Welches sind Anzeichen, dass die Geburt bald bevorsteht?
Murielle Lauper: Stuten sind zwischen 320 und 360 Tagen trächtig. Dies ist eine sehr variable Zeitspanne. Daher sollte man das Tier im letzten Trächtigkeitsmonat besonders gut im Auge behalten. An einige äusseren Anzeichen kann man erkennen, dass die Geburt bald bevorsteht:
- Das Euter füllt sich, dies nennt man den Milcheinschuss.
- Rund zwei Tage vor der Geburt bilden sich Harztröpfchen an den Zitzen
- Die Stute fällt im Kruppenbereich etwas ein, da die Beckenbänder weicher werden. Dies ist wegen den vielen Muskeln jedoch oft nicht so leicht zu sehen.
- Die Scheide wird langgezogen.
- Die Form des Bauches verändert sich, wenn sich das Fohlen kurz vor der Geburt dreht. Die Form erinnert an eine Birne.
Das sind aber alles vage Anzeichen. Grundsätzlich bestimmt das Fohlen den Geburtstermin. Sobald es fertig ausgebildet ist, macht es sich auf den Weg. Die Stute kann die Geburt nur noch leicht verzögern. Sie sucht sich dafür oft einen ruhigen Moment aus. Es kommt oft vor, dass die Pferdehalter das Fohlen plötzlich im Stall vorfinden, ohne dass sie bemerkt haben, dass die Geburt im Gang war.
Welche Geburtsüberwachungssysteme können Sie empfehlen?
Die Geburt als stille Beobachterin mit zu verfolgen ist für die Tierhalterin sehr wichtig. Denn bei Verzögerungen der Austreibungsphase muss dringend ein Tierarzt herbeigezogen werden. Ansonsten kann es für die Stute und das Fohlen gefährlich werden. Die beste Überwachung ist aus meiner Sicht die Kameraüberwachung. Die Stute wird so nicht gestört und die Tierhalter haben eine ständige Kontrolle. Der Vorteil ist, dass die Kamera über ein App von überall überwacht werden kann.
Weiter gibt es auch Gurte, welche man den Tieren anziehen kann. Diese melden, sobald sich die Stute in Seitenlage begibt. Leider gibt es dabei viele Fehlalarme, etwa wenn die Stute generell gerne in Seitenlage liegt. Es gibt aber auch neuere Systeme, die man individuell auf die jeweilige Stute abstimmen kann. Zudem gibt es Meldesysteme, welche etwa Schweiss oder Temperatur messen.
Wichtig ist einfach, dass man den Zeitpunkt der Geburt nicht verpasst. Routinierte Züchter haben oft ein Gespür für den Zeitpunkt. Heute gibt es aber immer mehr Pferdehalter, welche nur selten eine Geburt mitmachen.
Wie läuft die Geburt genau ab?
Es ist ähnlich wie bei den Kühen. Als erstes bereitet die Stute den Geburtsweg vor. Dies kann zwischen zwei und drei Stunden dauern. Dabei öffnet sich der Muttermund. Danach kommt die Austreibungsphase, die etwa 15-20 Minuten dauert. Bei dieser Phase ist es wichtig, dass die Tierhalterin nicht verpasst, wenn es zu Verzögerungen kommt.
Wann sollte ein Tierarzt/ eine Tierärztin dazu geholt werden?
Wenn man sich unsicher ist, sollte man lieber einmal zu viel den Tierarzt rufen. Dieser kann auch am Telefon schon einige nützliche Tipps geben und die Lage einschätzen. Wenn das Austreten länger als 15-20 Minuten dauert, sollte die Pferdehalterin dringend einen Tierarzt rufen. Bei der Geburt kommen erst die Vorderbeine und der Kopf heraus. Falls aber die Hinterbeine oder der Kopf zuerst kommen, sollte ebenfalls die Tierärztin informiert werden.
Auf was können Züchter/innen nach der Geburt achten?
Nach der Geburt liegt das Fohlen erstmal. Innerhalb von einer bis zwei Stunden sollte es aber schon die ersten Gehversuche und sich auf die Suche nach dem Euter machen. Es ist sehr wichtig, dass es an die Milch kommt. Fohlen werden ohne Antikörper geboren. Durch die erste Milch, auch Briestmilch oder Kolostrum genannt, nehmen sie von der Mutter lebenswichtige Antikörper auf. Wenn das Tier innerhalb der ersten vier bis sechs Stunden nicht trinkt, sollte man den Tierarzt benachrichtigen.
Haben Sie ein süsses Fohlenbild?
Haben Sie auch schon eine Geburt miterlebt? Teilen Sie mit uns Ihr süssestes Fohlenbild. E-Mail an die Redaktion schicken
Was können Halter tun, wenn das Fohlen nicht trinkt?
Der Tierarzt kann helfen. Erst muss herausgefunden werden, warum es nicht trinkt. Es kann sein, dass die Stute keine Milch gibt, oder auf das Saugen des Fohlens empfindlich reagiert (etwa wegen einer Euter-Entzündung). Stuten, die zum ersten Mal ein Fohlen haben, sind es sich oft nicht gewohnt und müssen das Saugen erst kennenlernen.
Wenn das Kleine nicht trinkt sollte man versuchen, ihm zu helfen. Etwa indem man den Kopf an das Euter der Stute hinführt. Bei Jungstuten ist ein erstes Abmelken von Hand manchmal einfacher zu bewerkstelligen als das Saugen des Fohlens. Dabei sollte aber unbedingt die Milch aufgefangen werden, damit sie dem Fohlen zugeführt werden kann. Dies sollte auch getan werden, wenn das Fohlen selbst nicht trinken kann. Denn die Antikörper und Zucker in der Briestmilch braucht das Fohlen dringend. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Antikörper über Plasma in einer Transfusion zuzuführen.
Woher bekommt man das Kolostrum?
Wenn die Stute Milch hat, kann diese gemolken werden. Das Fohlen bekommt das Kolostrum dann über das Fläschchen. Es kann aber auch sein, dass die Stute schon einige Wochen vor der Geburt Milch verliert. In diesem Fall gibt sie weniger Milch oder die Antikörper-Konzentration im Kolostrum ist bei der Geburt nicht mehr ausreichend. Manche Tierärzte oder auch routinierte Züchter haben ein Lager von eingefrorenem Kolostrum.
Wie können die Tierhalter die Stute schmerzfrei melken?
Beim Melken gibt es nichts Spezielles zu beachten. Man sollte jedoch vorsichtig sein, vor allem, wenn die Stute es noch nicht kennt. Bei Schwierigkeiten kann dazu die Stute auch leicht sediert werden. Zudem sollte man die Hände gut reinigen vor dem Melken.
Was ist in Bezug auf die Nachgeburt zu beachten?
Die Nachgeburt sollte drei bis vier Stunden nach der Geburt rauskommen. Sobald sie da ist, sollte man sie auf dem Boden auslegen und untersuchen. Die Nachgeburt hat eine Y-Form. Zudem muss man schauen, dass keine Teile in der Gebärmutter zurückbleiben. Es kann auch vorkommen, dass bei einer komplizierten Geburt, die Nachgeburt gar nicht oder unvollständig rauskommt. Dann sollte man den Tierarzt rufen, dieser kann sie rausspülen. Es ist sehr wichtig, dass sie rauskommt, ansonsten können sich Giftstoffe entwickeln und die Gesundheit der Stute gefährden.
Was können Halterinnen tun, wenn das Fohlen nicht aufsteht?
Es ist überaus wichtig, dass das Fohlen aufsteht, denn nur so kommt es an die Milch. Es sollte in den ersten zwei bis drei Stunden die ersten Trinkversuche machen. Wenn es nicht aufsteht, sollte man die Tierärztin informieren. Diese prüft, was mit dem Kleinen los ist. Es kann etwa passieren, dass das Fohlen unterentwickelt auf die Welt kommt. Dann sind unter anderem die Knochen noch nicht genügend ausgebildet, dass es stehen kann. Je nach Prognose, kann es zu grossen Aufwänden kommen, bis das Fohlen läuft oder es überlebt gar nicht. Wenn es liegen bleibt muss unbedingt sichergestellt werden, dass es an das Kolostrum kommt. Durch Fläschchen oder Plasma-Infusion.
Welches Futter eignet sich für die Stute nach der Geburt?
Die Stute ist elf Monate trächtig. Ab dem achten Monat passiert beim Fohlen die grösste Entwicklung. Ab dann sollte man spezielles Futter geben. Dieses ist besonders energiereich und enthält viel Eiweiss und Mineralien. Vorher ist jedoch noch keine angepasste Fütterung notwendig. Solange das Fohlen im saugfähigen Alter ist, sollte die Stute spezielles Zusatzfutter erhalten. Zudem sollte der Züchter den Ernährungszustand der Stute gut beobachten und die Fütterung dementsprechend anpassen.
Ab wann bekommen die Fohlen feste Nahrung?
Das Fohlen beginnt schon nach wenigen Lebenswochen, sich für feste Nahrung zu interessieren. Es kann schon früh Gras und Heu fressen. Etwa ab dem 3.Lebensmonat kann dem Fohlen speziell auf es abgestimmtes Fohlenfutter verfüttert werden. Wichtig ist, dass das Fohlen nicht an das Futter der Mutter geht. Dieses ist für das Kleine nicht gut verträglich.
Was ist, wenn die Geburt schiefläuft und die Stute oder das Fohlen stirbt?
Wenn das Fohlen stirbt, so sollte man es noch eine Weile in der Box lassen, damit die Stute realisiert, dass es tot ist. Wenn die Stute stirbt, so muss man das Fohlen mit dem Fläschchen grossziehen oder eine Ammenstute suchen. Wenn möglich sollte man noch das Kolostrum der Stute für das Fohlen gewinnen.
Die Organisation «SOS Fohlen» vermittelt zudem Fohlen die ihre Mutter verloren haben an Stuten, welche ihr Fohlen verloren haben und umgekehrt.