Der diesjährige Bio-Tag am Plantahof vom 28. November stand unter dem Motto «Tier wohl – Mensch wohl?». In der Einführung sagte Batist Spinatsch, Berater am Plantahof, dass man das Tierwohl in den heutigen, modernen Ställen zwar messen könne. «Masse, Ernährung und Pflege müssen stimmen, doch ob den Tieren wirklich wohl ist – wer weiss es?», fragte er rhetorisch.

Emotionales Wohlbefinden

In der Milchviehhaltung werden die neugeborenen Kälber sehr schnell von den Müttern getrennt, die Kühe gemolken, das Kalb getränkt – sie haben keine Beziehung zueinander. In der Mutterkuhhaltung gehören Kuh und Kalb zusammen, sie leben eine enge Beziehung.

Doch auch in der Milchviehhaltung gibt es Veränderungen, denn man hat festgestellt, dass nicht nur das «materielle» Wohlbefinden für ein Tier wichtig ist, sondern auch das emotionale. Landwirte bemühen sich, dass es ihren Tieren gut geht. Frühere Haltungsformen wurden in vielen Fällen als nicht tiergerecht erkannt, es wurden Vorschriften ausgearbeitet, die Landwirte versuchen, sie einzuhalten. Beim Menschen gibt es keine Vorschriften, jeder ist für sich selbst verantwortlich, jeder sollte zu sich selbst schauen. Geht es dem Bauern gut, kann er viel besser zu seinen Tieren schauen.

Doch nicht nur das Wohlbefinden der Tiere ist wichtig, sondern auch der letzte Gang eines Tieres zum Schlachthof. Auch wenn man während der Dauer des Nutztierlebens sein Bestes gibt, der letzte Gang kann stressig sein: fremde Menschen, fremdes Fahrzeug, fremde Tiere, fremde Geräusche, fremde Umgebung, Lärm – das alles irritiert ein Tier, stresst es. Wäre eine Hofschlachtung hier die Lösung?

Kälber saugen lassen

Bisher mussten Milchviehbetriebe ihre Kühe zweimal täglich melken und das ganze Gemelk ihrer Kühe abliefern. Doch es gibt ein Umdenken. Mit der Mutter- und/oder ammengebundenen Kälberaufzucht wäre es möglich, dass die Kälber so viel Milch direkt von der Kuh beziehen, wie sie benötigen. Den Rest melkt der Landwirt ein- bis zweimal täglich.

Das entsprechende Gesetz wird geändert, damit diese Tierhaltung vom Graubereich in den legalen Bereich rutscht. Claudia Schneider vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), erklärte das natürliche Verhalten von Kuh und Kalb. Wichtig seien, so Schneider, dass die stallbaulichen Voraussetzungen geschaffen würden. Man finde sowohl in Freilauf- wie auch in Anbindeställen Möglichkeiten für diese Haltungsform.

Man habe festgestellt, dass die Kälber gute Tageszunahmen hätten, es jedoch nach dem Absetzen eine Wachstumsdepression gebe. Die Kälbergesundheit könne sich verbessern, vor allem wenn man mit der herkömmlichen Kälberhaltung Probleme gehabt habe. «Auch wenn man Kälber an Milchkühen saugen lässt, die Kontrolle der Kälber, aber vor allem auch der Kühe, sind sehr wichtig und für den Erfolg entscheidend.»

Erfahrungen aus der Praxis

Dass es die Haltungsform muttergebundene Kälberaufzucht schon gibt, zeigte Manuela Lerch vom Biohof Engelsrütti in Läufelfingen BL. Sie und ihr Partner Noah Handschin starteten den Versuch, ihre Milchkühe im Anbindestall von den Kälbern saugen zu lassen. Die Kälber werden einzeln in den Kuhstall gelassen, wo sie an ihrer Mutter saugen können, danach wird die Kuh ausgemolken.

Die Kälber werden nach dem Saugen für rund eine halbe Stunde neben der Kuh angebunden und kehren dann wieder in die Kälbergruppe zurück. So würden die Kälber den Umgang mit den Menschen kennenlernen. «Sie wissen, was es heisst, angebunden zu sein, und können von ihren Müttern das Sozialverhalten lernen», berichtete Lerch.

Da ihr Partner gelernter Metzger ist, werden die eigenen Tiere in der Dorfmetzgerei geschlachtet. Das Fleisch wird selbst verarbeitet und direktvermarktet. Einmal pro Monat findet auf dem Biohof Engelsrütti ein Markt statt, wo sich die Kunden mit den Produkten des Hofes eindecken können. Für Lerch und Handschin ist es wichtig, dass es nebst den Arbeiten auf dem Betrieb auch noch genügend Zeit für die Partnerbeziehung gibt.

Tiere stressfrei verladen

Nach der Aufzucht oder Mast werden Tiere verkauft oder zum Schlachthof gefahren. Die Fahrten können für die Tiere Stress bedeuten, wenn gewisse Erkenntnisse nicht beachtet werden. Anne-Kathrin Witschi, ­Kontrolldienst Schweizer Tierschutz (STS), zeigte auf, dass der STS für verschiedene Auftraggeber Transportkontrollen durchführt. Es gibt Kontrollen vom Betrieb bis zum Schlachthof oder Annahmekontrollen am Schlachthof.

Wenn man Tiere verladen will, müssen viele Details beachtet werden, denn Tiere sehen und erleben die Welt anders als der Mensch. Der Mensch, der ein Tier verladen möchte, muss dies beachten und versuchen, dem Tier klarzumachen, was er von ihm will.

Anhand verschiedener Beispiele zeigte Witschi, wie Fehler vermieden werden könnten.

Moderne Hofschlachtung

Die Schlachtung in einem Schlachthof löst bei Tieren Ängste aus. Es bedeutet Stress, auch wenn man noch so schonend mit dem Tier umgeht. So viel Neues prasselt auf ein Tier ein, so viel Unbekanntes, sodass eigentlich nur noch Flucht die Lösung wäre. Doch das geht nicht, dafür sorgen die Menschen nach Möglichkeit.

Deshalb suchte Biobauer Georg Blunier, Hof Dusch in Paspels GR, eine Variante, seine Tiere auf dem Betrieb zu schlachten. Das Schiessen auf der Weide mit dem Gewehr behagte ihm nicht ganz. Aber das Tier auf dem Betrieb in gewohnter Umgebung mit dem Bolzenschussapparat zu schiessen, es auf dem Betrieb zu stechen und auszubluten und dann auf einem Spezialanhänger in die Metzgerei zu fahren, wo es aufgehängt und ausgenommen wird, das schien für ihn das Richtige.

Nach Abklärungen mit dem Veterinäramt Graubünden und mit der Metzgerei Bieler, Bonaduz, dem Erfüllen von vielen Vorschriften und Auflagen, wurden die ersten Versuche gestartet. Bis jetzt wurden rund zwanzig Schlachtungen auf dem Hof durchgeführt. Die Bilanz sei positiv, so Blunier. Allerdings sei der Aufwand gross und die zusätzlichen Kosten pro Schlachtung liegen bei 400 Franken.

Eigenes Wohlbefinden

Auf Biobetrieben kommt dem Tierwohl eine grosse Bedeutung zu. Doch wie steht es mit dem Menschwohl? Die Vorarlbergerin Doris Jäger, Resilienztrainerin und Gesundheitspädagogin, zeigte in ihrem Referat Möglichkeiten auf, wie man für sich selbst Wege zum eigenen Gleichgewicht und zu innerer Zufriedenheit finden kann. Wenn es dem Menschen gut geht, hilft das der Paarbeziehung, der Familie und wirkt sich wieder positiv auf den Betrieb aus.