Das Positive zuerst: Im Label-Dschungel der Schweizer Landwirtschaft kommt es zu einer Auslichtung. IP-Suisse übernimmt die Label-Schweine aus dem Coop-Naturafarm-Programm (CNf) und wird mit ihrem Käfer neu im Coop präsent sein. Coop garantiert im Gegenzug für das Jahr 2021 die Abnahme von 220 00 Mastschweinen. Das ist daher gut, weil man im Label-Dschungel vor lauter Bäumen den Wald kaum mehr sieht.
Die Produzenten leisten mehr, bekommen aber weniger
Neu ist mit der IP-Suisse also eine bäuerliche Organisation und nicht mehr ein Detailhändler Inhaberin des Labels. Ob für die Produzenten jetzt alles gut wird, darf bezweifelt werden. Unmittelbare Konsequenz für die Label-Produzenten wird sein, dass es zu einer unschönen Kombination kommt: Übernahme der strengeren Richtlinien aus dem CNf mit erhöhtem Platzbedarf und Kontrollen durch den Schweizer Tierschutz, und gleichzeitig auch eine Übernahme des weniger attraktiven Prämiensystems der IP-Suisse. Kurz zusammengefasst: Die Produzenten müssen mehr leisten und werden weniger dafür bekommen.
IP-Suisse kämpft mit Absatzschwierigkeiten
Ein weiterer Grund stimmt skeptisch: Die IP-Suisse ist zwar ein (ge-)wichtiger Player im Label-Bereich, jedoch kämpfte die Organisation zuletzt am Markt des Öfteren mit Absatzschwierigkeiten. 30 Prozent weniger IP-Suisse-Brotweizen wurden für die Anbausaison 2020 gefordert, die IP-Suisse-Kartoffeln darben auf tiefem Niveau dahin. Beim neuen Trend-Nischenprodukt Quinoa musste der Anbau 2020 aufgrund Absatzschwierigkeiten gar komplett eingestellt werden.
IP-Suisse übernimmt nun also das Naturafarm-Label von Coop. Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Weshalb soll ein Label, welches vorher am Markt massiv an Boden verloren hat, nun plötzlich den Turnaround schaffen? Reichen Biodiversitäts-Punkte aus, um Konsumenten umzustimmen? Oder werden die Absatzschwierigkeiten weiter anhalten?
Neue Label-Produzenten wollen liefern
Der Absatz ist nicht nur bei Naturafarm-Schweinefleisch schwierig. Der Verkauf ist das Hauptproblem der meisten Labels in der Schweiz. Beim Fleisch stagniert der Markt in allen Sektoren. Neue Label-Produzenten – auch solche, die bereits gebaut haben – warten darauf, ihre Tiere in die entsprechenden Kanäle liefern zu können und für ihre Leistung bezahlt zu werden. Oft vergeblich. Das führt uns zum berühmten Vote-Buy-Gap, also dem Unterschied zwischen dem, was Konsumenten sagen oder an der Urne bestellen, und dem, was sie an der Kasse kaufen. Die Rechnung für diese Lücke bezahlen Produzenten, welche in mehr Tierwohl und teurere Produktionsformen investieren, am Markt aber keinen Mehrwert dafür abholen
können.
Label haben es in der Schweiz nicht leicht
Diese Lücke wird sich wohl nicht so rasch verkleinern. Mit ein Grund für den schweren Stand der Labels in der Schweiz könnte sein, dass der Basisstandard mit dem ÖLN im Vergleich zum Ausland sehr hoch ist. Es ist in der Schweiz eigentlich nicht mehr möglich, qualitativ schlechte Produkte zu kaufen. Ein konventionelles Schweinekotelett mundet ebenso wie dasjenige aus dem Naturafarm-Programm. Das macht die Kommunikation von Mehrwerten bei Labelprodukten anspruchsvoll. Man muss ökologische und ethische Argumente ins Feld führen. Erschwerend kommt hinzu, dass die ÖLN-Richtlinien laufend angepasst und in der Tendenz verschärft werden. Da ist es nur logisch, dass sich auch die Labels neue Mehrwerte ausdenken müssen, mit dem Effekt, dass auch deren Produktion wiederum teurer wird. Und nebenbei nähern sich die Labels dann still und heimlich den Standards von Bio Suisse an. Das dürfte wiederum mit ein Grund sein, weshalb auch bei Bio die Marktkapazitäten an ihre Grenzen stossen.
Mehrwert am Markt gewinnbringend vermarkten
Gibt es auch Profiteure von dieser Situation? Es ist bekannt, dass die Margen der Detailhändler auf Labelprodukten höher sind als bei ÖLN-Produkten. Das hat zwar dazu geführt, dass Detailhändler mit Label-Bildern intensiv Werbung gemacht und so dabei geholfen haben, die Labels aufzubauen und gross zu machen. Letztendlich stockt aber der Absatz nicht zuletzt aufgrund des höheren Preises, der nur zu einem kleinen Teil der teureren Produktion geschuldet ist.
Die Hausaufgaben für die Labels sind gross: Sich die Frage stellen, welche Mehrwerte am Markt gefragt
sind und gewinnbringend vermarktet werden können. Und aus Produzentensicht ganz wichtig: Wie gelingt es, dass von diesen Mehrwerten ein fairer Teil bei den Produzenten, welche diese Mehrwerte schliesslich generieren, ankommt. Es ist zu hoffen, dass dies der IP-Suisse mit den Label-Tieren im Schweinesektor gelingt. Den Tieren und den Bauern zuliebe.