Weniger Regionalität
  • Höhere Preise
  • Mehr Importe
  • Mehr Food Waste
  • Gefährdung von Arbeits­plätzen

Die Kampagne der breiten Allianz wird im März mit einem landesweiten Plakataushang beginnen. Aktiv geworben wird auch mit Paid-Posts und Bannern im Internet. Gleichzeitig lanciert man umfangreiche Aktivitäten in den den Sozialen Medien. Bereits aufgeschaltet ist eine Webseite.

Beteiligung der Basis zentral

Zentrales Anliegen der Kampagne ist eine aktive Beteiligung der Bäuerinnen und Bauern, da ihre Glaubwürdigkeit und die Sympathiewerte in der Bevölkerung nach wie vor hoch sind. Ihnen steht folgendes Material zur Verfügung, um bei den Stimmbürgerinnen um Verständnis zu weibeln. Dies sind u. a.:

  • Fahnen für Wohnhäuser, Ställe, Balkone und weitere Standorte
  • Blachen und Plakate zum Aufstellen im unbezahlten Raum (erst in der Schlussphase des Abstimmungskampfs erlaubt)
  • Flyer zur Verteilung im persönlichen Bekanntenkreis, in Hofläden und bei Standaktionen und Medienanlässen.

Komiteebeitritt erwünscht

Die Kampagnen-Verantwortlichen hoffen auch auf eine hohe Beteiligung der bäuerlichen Basis im nationalen Komitee für ein doppeltes Nein. Jede(r) könne sich hier anmelden, um dem Anliegen noch mehr Schwung zu verleihen. Zudem hofft man auf finanzielle Unterstützung: «Schön wäre es, wenn für dieses Schlüsselprojekt der Landwirtschaft jeder Betrieb einen Sonderbeitrag von mindestens 50 Franken bezahlen würde», sagt Urs Schneider im untenstehenden Interview.

 

«50 Franken pro Betrieb, das wäre schön»Titel

Kampagnenleiter Urs Schneider äussert sich im Interview mit Karine Etter, der Chefredaktorin von AgriHebdo über die geplanten Massnahmen und den Umgang mit abweichenden Parolen von Mitgliedverbänden.

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Kampagnenleiter Urs Schneider mit der Fahne gegen die beiden Initiativen. Sie ist bei den kt. Bauernverbänden erhältlich. (Bild SBV)

Urs Schneider, welche Massnahmen gegen die Initiativen sind ab März vorgesehen?

Urs Schneider: In Bern findet die Medienkonferenz des Komitees «Extreme Agrarinitiativen 2 × Nein» statt. Gleichzeitig führen Junglandwirte und kantonale Bauernverbände regionale Aktionen durch. Dort zeigen wir auf, dass die Initiativen vor allem die Importe ankurbeln und so die Umwelt zusätzlich belastet würde. Mit den dezentralen Aktionen streben wir eine Beachtung in den regionalen Medien an. Zudem startet die Medienarbeit samt Aktivitäten in den Sozialen Medien. Es folgen dann Online-Banner, Plakate und Blachen im bezahlten und unbezahlten Raum und Testimonialinserate.

Wie werden die Kosten für die Kampagne aufgeteilt?

Wir haben Massnahmen definiert, welche die kantonalen Stützpunkte im Rahmen der nationalen Kampagne umsetzen müssen, z. B. Tafeln oder Banner im unbezahlten Raum aufstellen, Standaktionen, Leserbriefe sicherstellen oder kantonale Komitees gründen.  Von nationaler Seite stellen wir das Material zur Verfügung. Die Kantone können dann weitere Massnahmen definieren, z. B. Testimonialinserate mit Personen aus der Region oder Organisieren von Anlässen. Wir unterstützen sie bei Bedarf.

Wie kann sich die bäuerliche Basis einbringen?

Es ist enorm wichtig, dass sich auch die Bäuerinnen und Bauern gegen die Initiativen engagieren. Sie sind unsere glaubwürdigsten Botschafter. Dazu gehören der Aushang der Fahne, das Aufstellen von Plakaten, die Mitwirkung an Standaktionen. Ganz wichtig sind zudem die persönliche Überzeugungsarbeit und die Mobilisierung im Umfeld. Wenn jede Bäuerin und jeder Bauer mindestens 15 Personen überzeugt, ergibt dies ein riesiges Stimmenpotenzial.

Welches sind die Verbündeten in der Kampagne?

Der SBV hat eine Allianz zur Bekämpfung der Initiativen gebildet. In dieser sind die landwirtschaftlichen Organisationen und Organisationen und Unternehmen der vor- und nachgelagerten Bereiche vertreten. Wir arbeiten auch mit FDP, Die Mitte und SVP zusammen. Selbstverständlich sind wir auch offen für Mitwirkende aus anderen Parteien. Neben unserer Kampagne gibt es eine zweite der IG Pflanzenschutz. In dieser engagieren sich auch Economiesuisse und das Konsumentenforum. Wir koordinieren unsere Massnahmen.

Welche Rolle werden die Detailhändler spielen?

Bei persönlichen Gesprächen sagten sie uns, dass sie gegen die Initiativen sind und dies auch in ihren Medien mitteilen werden. An vorderster Front wollen sie sich im Abstimmungskampf aber nicht engagieren. Wir hoffen, dass sie sich zumindest über die IG Detailhandel engagieren!

Wie viel kostet die Kampagne und wer bezahlt sie?

Wir setzen vonseiten des SBV gebildete Rückstellungen und Reserven ein. Seit dem Herbst läuft eine zweite Finanzierungsaktion bei den Mitgliedern der Allianz. Mit dem Flyer  in dieser Zeitung erhält auch die bäuerliche Basis  Gelegenheit, sich finanziell zu engagieren. Schön wäre, wenn jeder Betrieb einen Sonderbeitrag von mind. Fr. 50.– bezahlen würde.

Wie gehen Sie mit abweichenden Parolen von Mitgliedverbänden um, etwa dem Ja von Bio Suisse zur PVI?

Wir gehen davon aus, dass die Bio Suisse die TWI ablehnen wird. Mit Einverständnis der Bio Suisse gründen wir ein Biokomitee gegen die Initiativen. Biobäuerinnen und -bauern aus allen Regionen laden ihre Berufskolleginnen und -kollegen ein, sich auch zu engagieren. Dabei wird auch die Möglichkeit geboten, sich nur gegen die TWI auszusprechen. Mit diesem Komitee wird sichtbar gemacht, dass die Initiativen auch für die Bioproduktion enorme Folgen haben.

Die Initianten werden wohl das Vorsorgeprinzip und die drohenden Auswirkungen von Pestizid-Cocktails forcieren. Was sagen Sie dazu?

Diese Diskussion ist völlig unverhältnismässig. Wenn etwa Chlorothalonil-Metaboliten relevant wären, müsste ein Erwachsener lebenslang täglich 10 500 Liter Wasser trinken, um seine Gesundheit zu gefährden. Das Thema ist aber eine grosse Herausforderung. Wir möchten, dass Wissenschaftler, Mediziner und Behörden diesen dramatisierenden Aussagen begegnen.

Welche Befürchtungen haben Sie bezüglich der Kampagne?

Irreführende Argumente und eine unverhältnismässige Dramatisierung durch die Befürworter. Ebenso, dass die Medien weiter zu einseitig zugunsten der Befürworter berichten. Gerade vom öffentlich-rechtlichen Sender SRF erwarten wir mehr Ausgewogenheit!

Was macht Sie zuversichtlich?

Ich spüre eine unglaubliche Motivation und Bereitschaft bei vielen Bauernfamilien, unseren Mitgliedsektionen und Allianzpartnern, sich zu engagieren. Sie alle wollen mithelfen, der Bevölkerung die grosse Bedeutung und die negativen Folgen der Initiativen aufzuzeigen und sie von einer Ablehnung zu überzeugen. Die Landwirtschaft geniesst in der Bevölkerung nach wie vor eine sehr hohe Grundsympathie, auf der sich aufbauen lässt.