In diesem Jahr ist der Blattlausdruck in den Zuckerrüben besonders hoch, teilt die Fachstelle Pflanzenschutz vom Strickhof Lindau ZH mit. Dies ist einerseits den optimalen klimatischen Bedingungen im April zuzuschreiben. Zum anderen fehlt die Neonicotinoid-Beizung, die in der Vergangenheit vor allem am Anfang einen Blattlausbefall vorbeugte. Nur selten musste das Blattlausmittel Pirimicarb gespritzt werden. Doch dieses Jahr – das zweite ohne Beizung – war der Wirkstoff Pirimicarb so gefragt wie noch nie, sagt Markus Hochstrasser vom Strickhof. Somit sind Produkte mit dem Wirkstoff vielerorts nicht mehr erhältlich.
Leergefegte Regale aufgrund des Massenbefalls
Seit dem Verbot der Saatgut-Beizung mit Gaucho im 2019 werden Blattläuse nur noch mit dem Wirkstoff Pirimicarb bekämpft. In diesem Jahr hat sich die Blattlauspopulation aufgrund des praktisch frostfreien Winters sowie des aussergewöhnlich warmen und trockenen Aprils massenhaft vermehren können: «Witterungsbedingt ist eine Befallssituation entstanden, mit welcher wir so nicht gerechnet haben», stellt Samuel Jenni von der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau fest.
Weil nun auch in anderen Kulturen Blattläuse Probleme bereiten, sind die Lager teilweise leer gefegt. Importe aus den Nachbarländern gibt es nur bedingt. Denn: «Bei unseren Nachbarländern sieht die Situation bei den Blattläusen identisch aus», konstatiert Markus Hochstrasser.
Produkte erst ab Juli wieder verfügbar
Frühestens ab Juli werden Pirimicarb-haltige Produkte wie Pirimor (Syngenta) und Pirimicarb (Omya) in der Schweiz wieder erhältlich sein, geben die Hersteller Syngenta und Omya auf Nachfrage der BauernZeitung bekannt. Der Zuckerrübe bringt das allerdings wenig. Denn vor allem in der Westschweiz, wo die Rüben vielfach gestaffelt aufgelaufen sind, wird Pirimicarb jetzt noch benötigt. Hier befindet sich die Rübe erst im 6-Blattstadium bis Reihenschluss und ist dementsprechend noch anfällig für Blattläuse. Erst ab dem 10-Blattstadium besteht meist keine Gefahr mehr.
Faktenblatt: Schwarze und Grüne Blattlaus
Die schwarze Rübenlaus fliegt i. d. R. geschwächte oder kleinere Pflanzen an. Durch ihre Saugtätigkeit verursacht sie ein verzögertes Wachstum der Rüben und Einrollen der Blätter. Aufgrund der geringen Mobilität ist sie als Überträger des Vergilbungsvirus weniger gefährlich als die grüne Pfirsichblattlaus.
Grüne Laus ist gefährlicher
Die stärksten Schäden der grünen Pfirsichblattlaus treten bei einem relativ
frühen Befall auf, wenn aufgrund der milden Temperaturen bereits virusbeladene grüne Läuse überwintern. Begünstigt das Frühjahr anschliessend eine starke Vermehrung der Population bei Temperaturen um 25°C, können aufgrund der Folgeinfektionen von Ende Mai bis Ende Juni deutliche Ertragseinbussen und Zuckerverluste verursacht werden. Ab Mitte Juli ist der Schädling nicht mehr bekämpfungswürdig, da die Population i. d. R. zusammenbricht, z. B. durch parasitierende Marienkäferlarven oder Pilze.
Wirkungsweise von Pirimicarb
Primicarb hat eine Kontaktwirkung und darf erst bei Erreichen der Schadschwelle eingesetzt werden. Über eine Dampfphase werden die Blattläuse auf der Blattunterseite erfasst. Dafür sind Temperaturen von 15 bis 25°C notwendig.
Mehr zur Anwendung hier.
Was kann getan werden?
Markus Hochstrasser empfiehlt: «Wo Pirimicarb nicht mehr verfügbar ist, soll bei Bedarf das Mittel unter Berufskollegen ausgetauscht werden.» Auch helfe eine reduzierte Aufwandmenge (siehe Nachgefragt).
Wer Ressourceneffizienz-Beiträge (REB) angemeldet hat, darf keine Insektizide einsetzen. Soll Pirimicarb dennoch zum Einsatz kommen, muss der Landwirt die Fläche vom REB-Programm abmelden.
«Die Schweiz ist am Anfang einer Epidemie»
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Samuel Jenni ist Geschäftsleiter der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau in Aarberg.
Herr Jenni, Produkte mit dem Wirkstoff Pirimicarb sind aufgrund des hohen Blattlausdrucks in der Schweiz kaum mehr erhältlich. Was bedeutet das für die Zuckerrübenproduktion?
Samuel Jenni: Pirimicarb kann teilweise noch in gewissen Landis oder bei unabhängigen Händlern bezogen werden. In der Ostschweiz war der Wirkstoff bereits früher vergriffen, aber dort wurden die Rüben auch früher geschützt und sind in der Regel über das kritische Stadium hinausgewachsen.
In der Westschweiz wurden die Zuckerrüben etwas später ausgesät, deshalb der gestaffelten Auflauf. Sie befinden sich also noch in einem anfälligen Stadium. Muss hier mit einem Totalausfall gerechnet werden?
Ein Totalausfall ist nicht zu erwarten. Einige Parzellen wurden jedoch extrem heftig befallen, so dass es einige Pflanzenausfälle gegeben hat. Vor allem die kleinen Rüben, die später aufgelaufen sind, wurden stärker getroffen.
Was empfehlen Sie den Westschweizer Landwirten in dieser Situation zu tun?
Gegen die schwarze Rübenlaus empfehlen wir eine einmalige Behandlung von 100 g/ha, was nach unseren Versuchen eine ausreichende Wirkung erreicht. Falls aber grüne Blattläuse entdeckt werden, wäre eine Aufwandmenge von 250 g/ha von nöten. Dazu müsste zwei Mal im Abstand von 14 Tagen behandelt werden. Es mehren sich die Hinweise, dass auch grüne Läuse in der Westschweiz auftreten.
Wovon hängt ihre Ausbreitung ab?
Die Schweiz ist am Anfang einer Epidemie. Ob sich die grüne Laus dann flächendeckend ausbreiten wird, hängt auch von der Behandlungsintensität und Resistenzgrad gegen Pirimicarb ab. Dazu hat die Witterung im Winter einen grossen Einfluss. Ohne starken Frost bis –12°C überleben die geflügelten Tiere problemlos.
Wie hoch schätzen Sie die Ertragseinbussen ein, die die Blattläuse bereits hinterlassen haben?
Die Ertragseinbussen sind schlecht abschätzbar. Wir haben keine Vergleichswerte, denn die Gaucho-Beizung hatte seit 1994 eine 100%-Wirkung gegen die Blattlaus. Aus der Literatur sind Einbussen bekannt. Gefährlich ist dabei die grüne Laus, die das Vergilbugnsvirus, eine uralte Rübenkrankheit, übertragen kann. Je nach Witterung sind bis zu 40 Prozent Einbussen im Zuckerertrag bei einem starken Befall und ohne Behandlung möglich.