Unlängst haben wir in der BauernZeitung einen Leserbrief des ehemaligen Geschäftsführers des Schweizer Tierschutzes (STS), Hansuli Huber publiziert. Er äussert sich darin pointiert gegen die Pflanzenschutz-Initiativen und schreibt unter anderem, dass die Initianten und Unterstützer Respekt, Anstand und Wertschätzung gegenüber den Bauernfamilien vermissen lassen.

 

Der Leserbrief von Hansuli Huber vom 19. März 2021

Extremes zieht häufig Extremes nach

Mit extremen Forderungen und einseitigen Schuldzuweisungen lassen Initianten und Unterstützer Respekt, Anstand und Wertschätzung gegenüber den Bauernfamilien vermissen. Diese arbeiten nicht nur tagtäglich für unser Essen. Vielmehr haben sie in den vergangenen dreissig Jahren mit vielfältigen ökologischen Massnahmen unser Landschaftsbild verschönert, Flora und Fauna neue Lebensräume verschafft, den Einsatz von Hilfsstoffen gesenkt und das Tierwohl verbessert. Natürlich gibt es weiteren Handlungsbedarf. Aber: Kein Land dieser Welt schreibt Bauern so viel ökologische Ausgleichsflächen vor wie die Schweiz, und unsere Landwirte sind beim Anteil Auslauf- und Weidetiere weltmeisterlich. Hierzulande verboten – aber weltweit zulässig sind tagelange Schlachtviehtransporte, Käfigbatterien, Kastenstände, Kastrieren ohne Schmerzausschaltung und dutzende andere Tierquälereien.

Bezeichnenderweise protestieren die Initianten nicht gegen die Zubetonierung der Landschaft mit Autobahnen, Trasseen, Häusern und Gewerbezonen, obwohl der Natur innert weniger Jahrzehnte über 300 km2 entrissen wurden. Auch nicht gegen riesige Mengen an chemischen Rückständen von Hormonen, Haushalts- und Chemiechemikalien oder Arzneimitteln in unseren Flüssen. Den Initianten schwebt ein Bioland vor. Dagegen ist nichts einzuwenden, hätten die Konsumenten da nicht längst beim Einkaufen den negativen Tatbeweis erbracht. Obwohl alle Detaillisten ein vielfältiges Biosortiment führen, werden pro Kopf und Jahr nur mickrige 400 Franken für Bio ausgegeben – bei einem Gesamtbudget von 7600 Franken. Mit Blick auf diese seit Jahren sehr tiefe Nachfrage muss man schon auf einem Auge blind und ein grosser Heuchler sein, um Bio dann per Gesetz durchzwängeln zu wollen. Allerdings, die Initianten und ihre gutmeinenden links-grünen Unterstützer könnten sich bezüglich Anpassungsfähigkeit der Bauern massiv täuschen. Nach Annahme der Initiativen würden nämlich sehr viele Bauern das Handtuch werfen müssen, auch wegen des Zerfalls der Biopreise am Markt. Es ist gut vorstellbar – denn Extremes zieht häufig Extremes nach – dass diese Lücke dynamische Grossbetriebe besetzen würden, welche bereit wären, ohne Direktzahlungen, aber dafür auch ohne kostentreibende Initiativ- und andere Ökovorschriften zu wirtschaften, in Agrar- und Tierfabriken nach ausländischem Vorbild.

Hansuli Huber, Biobauer und Tierschützer, Altikon ZH

 

Dieser Brief rief die Trinkwasser-Initianten auf den Plan, welche die Unterstützung der Initiativen durch den STS betonten.

 

Wir haben den Geschäftsführer des STS, Stefan Flückiger nach den Gründen für die Unterstützung der Initiativen gefragt.

Ihr Vorgänger hat sich pointiert gegen die Initiativen gewendet, weil «die Initianten gegenüber den Bauernfamilien Respekt, Anstand und Wertschätzung vermissen lassen», warum sind Sie für die Trinkwasser-Initiative?

Stefan Flückiger: Die grosse Mehrheit ist sich einig, dass es eine Transformation hin zu einem nachhaltigeren und tierwohlorientierteren Ernährungssystem braucht. Es ist richtig, die Schweizer Landwirtschaft hat in den letzten 20 Jahren diesbezüglich viel geleistet – der STS war und ist ihr in diesem Prozess stets ein zuverlässiger Partner. Die Initiative beinhaltet jedoch tierschutzrelevante Themen. Da kein Gegenvorschlag zur Debatte steht und diese Themen auch im Rahmen der AP 22+ nicht diskutiert werden konnten, begrüsst es der STS, dass nun eine breite gesellschaftliche Diskussion möglich ist.

Wie erklären Sie das den Bauern und Bäuerinnen?

Dem STS geht es vor allem um zwei Themenbereiche: Einerseits um die toxische Pestizidwirkung auf Wildtiere, Fische, Vögel und Insekten, andererseits um den Antibiotikaeinsatz, der immer noch zu hoch ist, bedingt durch die häufig belastenden Haltungsbedingungen unserer Hochleistungstiere. Zusammen mit den Bauern und Bäuerinnen sollen neue, zukunftsweisende Rahmenbedingungen definiert werden, weil die Belastungsgrenzen beim Tier ein Umdenken verlangen: Mastpoulets, die in 35 Tagen auf 2 kg hochgepuscht werden oder Kühe, die über 12 000 kg Milch pro Laktation geben – von diesem Wachstumsdenken müssen wir wegkommen.

Ihr Vorgänger befürchtet einen Zerfall der Biopreise, falls ein Bioland durchgezwängt wird, wie würden sich aus Ihrer Sicht die Preise entwickeln?

Ich möchte den Leserbrief nicht kommentieren. Wir sehen diese Initiativen aber als Chance. In unserem politischen System besteht auch bei einem Ja viel Spielraum. Insbesondere das jetzige Parlament, das eben die AP 22+ sistiert hat, würde diesen Spielraum bestimmt maximal ausschöpfen. Seien wir ehrlich, eine Neuorientierung wird vom Markt her gebremst – zum Schaden von Mensch, Tier und Umwelt. Da braucht es die Politik.

Wie wurde der Entscheid zugunsten der TWI gefällt?

Politische Entscheide stützen sich auf faktenbasierte Argumente, sie werden zuerst vom Ressort Politik und danach vom STS-Zentralvorstand gefällt.

Der STS unterstützt die Initiativen, will aber nicht aktiv in den Abstimmungskampf eingreifen, ist Ihnen Ihre Parole peinlich?

Nein überhaupt nicht. In der jetzigen Debatte treffen heftige Sturmfronten aufeinander. Da möchte sich der STS nicht aktiv einmischen. Wir stellen unsere sachlichen Argumente auf unserer Homepage Interessierten zur Verfügung und geben bei Bedarf gerne fachliche Auskünfte. Wir schonen unsere Ressourcen für den nächsten Abstimmungskampf, bei dem die Gesellschaft entscheiden muss: Massentierhaltung nach ausländischem Vorbild oder bäuerliche Tierhaltung.