Was 2018 als überschaubarer Praxisversuch begann, soll bei Migros nun zum flächen-deckenden Standard für inländisches Brotgetreide werden. Ab Erntejahr 2023 will die Detailhändlerin nur noch herbizidfrei produzierten Weizen, Roggen und Dinkel für ihre Verarbeiterin Jowa, wie deren Sprecherin Corinne Harder sagt.

90 000 Tonnen pro Jahr

Liefern werden das Brotgetreide die IP-Suisse-Bauern, wie Geschäftsführer Fritz Rothen bestätigt. Er begrüsst den hohen Druck vonseiten des grössten Abnehmers. «Ich staune über das Tempo», so Rothen, das werde schon noch «eine rechte Übung»; nicht nur für die IP-Produzenten, sondern auch für die Sammelstellen und die Müller.

Der Bedarf der Jowa beläuft sich auf jährlich rund 90 000 Tonnen Brotgetreide. Die Erfahrungen im laufenden Jahr waren positiv, wie Rothen berichtet. Kurzfristig hat man im vergangenen Oktober beschlossen, die herbizidfreie Produktion vom Versuchsbetrieb direkt in die Praxis umzusetzen.

Kein gebeiztes Saatgut mehr

Erst nach der Saat 2018 hat IP-Suisse Produzenten gesucht, um die Nachfrage von Bäckerei-Unternehmer Fredy Hiestand zu befriedigen. Für ihn sind nun etwas über 4000 Tonnen produziert worden. Mit gutem Erfolg, wie Fritz Rothen sagt. Allerdings sei 2019 punkto Wetter ein Super-Jahr gewesen. «In einem feuchteren Jahr müssen wir uns dann auch noch zurechtfinden», sagt er. Für 2019 wurden die Anforderungen noch einmal erhöht. Neu darf auch kein gebeiztes Saatgut mehr eingesetzt werden. Offene Fragen gibt es noch in Sachen Prämien. Die Antwort hängt von den Ergebnissen gemeinsamer Feldversuche ab.

Wieviel Prämie für herbizidfreien Weizen?

Unter dem Strich ist die Frage nach der Prämie für die Produzenten die interessanteste. Für die erste Anbausaison hat man mit dem Zürcher Bäckerei-Unternehmer Fredy Hiestand einen Herbizidfrei-Zuschlag von 8–12 Fr./dt vereinbart, so Sandro Rechsteiner, Feldbau-Verantwortlicher bei IP-Suisse.

Die effektive Prämie werde sich um die 10 Franken dt bewegen, sagt er. Dass sie nicht höher liegt, hat laut Rechsteiner zwei Gründe: die Kosten für die Rückstands-Analysen und die etwas höheren Transportkosten. Der herbizidfreie Weizen, Roggen und Dinkel wurde schweizweit produziert und in der Lindenmühle in Birmensdorf AG zentral gemahlen.

Migros wartet auf Versuch

Damit liegt die Prämie deutlich über derjenigen für das IP-Getreide für die Migros. Diese liegt für die Klasse Top bei maximal 5 Fr./dt für die kommende Ernte. Noch bis  zur Ernte 2022 kann das Getreide für Migros mit Herbiziden produziert werden. Ab der Saat 2022 will die Migros nun also ihre Anforderungen verschärfen. Wie hoch die Prämie des Hauptabnehmers für die herbizidfreie Produktion sein wird, ist noch offen, so Corinne Harder, Mediensprecherin der Jowa, die für Migros Backwaren herstellt.

Der mögliche Mehrerlös hänge ab von den Ergebnissen der dreijährigen Feldversuche, welche die HAFL im Auftrag von IP-Suisse und Jowa noch bis Ernte 2021 auf 20 IP-Betrieben durchführt. Harder sagt, dass der Prozess für die grosse Menge, welche Jowa benötigt – es sind nicht weniger als 90 000 t – deutlich aufwendiger sei, als für die 4000 t, welche nun für Fredy Hiestands Unternehmen produziert wurden.

30% weniger für alle

Ausgelöst wurde der Prozess für eine herbizidfreie Produktion durch die Diskussion um Glyphosat. Dessen Einsatz im Getreide hat IP-Suisse nicht ganz ohne Widerspruch der Produzenten auf die Saat 2018 hin verboten, und zwar ab der Ernte der Vorkultur bis zur Ernte des Brotgetreides. Nach dem Entscheid erstellte die ETH im Auftrag von IP-Suisse Modellrechnungen, um die Machbarkeit des Herbizidverzichts abzuklären.

Diese fielen positiv aus. Im ersten Jahr haben nun 250 Produzenten erste Erfahrungen gesammelt. Deren Zahl erhöht sich nun im zweiten Jahr, allerdings müssen auch sie die 30% Flächenreduktion in Kauf nehmen, welche IP-Suisse für die laufende Brotgetreide-Ansaat beschlossen hat.