Für unsere IG Fremdblut ist der Entscheid der letztjährigen Freiberger-Delegiertenversammlung mit 95-prozentiger Zustimmung zur Öffnung des Stud Books ein grosser Erfolg: Eine Öffnung zu einer zeitlich begrenzten und vom FM-Verband gelenkten Anpaarung mit drei bis vier sorgfältig ausgewählten Warmbluthengsten. Das Ziel wäre die Gewinnung einiger Hengstnachkommen (Söhne, Enkel) und im Falle einer Eignung die Bildung neuer Vaterlinien. Aktuell scheinen die Hengstlinien D, R, P, Q und eventuell V zu verschwinden. Offenbar genügen sie der heutigen Marktnachfrage, unter anderem auf dem Hengstmarkt, nicht mehr. Die Zuchtgeschichte zeigt, dass das nichts Neues ist.

Uns scheint, dass das Thema Fremdblut heute fast zur Religion hochstilisiert wird. Vergessen wir nicht, dass die heute immer häufiger gefragten Merkmale beim Freiberger von seiner «warmblütigen» Verwandtschaft kommen. Seit dem Beginn um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden neben einheimischen Hengsten Kaltblüter (v. a. Belgier, Comtois, Shire u. a.) und immer wieder Warmblüter (Anglonormänner und englisches Warmblut) zur Veredlung verwendet.

Erfolgreiche Veredelungspaarungen

Seither hat sich unser Bauern- und Artilleriepferd züchterisch konsolidiert und zwar so gut, dass auch spätere Warmblut-Anpaarungen den Rassetyp nicht gross veränderten. Zum Glück erkannten die FM-Züchter die Zeichen der Zeit früh und begannen, die Rasse in Richtung Freizeit-Sport auszurichten. Das geschah vor allem über die Einführung der Reitdisziplin beim Stationstest der Hengste und die Feldtests für die Stuten und Wallache. Auch spätere Veredlungsanpaarungen waren mehrheitlich erfolgreich, so mit dem Schwedenhengst Aladin (geb. 1964), dem arabischen Vollblut Doctryner (geb. 1950) und den Halbbrüdern Noé CH (geb. 1984) und Qui Sait CH (geb. 1985). Alle vier begründeten neue Hengstdynastien.

Heute liegt der arithmetische Warmblutanteil in der Population bei zirka 12 %. Bei den frisch gekörten Hengsten hat sich der Blutanteil in den vergangenen 20 Jahren bei 10 bis 14 % eingependelt. Auch Grösse und Röhrbein-Umfang blieben erstaunlich konstant bei 156 cm und 21 cm. Keine Rede von immer grösser und immer feiner. Auch unsere Analysen der Zuchtwerte bescheinigen gerade den Hengsten mit höherem Warmblutanteil in den Disziplinen Fahren, Reiten und Verhalten eine klare Überlegenheit. Auch bei den 50 besten Stuten ist die genetische Dominanz beeindruckend, vor allem dank der Noé-Familie.

Fremdblut als Zuchtversuch

Schon bisher wurden Freiberger als alte Schweizer Rasse vom Bund gefördert (Stutenbeitrag, Herdebuchbeitrag, Forschungsprojekte). Mit der Annahme der Motion von Nationalrat Beat Rieder (Die Mitte) will nun der Nationalrat gefährdete Nutztierrassen unseres Landes unter anderem mit Halteprämien zusätzlich fördern. Unseres Erachtens ist das eher unter Kultur abzuhandeln. Warum nicht? Für das Überleben einer Rasse ist in erster Linie der Erfolg am Markt entscheidend, also viele Käufer(innen) und möglichst kostendeckende Preise. Wahrscheinlich dank Corona ist letzteres gegenwärtig der Fall.

Beim Freiberger geht es nicht nur um Erhaltungszucht. Diese grösste Zuchtpopulation unseres Landes wird sich dynamisch weiterentwickeln. Und das unter der Wahrung der bewährten typischen Merkmale wie Charakter, Nervenstärke, Robustheit und Rassetyp. Das Ziel bleibt der Freiberger und nicht ein kleines Warmblutpferd. Unser Projekt soll als «Zuchtversuch» eingestuft werden. Diverse Zuchtverbände wie Holsteiner, Hannoveraner, Schweres Warmblut, Süddeutsches Kaltblut etc. machen das ohne grosse Geschichte regelmässig.

Abo Pferdezucht Für die Freibergerzüchter wird das Einführen von Fremdblut zum regelrechten Seiltanz Saturday, 15. January 2022 Laut einem Interview hat die FM-Zuchtkommission (Präsident Martin Stegmann) bislang noch nichts unternommen, was wir bedauern. Im Bericht «Seiltanz mit dem Fremdblut» in der BauernZeitung glauben wir und halten uns an die Aussage des neuen Präsidenten Albert Rösti: «Bei diesem Projekt handelt es sich um einen sehr klaren Auftrag der Delegiertenversammlung, da wird nichts aufs Eis gelegt.»