Vater Hans, Mutter Therese, Sohn Simon Jegerlehner und seine Freundin Bettina Haldemann, sitzen in der gemütlichen Stube am Tisch und erzählen von ihrem Grauvieh. Alle haben die grauen Tiroler ins Herz geschlossen. Dabei war die Umstellung von Swiss Fleckvieh auf Grauvieh gar nicht freiwillig.
Zu wenig Platz im Stall
Die Generationengemeinschaft bewirtschaftet einen typischen Zweistufenbetrieb in der Gemeinde Trub im Emmental BE. Die 26 ha Landwirtschaft werden nach den Richtlinien von Bio Suisse bewirtschaftet. Im Winter sind die Tiere auf dem Talbetrieb Zopfen auf 900 m ü. M. in der Bergzone 2, wo auch das Bauernhaus steht, im Sommer auf dem Bergbetrieb Buchstuden 1200 m ü. M. in der Bergzone 3. Im Jahr 2010 stellte sich bei der Biokontrolle aber heraus, dass im Stall zwei Zentimeter Standplatzbreite bei den Kühen fehlten. Hans Jegerlehner und sein Sohn Simon überlegten sich damals zuerst, den Stall umzubauen. Doch das wäre aus finanziellen Gründen gar nicht möglich gewesen. Schliesslich kam Simon Jegerlehner mit der entscheidenden Idee. Das Tiroler Grauvieh ist zirka 10 cm kleiner als das Swiss Fleckvieh. Auf Nachfrage bestätigte der Kontrolleur, dass Tiroler Grauvieh im Stall gehalten werden dürfe, wenn das Zuchtziel von einer Kreuzbeinhöhe von maximal 135 cm beibehalten werde. Damit war klar: Nicht der Stall wird angepasst, sondern die Rasse.
Fünf gesunde Kuhkälber
Die definitive Entscheidung fiel 2011. "Wir hatten Glück", sagt Simon Jegerlehner. Im September 2011 reisten Vater und Sohn nach Navis ins Tirol und kauften sieben tragende Rinder. Noch im Herbst kamen fünf Kuhkälber zur Welt. "So konnten wir langsam den Grauviehbestand aufbauen und die Roten ersetzen." Die Jegerlehners hatten drei Jahre Zeit, um die Hälfte des Bestandes auszutauschen. Seit zwei Jahren sind nur noch "Graue" im Stall. Heute haben sie einen Bestand von 15 Milchkühen, neun Rindern, acht Aufzuchtkälbern und einem Zuchtstier. Die Milch liefern sie an die Kreuzwegkäserei in Oberlangenegg.
"Die Entscheidung haben wir keine Minute bereut", sagt Hans Jegerlehner.
Unübertroffen im Charme
Die Tiere sind trittsicher und mögen die steilen Hänge. Deshalb nutzen sie die Weiden sehr gut aus. Ausserdem sind sie sehr gute Futterverwerter. Gefüttert wird fast nur mit betriebseigenem Raufutter. Nur nach dem Kalben bekommen die Kühe etwas Mais und Luzerne. Trotzdem liegt die Milchleistung im Durchschnitt bei 5000 kg pro Jahr mit einem Gehalt von 4,0% Fett und 3,4% Eiweiss.
Die Familie Jegerlehner kommt aus dem Schwärmen fast nicht mehr heraus: "Man kann den Tieren auf der Weide rufen und sie kommen von selbst, sie sind sehr anhänglich. Auch mit der Fruchtbarkeit und mit der Klauengesundheit haben wir keine Probleme. Die Tiere sind ruhig im Stall, jede hat aber ihren eigenen Charakter. Zudem sind sie wirklich schön. Sie passen einfach perfekt zu uns." Der Slogan von Grauvieh Schweiz "unübertroffen im Charme" entspricht also der Beschreibung der Jegerlehners.
Auch finanziell lohne es sich. Am Ende des Monats bleibe nun mehr übrig. "Einerseits müssen wir natürlich weniger Futter zukaufen, andererseits können wir die Kälber besser verkaufen", sagen die Betriebsleiter. So sei das Tiroler Grauvieh eine typische Zweinutzungsrasse.
Immer noch die Ausnahme
Es erstaunt deshalb nicht, dass Simon Jegerlehner im Schweizer Grauviehzuchtverein aktiv mitwirkt, hauptsächlich in der Genetikkommission. Auch für den nächsten grossen Event ist er im Organisationskomitee. Die drei Schweizer Grauviehorganisationen Schweizer Grauviehzuchtverein (SGVZV), Rassenclub Grauvieh Schweiz (RCGS) und Rätisches Grauvieh Schweiz (RGS) halten am 30. November eine grosse Grauvieh-Ausstellung auf dem Schwand in Münsingen BE ab. Rund hundert Kühe von 29 Haltern seien angemeldet. Auch die Jegerlehners selbst nehmen mit neun Tieren teil.
Simon Jegerlehner möchte mit dieser Ausstellung auch andere Landwirte über die Rasse informieren, die noch keine Grauviehalter seien. Bisher spiele das Grauvieh hauptsächlich in der Ostschweiz eine grosse Rolle. Er würde es aber schön finden, wenn auch im Rest der Schweiz noch mehr Halter dazugewonnen werden könnte.
Mittlerweile wird die Familie Jegerlehner nicht mehr für ihre Entscheidung belächelt, Grauvieh zur Milchproduktion zu halten. Aber sie seien in der Region nach wie vor die grosse Ausnahme. Dies, obwohl die Rasse in Jegerlehners Augen optimal zur hügeligen Landschaft des Emmentals passen würde, als Milch-, wie auch als Mutterkühe.
Von Tirolern und Rätern
Simon Jegerlehner wünscht sich in Zukunft eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den drei Grauviehorganisationen. Denn die Räter stammen alle von den Tirolern ab. Um 1920 war das Rätische Grauvieh in den Bündner Bergen ganz verschwunden. Erbkrankheiten und effizientere Milchrassen hatten es verdrängt. Mitte der 80er-Jahre wurde aus Österreich Tiroler Grauvieh importiert und die Rasse wieder etabliert.
In die Rätische Rasse mit Zuchtziel einer Kreuzbeinhöhe von zirka 125 cm, dürfen heute keine Tiroler mehr eingekreuzt werden. Umgekehrt machen Grauvieh-Zuchtverein und Rassenclub keine solchen Vorschriften.
Engere Zusammenarbeit gewünscht
Aufgrund des gemeinsamen Ursprungs, der vor allem in Graubünden gehaltenen Rätern und den im Rest der Schweiz verbreiteten Tirolern, findet Simon Jegerlehner sogar einen Zusammenschluss der drei Schweizer Grauviehorganisationen sinnvoll. Ein erster Schritt in diese Richtung, eine gesamtschweizerische Ausstellung, wird diskutiert.
Bis jetzt macht kaum jemand den Transport der Tiere aus den Bündner Bergen nach Münsingen und umgekehrt fährt man aus dem Berner Oberland nicht nach Cazis. Deshalb soll ein Ausstellungsort gefunden werden, der für alle in einer vernünftigen Zeit erreichbar ist. "Einen direkten Vergleich mit den Ostschweizer Tieren zu haben, wäre gut", findet Simon Jegerlehner. "Wichtig für die Zukunft ist es, dass wir an unseren Zuchtzielen festhalten, sonst gehen die Vorteile der grauen Kuh schnell verloren." Die Gesundheit der Tiere stehe dabei im Vordergrund. Trotzdem soll ab der dritten Laktation eine Milchmenge von 5000 bis 6000 kg Milch mit gutem Gehalt erreicht werden und die Grösse von maximal 135 cm soll beibehalten werden. Man möchte eine langlebige, funktionelle Kuh mit einem Kalb pro Jahr.
Graues Glück
Die letzten drei Grauviehausstellungen fanden in Eriz BE in der Nähe von Thun BE statt. Die Anreise war noch komplizierter als nach Münsingen. Trotzdem haben die Jehgerlehners beste Erinnerungen an die letzte Ausstellung im 2017. Davon zeugen auch die Auszeichnungen in der Wohnstube. «Ich kann immer noch nicht glauben, was damals passierte», erzählt Hans Jegerlehner rückblickend. So wurden die Titel Vize-Miss Rind, Vize-Miss Schöneuter, Miss Milchkuh und Mister an die Tiere der Jegerlehners vergeben. Therese Jegerlehner fasst zusammen: Manchmal muss man zu seinem Glück gezwungen werden."
Betriebsspiegel
Name:
Generationengemeinschaft Jegerlehner
Ort:
Zopfen, Trub BE
Betriebsfläche:
26 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, 24 ha Wald
Viehbestand:
15 Milchkühe, 9 Rinder, 8 Kälber, 1 Zuchtstier