Nimmt die EU ein Pflanzenschutzmittel vom Markt, soll die Schweiz neu den Entscheid umgehend nachvollziehen, ohne es selber geprüft zu haben. Diese Änderung schlägt der Bund im Agrarpaket 2020 vor. Heute führen die Behörden das Widerrufsverfahren noch selber durch. Bei der Zulassung neuer Wirkstoffe dagegen will der Bundesrat EU-Entscheide nicht automatisch übernehmen.
Mehr Effizienz
Andere Vorstellungen diesbezüglich hat die Agrochemie. Der Branchenverband der Chemie-, Pharma- und Life Sciences-Firmen Scienceindustries fordert in seiner Stellungnahme, genau wie beim Widerruf solle die Schweiz auch bei der Zulassung neuer Wirkstoffe die Beurteilungen der EU anerkennen. «Wir erhoffen uns davon mehr Effizienz und schnellere Zulassungsprozesse», sagt Anna Bozzi, Leiterin Ernährung und Agrar bei Scienceindustries.
Langsames System
Das aktuelle Zulassungsverfahren kritisieren die Agrochemieunternehmen schon seit Längerem als sehr langsam. «In den letzten zwei Jahren ist kein einziger Wirkstoff zugelassen worden», sagt Anna Bozzi. Das sei «dramatisch» für die Unternehmen, die viel Mittel in Produkte und Innovationen investiert hätten. «Der Zugang zum Schweizer Markt ist nicht gewährleistet – und das nicht erst seit Monaten.» Auch die Landwirte hätten ein grosses Interesse daran, Pflanzenschutzmittel der neusten Generation zu erhalten, so Bozzi, denn diese seien besser punkto Risikominimierung.
Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten in verschiedene Zonen unterteilt, in denen Klima und Umweltkonditionen vergleichbar sind. Haben also Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien ein Zulassungsdossier mitbeurteilt, bräuchte es nach der Meinung von Scienceindustries in der Schweiz keine eigene Beurteilung mehr.
Umweltschützer dagegen
Bei Umweltorganisationen kommt dieser Vorschlag schlecht an. So könnten inländische Umweltverbände keine Stellungnahmen zur Beurteilung von Pestiziden mehr abgeben, befürchtet Greenpeace in einem Artikel des «Tagesanzeigers».
«Bei vor Jahren zugelassenen Wirkstoffen macht eine Stellungnahme von NGOs eventuell noch Sinn», sagt Anna Bozzi dazu. Bei Stoffen, die schon länger auf dem Markt seien, könnten auch NGOs neue Studien und Daten einbringen. «Bei neuen Stoffen, deren Daten zum Schutz des geistigen Eigentums noch geschützt sind, ist es allerdings extrem schwierig, einen konstruktiven Mehrwert solcher Stellungnahmen zu erkennen.»
Fixe Fristen bei Verbot
In den letzten Jahren wurden viele Wirkstoffe gestrichen. Das sorge insbesondere bei den Spezialkulturen für grosse Herausforderungen, so Scienceindustries. Der Verband fordert deshalb fixe Fristen bei einem Verbot eines Pflanzenschutzmittels: mindestens ein Jahr für den Verkauf der Lagerbestände und zwei Jahre für die Verwendung des entsprechenden Produkts.
«Da geht es uns um Planungssicherheit», hält Anna Bozzi fest. Die Landwirte hätten ein Mittel sonst schon eingekauft und könnten es plötzlich nicht mehr anwenden. «Man sollte jeden Entscheid wissenschaftsbasiert fällen und nicht aufgrund des politischen Druckes entscheiden, Fristen nicht zu gewähren.»
Ob die Stellungnahme der Agrochemie Agrarminister Guy Parmelin zu einem Umdenken bewegt, wird sich in nächster Zeit zeigen.