Mit Verboten und einzelnen Massnahmen allein lösen wir die Probleme im Pflanzenschutz nicht. Es braucht eine umfassende Pflanzenschutzmittel (PSM)-Politik. Dass Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten. Doch damit ist das Dilemma der Landwirtschaft noch nicht gelöst: Sie muss ihre Kulturen vor Krankheiten und Schädlingen schützen – aber viele PSM gefährden potenziell die Umwelt und unsere Gesundheit. Diese Risiken gilt es massiv und schnell zu senken.

Neue Technologien und Politikinstrumente

Wie dies gelingen kann, wird derzeit in ganz Europa intensiv diskutiert. Hierzulande stehen mit der Trinkwasser- und der Pestizidverbots-Initiative gleich zwei Volksbegehren an, die den Einsatz von PSM in der Landwirtschaft massiv reduzieren oder gänzlich verbieten wollen.

Pflanzenschutz ist komplex und es braucht daher eine ganzheitliche PSM-Politik. Wir haben mit einem interdisziplinären Team im Fachmagazin Nature Food einen möglichen Ansatz skizziert. Unser Vorschlag umfasst eine Perspektive, die neue Technologien, Produktionsansätze und Politikinstrumente in einem Rahmen integriert und von Landwirten über Behörden bis zu den Konsumentinnen alle Akteure einschliesst.

Verbindliche Ziele nötig

Um Risiken zu reduzieren, braucht es verbindliche Ziele basierend auf Indikatoren, die das Schadenpotenzial für Mensch und Umwelt berücksichtigen und einfach mess- und kommunizierbar sind. Zudem braucht es Transparenz, wann, wo und in welchen Mengen PSM genau zum Einsatz kommen. Digitale Dokumentation schafft diese Transparenz. Länder wie Dänemark haben diese Schritte bereits so umgesetzt.

Verschiedene Praktiken und Technologien bergen das Potenzial, PSM teilweise zu vermeiden oder ganz zu ersetzen. Agrarökologische Ansätze müssen auch in der konventionellen Landwirtschaft vermehrt zum Standard werden – etwa arten-reichere Anbausysteme mit breiteren Fruchtfolgen, die Krankheits- und Schädlingsdruck verringern. Zusätzlich erlauben es neue molekularbiologische Methoden, gegen Krankheiten und Schädlinge resistente Sorten effizienter als bisher zu züchten. Diese Züchtungsmethoden sind jedoch restriktiv reguliert – wir sollten diese neuen Möglichkeiten auch im Kontext nachhaltigeren Pflanzenschutzes offener bewerten.

Zentrale Rolle für Digitalisierung

Weiter fällt der Digitalisierung eine zentrale Rolle zu. Die Präzisionslandwirtschaft erlaubt es zum Beispiel, gezielt Unkräuter, Schädlinge oder Krankheiten zu bekämpfen, indem bei Bedarf punktgenau gespritzt oder mechanisch gejätet wird. Diese Technologien gilt es weiterzuentwickeln und zu fördern.

All das wird den Bedarf an PSM weiter senken. Trotz des Potenzials setzen Betriebe solche Ansätze heute aber noch zu selten ein. Weil es sich oft nicht lohnt – es sich aber lohnen sollte. Eine Kombination von risikobasierten Lenkungsabgaben mit Direktzahlungen, und unabhängiger Beratung kann hier wirksam sein. Nachhaltiger Pflanzenschutz sollte aber auch von der Nahrungsmittelindustrie und den Konsumenten mitge-tragen werden.

Es braucht eine Ernährungspolitik

Eine striktere PSM-Politik ruft kurzfristig unweigerlich Konflikte mit anderen agrarpolitischen Zielen hervor. Verzicht auf PSM kann den Ertrag schmälern, die Klimabilanz verschlechtern. Verbote spezifischer Wirkstoffe können Resistenzen fördern oder zu riskanteren Ersatzpraktiken führen. Dazu braucht es einen übergeordneten ernährungspolitischen Rahmen, der die Spannungsfelder berücksichtigt, eine langfristige Perspektive schafft und gegenläufige Interessen austariert.

Dieser Beitrag ist auch im ETH- Zukunftsblog erschienen.