"Wir wollen unsere Qualität zeigen", verkündete Bundesrat Parmelin vorletzte Woche an der Grünen Woche in Berlin, "wir sind sehr gut und haben eine hohe Diversität". Während Guy Parmelin spricht, spielt im Hintergrund ein Örgelitrio, derweil verteilen Frauen und Männer in Trachten Käse- und Schokoladehäppchen – die zwei Schweizer Vorzeigeprodukte par excellence.
"Einzigartiger Geschmack und unbestrittene Qualität"
Die Schweizer Landwirtschaft soll also durch ihre Nachhaltigkeit und qualitativ hochstehenden Produkte überzeugen. Einerseits sollen sich die einheimischen Produkte von Importwaren abheben, andererseits der Export gefördert werden, indem die hohe Qualität der Schweizer Produkte überzeugt. Viele Vereine, Verbände und Unternehmen fördern das positive Image der Schweiz für Marketingzwecke, um im internationalen Markt bestehen zu können. So heisst es auf der Website von Switzerland Cheese Marketing beispielsweise: "Schweizer Käse wird auf der ganzen Welt geliebt. Für seinen einzigartigen Geschmack und seine unbestrittene Qualität." Swissmilk Green setzt mit dem neuen Kennzeichen auf die Nachhaltigkeit ihrer Milchproduktion. Und auch die offizielle Kampagne von Landwirtschaft Schweiz wirbt für die Mehrwerte der Schweizer Produkte. Zusätzlich wird mit Bildern von glücklichen Kühen oder traditionsbewussten Bauern in Trachten das gute Image der Schweizer Landwirtschaft unterstrichen.
Die Strategie funktioniert. Im Ausland kennt fast jeder den feinen Schweizer Käse und die hochwertige Schokolade. Und auch wir Schweizer glauben fest daran, dass es besser ist, Schweizer Produkte zu kaufen, auch wenn bei uns nicht ganz alles perfekt ist. Das zeigte sich in einer Umfrage, die letztes Jahr von Agro-Marketing Suisse gemacht wurde. Doch stellt sich die Frage, ob dieses schöne Bild der hiesigen Landwirtschaft tatsächlich der Realität entspricht, oder ob sich die Schweiz nicht manchmal auch besser darstellt, als sie wirklich ist.
Probleme gibt es überall - Vorteile auch
Für die Vorteile der Schweizer Landwirtschaft werden oft ähnliche Argumente ins Feld geführt: Hier wird der Tierschutz grossgeschrieben, während die Franzosen Stopfleber herstellen, die Ungaren ihre Gänse lebendig raufen, die Ukrainer ihre Hennen in Käfige stecken und die Deutschen Schweine und Rindvieh auf Vollspaltenböden halten dürfen. Eine Liste, die beliebig verlängert werden könnte.
Macht man sich aber die Mühe, den Spiess umzudrehen, wird man auch fündig: Wir Schweizer stehen an der einsamen Spitze Europas mit unserem Antibiotika-Einsatz an Milchkühen pro Tier, die Dänen dürfen ihre Schweine maximal drei Tage in Kastenständen fixieren (in der Schweiz sind es zehn), den Deutschen ist der Einsatz elektrischer Kuhtrainer bereits seit 2010 verboten. Aber der Kuhtrainer hilft, die Läger sauber zu halten und damit die Tiergesundheit zu verbessern, werden Sie jetzt vielleicht denken. Nun, das gleiche gilt für Vollspaltenböden. Übrigens lassen sich durch Käfighaltung bei Hennen Kannibalismus und die Verbreitung von Krankheiten besser kontrollieren und das Raufen von Gänsen ist, wenn es denn korrekt gemacht wird, für die Tiere schmerzfrei und man hat eine grössere Ausbeute an Daunen pro Tier – gut für die Umwelt.
Gleich, wie die Deutschen
Weitet man die Diskussion auf den Verkauf von Pflanzenschutzmitteln (PSM) aus, merkt man, dass die Schweiz den anderen Europäischen Ländern um nichts nachsteht. Vielleicht kennen Sie die Studie von Agroscope zum Einsatz von PSM in Europa, die sagt, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden. Wir bauen nämlich verhältnismässig viel mehr Reben und Kernobst an, als die Bauern im Ausland, was einen höheren PSM-Einsatz zur Folge hat. Ausserdem sind die von uns eingesetzten Mittel viel weniger umweltbelastend als die unserer Nachbarn. Und sowieso, die Zahlen werden in jedem Land unterschiedlich erhoben, ein Vergleich ist unmöglich. Vielleicht sind die tatsächlichen Mengen von verkauften PSM nicht so hoch, wie die von Eurostat zusammengetragenen. Doch wie man es auch dreht und wendet: Fakt ist, die Schweiz gehört zu den einsatzfreudigen Ländern Europas. Zu diesem Schluss kommt auch die erwähnte Studie von Agroscope, die den Schweizer PSM-Einsatz etwa gleich hoch schätzt, wie den deutschen. Und Deutschland ist auf Platz acht im internationalen Vergleich.
Den guten Ruf bewahren
Um noch einmal auf Bundesrat Parmelin zurückzukommen: "Wir haben harte Diskussionen in der Schweiz über Umweltprobleme und Pestizide. Auch in ganz Europa steigt die Umweltproblematik", sagte er in Berlin. Stimmt, Umweltprobleme gibt es in ganz Europa. Doch sollte die Schweiz ihre Probleme nicht kleiner machen als sie sind.
Die Nachhaltigkeit der Milchproduktion verbessern zu wollen, indem jede Kuh einen eigenen Namen bekommt und weiterhin die ÖLN-Anforderungen erfüllt werden, wie es beispielsweise Swissmilk Green verlangt, scheint zwar als Marketingstrategie in der Schweiz zu funktionieren. Ob aber das gute Image der Schweizer Landwirtschaft im Ausland auf diese Weise tatsächlich aufrechterhalten werden kann, ist fraglich. Fest steht nur: Die Schweizer Landwirtschaft sollte sich nicht auf den Lorbeeren ihres guten Rufes ausruhen und darauf verweisen, dass die Anforderungen in der Schweiz ohnehin schon höher sind als überall sonst. Denn unsere Nachbarn schlafen nicht und sind ebenfalls sehr um Qualität und Nachhaltigkeit bemüht.
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