So neutral wie der Titel war das Podium, das von der Bio-Stiftung Schweiz organisiert wurde, allerdings nicht. Die Stiftung führt die Vortragsreihe «Synthetische Pestizide – Fluch oder Segen?», in sechs Städten der Deutschschweiz durch.

Moderator Mathias Forster, Geschäftsführer und Stiftungsrat der Bio-Stiftung Schweiz, sagte, dass man mit diesen Veranstaltungen einen Beitrag leisten wolle zur Bewusstseinsbildung und Aufklärung der Bevölkerung im Vorfeld der Abstimmungen über die Pflanzenschutz-Initiativen.

Mit Abgaben steuern

Tobias Bandel erläuterte in seinem Referat, das dem Podium vorausging, dass in den heutigen Lebensmitteln die wahren Kosten, die die Produktion verursacht sowie die Folgekosten für die Umwelt nicht abgebildet sind. Diese Kosten beziffert Bandel auf 577 Mrd US-Dollar pro Jahr. «Diese Kosten haben wir heute schon. Anstatt Steuergelder in Sanierungsmassnahmen zu stecken, sollten wir uns dafür einsetzen, dass alle sich gesunde Lebensmittel leisten können.»

Mathias Forster wollte von Urs Brändli wissen, wie es diesbezüglich in der Schweiz aussehe. Brändli wies darauf hin, dass die in der Agrarpolitik 2022 (AP 22+) angedachten Lenkungsabgaben ein Schritt gewesen wären, um die wahren Kosten, die Pflanzenschutzmittel verursachen, abzubilden. «Leider», so Brändli, «wurden diese Lenkungsangaben vom Bundesrat wieder gestrichen».

Mittel in Kategorien einteilen

Lenkungsabgaben sind in der Schweiz eigentlich nichts Neues. Urs Brändli erklärte, wie das bei Pflanzenschutzmitteln aussehen könnte: «Die Wirkstoffe würden in verschiedene Kategorien eingestuft. Bei Mitteln mit einem hohen Risikopotenzial wären die Abgaben höher.» Gewisse Produkte, wohl auch solche, die im Biolandbau eingesetzt werden, würden dadurch verteuert. «Durch den höheren Preis dürfte sich die eingesetzte Gesamtmenge reduzieren.» Diese Mehrkosten sollten laut Brändli nicht von den Bauern, sondern vom Rest der Wertschöpfungskette getragen werden.

Akuter Handlungsbedarf

Aus dem Publikum wurde die Frage gestellt, ob es nicht einen Systemwechsel bräuchte, damit sich grundsätzlich etwas ändere. Tobias Bandel pflichtete dem Mann bei: «Wenn wir vor 50 Jah­ren diese Diskussion gehabt hätten, wäre es einfacher gewesen, in kleinen Schritten etwas zu ändern.» Jetzt, im Jahr 2020, sei die Situation schon so aus den Fugen geraten, dass akuter Handlungsbedarf bestehe. Für Tobias Bandel ist mitentscheidend, dass die Gesellschaft den wahren Wert der Landwirtschaft und von Lebensmitteln sowie die Leistungen der Bäuerinnen und Bauern anerkennt.

«Kleine Schritte»

Urs Brändli findet: «Es muss uns gelingen, mit dem bestehenden System eine Veränderung herbeizuführen, indem wir von unseren Pionieren lernen.» Schon heute gebe es verschiedene alternative Bewirtschaftungsformen, die einen Beitrag zu einer ökologischeren Landwirtschaft sind. «Kleine Schritte bringen uns schneller vorwärts, als mit radikalen Massnahmen das ganze System ändern zu wollen.»

«Die Trinkwasser- und die Pestizidverbots-Initiative würden die Möglichkeit bieten, einen Systemwechsel herbeizuführen», argumentierte Mathias Forster. Damit könnte man einen grossen Schritt in Richtung eines Systemwechsels machen, gemeinsam mit der Bevölkerung. Er verstehe nicht, weshalb der Schweizer Bauernverband (SBV) diese Chance nicht ergreife und sich hinter die Initiative stelle.

Bio Suisse mit Ja-Parole

Der Vorstand von Bio Suisse hatte letzte Woche die Ja-Parole zur Pestizidverbots-Initiative gefasst (die BauernZeitung berichtete). Zu Forsters Bemerkung meinte Urs Brändli: «Dass der Schweizer Bauernverband diese Initiative als Chance erkennt, wäre etwas sehr viel Wandel.» In seinen Augen wäre es eine Chance gewesen, mit einem Gegenvorschlag auf beide Pflanzenschutz-Initiativen zu antworten.

Anstatt mit einem Ja für einen gangbaren Weg der konventionellen Landwirtschaft, signalisiere man nun mit zweimal Nein Uneinsichtigkeit. Urs Brändli zeigte aber auch Verständnis für die Haltung des SBV. «Solange nicht mindestens 50 Prozent der Schweizer Konsumenten nach nachhaltigen Produkten verlangen, ist ein Ja zur Initiative aus Sicht des SBV schwer zu rechtfertigen.»

Konsumenten in der Pflicht

Bio hat heute einen Marktanteil von zehn Prozent, mit IP-Suisse und weiteren Labels komme man vielleicht auf 25 Prozent. Es fehle also auch am Willen der Konsumenten, Labelprodukte zu kaufen. Die Bauern würden schon heute reagieren und auf Bio umstellen, wandte der Bio-Suisse-Präsident ein. «Aber sie produzieren auch so, wie der Konsument nachfragt.»