Agroscope hat eine zweite Studie zur Trinkwasser-Initiative durchgeführt. Diesmal wurden mögliche Umweltfolgen hierzulande, aber auch im Ausland ermittelt, die durch ein «Pestizidverzicht» sowie einem reduzierten Tierbestand hierzulande entstehen könnten. Vor allem die Importe werden sich laut der Wissenschaftler negativ auf die Umweltbilanz auswirken. In einer Medienkonferenz stellte Agroscope die Ergebnisse der Studie vor.
Agroscope untersucht Auswirkung der Trinkwasser-Initiative auf die Umwelt
Im vergangenen Jahr führte die Forschungsanstalt bereits eine Studie zur Trinkwasser-Initiative (TWI) durch. Die Resultate zeigten, dass bei einer Annahme dieser die Flächennutzung, die Tierbestände sowie die inländische Produktion und das Einkommen der Schweizer Landwirtschaft sich verändern würden. 70 bis 92 Prozent der offenen Ackerfläche wären pestizidfrei. Betriebe mit Raufutterverzehrern würden auf Direktzahlungen verzichten müssen und aus dem ÖLN aussteigen.
Die neue Studie ermittelte, wie sich vor allem der Ausstieg einiger Betriebe aus dem ÖLN auf die Ökotoxizität sowie der Einfluss der TWI-Massnahmen auf die Biodiversität auswirken würde. Auch wurde die Wirkung des reduzierten Tierbestände auf die Nährstoffbelastung von Gewässern und terrestrischen Ökosystemen untersucht.
Schadstoffbelastung Schweizer Gewässer würde zurück gehen
«Wir kamen zum Ergebnis, dass durch die Massnahmen der TWI die Belastung Schweizer Gewässer mit Schadstoffen zurück geht und die Biodiversität im Inland leicht verbessert wird», stellt Agroscope-Wissenschaftlerin Maria Bystricky die Ergebnisse vor. D. h. durch den geforderten «Pestizidverzicht» würde die Süsswasser-Ökotoxizität abnehmen. Auch die leichte Verbesserung der Biodiversität im Inland wäre auf diese Massnahme zurückzuführen.
Umweltbelastung im Ausland nimmt durch Importe stark zu
Im Gegensatz dazu nehme die Umweltbelastung im Ausland aber stark zu. Dies aufgrund der steigenden Nahrungsmittelimporte, die die TWI verursachen würde. Als Beispiel nennt sie unter anderem die Wasserknappheit im Ausland, die sich dadurch drastisch erhöht. Auch die Abholzung stiege wegen der importierten Futtermittel und der tierischen Nahrungsmittel. Die verbesserte Wasserqualität in der Schweiz müsste also mit teilweise deutlichen Umweltbelastungen in den Herkunftsländern der Importe erkauft werden, schlussfolgert Maria Bystricky.
Ammoniak und Treibhausgase nehmen in der Schweiz ab, aber ...
Auch die Massnahme des reduzierten Tierbestandes habe eine positive Umweltwirkung hierzulande, sagt die Wissenschaftlerin. Vor allem vermindere sie die Wirkung von Ammoniak sowie das Treibhausgaspotenzial und den Bedarf abiotischer Ressourcen. Aber wie auch beim oben genannten, würde die Umweltbelastung stark zunehmen hauptsächlich durch die zusätzlich importierten tierischen Nahrungsmittel.
Umweltauswirkung im Ausland könnten durch verbesserte Import-Standards reduziert werden
Maria Bystricky macht darauf aufmerksam, dass verschiedene Hebel zur Verfügung stünden, um die unerwünschten Auswirkungen der TWI zu vermindern. Beispielsweise könnten anstatt von Pflanzenschutzmitteln alternative Technologien zum Einsatz kommen, die ökoeffiziente Tierproduktion gefördert, die inländische Landwirtschaftsfläche effizient und standortangepasst genutzt werden.
Die Umweltwirkung von Importen könne man durch das Setzen von Standards in den Import-Herkunftsländern reduzieren, die Produktionssysteme im Ausland könnten ökoeffizienter werden.
Die Wissenschaftlerin nimmt auch die Konsumenten in die Verantwortung. Diese sollen ihr Ernährungs- und Konsumverhalten verändern, indem auf besonders umweltbelastende Produkte verzichtet wird.
Trinkwasser-Initiative kommt 2021 vors Stimmvolk
Die Trinkwasser-Initiative verlangt, dass Betriebe nur noch dann mit Direktzahlungen unterstützt werden, wenn sie die Biodiversität erhalten sowie «eine pestizidfreie Produktion und einen Tierbestand, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann». Zudem fordern die Initianten auf den prophylaktischen und regelmässigen Einsatz von Antibiotika zu verzichten.
Das Stimmvolk wird voraussichtlich im Jahr 2021 über die TWI abstimmen.
Studie ignoriert laut Initianten entscheidende Aspekte
Im März 2020 verlangten die Initianten der Trinkwasser-Initiative eine Korrektur der Studie, da «Agroscope in dieser wichtige Aspekte ausklammert und seine Berechnungen somit anhand falscher Rahmenbedingungen durchführt», schreibt die Hauptverantwortliche der Initiative Franziska Herren in einer Medienmitteilung.
Bund sei nach Gesetz verpflichtet, Umweltzerstörung im Ausland zu verhindern
Damit bezieht sie sich auf den Art. 104a BV zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft, über den das Stimmvolk 2017 abgestimmt hat. Ihm liegt zu Grunde, dass importiere Lebensmittel nachhaltig produziert sein müssen und diese Aussage wäre in der Studie nicht beachtet worden. «Es ist die Aufgabe des Bundes, Urwaldrodungen für die Fleischproduktion und Importwaren, die mit hierzulande verbotenen Pestiziden hergestellt werden, ein Ende zu setzen», so Herren. Der Bund müsse die Umweltzerstörungen im Ausland seit 2017 verhindern und dürfte diese nicht der TWI anlasten.
Gemäss Agenda 2030 wäre der Bund für die Reduktion von Food Waste verantwortlich
Ebenfalls würde laut Aussagen Herrens Art. 104a, Bst. e nicht berücksichtigt werden. Hiernach habe der Bund einen «ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln» zu schaffen. Gemäss Agenda 2030 will der Bund Food Waste um 50 Prozent reduzieren. Das «wird dazu führen, dass erheblich weniger Nahrungsmittel importiert werden müssen. Und dies, noch bevor die TWI umgesetzt werden muss», schlussfolgert die Initiantin. Jede Reduktion des Food Waste würde Flächen verfügbar machen und erhöhe automatisch den Selbstversorgungsgrad der Schweiz. «Es geht daher nicht an, der TWI anzulasten, dass sie zu mehr Importen führe, ohne die mittelfristige, massive Reduktion von Food Waste und den damit verbundenen Nachfragerückgang zu berücksichtigen», so Herren.
Ergebnis der Studie wäre ein anderes unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen
Die Übergangsfrist von 8 Jahren der TWI und die Ausrichtung der Finanzmittel für Bildung, Forschung und Investitionshilfen auf eine ökologische Produktion blieben auch unberücksichtigt.
«Würden die Nachhaltigkeit, die Reduktion von Food Waste, die Übergangsfrist von 8 Jahren sowie die Ausrichtung von Agrarforschung, Bildung und Investitionshilfen auf eine ökologische Produktion einbezogen, wäre das Ergebnis wohl ein völlig anderes», schlussfolgert Franziska Herren.
Wunsch nach Neuevaluierung der Studie nicht nachgegangen
Herren hat ein Gespräch mit den Verantwortlichen der Studie gesucht mit dem Wunsch einer Neuevaluierung. Nach einem E-Mail-Austausch zwischen Frau Herren und Eva Reinhard, Leiterin Agroscope, sei dem Wunsch allerdings nicht nachgegangen.
Die Begründung: «Die derzeitige Agroscope Studie zu den Umwelteffekten der Trinkwasser-Initiative basiert auf den Szenarien, welche in der ersten Studie zu den agrarökonomischen und agrarstrukturellen Auswirkungen entwickelt wurden. In Bezug auf die Ernährungssicherheit zeigten die Ergebnisse der ersten Studie, dass mit einer verringerten inländischen Produktion zu rechnen wäre mit einem daraus folgenden höheren Importbedarf.»