Kaum kommt man in die Nähe des Schweinegeheges auf dem Thurgauer Seerücken, kommen die Schweine im Galopp angerannt. Sie sind neugierig auf den Besucher mit dem Fotoapparat. Wenn man über den Zaun steigt, kann man die Schweine beim Fressen am Futterautomaten beobachten. Oder sie beim Wasser trinken an einem Trinknippel beobachten.
Ein schönes Schweineleben
Heute ist es kühl und regnerisch, deshalb lohnt es sich, einen Blick ins Rundbogenzelt zu werfen. Dort liegen zwei Dutzend Schweine, Schwein an Schwein ins warme Strohbett gekuschelt und sie geniessen satt und zufrieden die Wärme. Im Zelt steht ein grosser, isolierter Wassertank auf vier Beinen, welcher das Wasser an die Trinknippel liefert, woran die Schweine saugen wenn sie durstig sind.
Aufwand und Ertrag stimmen
Urs Hartmann ist Leiter Landwirtschaft vom Massnahmenzentrum Kalchrain. Er hatte vor rund zwei Jahren die Idee, diese Art von tierfreundlicher Schweinemast auf dem rund 100 Hektaren grossen Betrieb einzuführen, um eigene Ferkel zu mästen. Hartmann sieht nur Vorteile in der Freiland-Mast. Er zählt sie auf:
- Für die rund 600 Schweine, die er pro Jahr mästet, hat er nur rund 50 000 Franken investiert.
- Für die Freiland-Schweine bezahlt ihm der Händler Silvestri einen Franken mehr als der QM-Wochenpreis.
- Zusätzlich sind über das Feld rennende und im Boden wühlende Schweine eine Freude für die vielen Spaziergänger auf dem Seerücken.
Hartmann wäre soweit zufrieden, die Rechnung stimmt. Die Linus Silvestri AG nimmt seine Schweine ab und vermarktet sie unter dem Label «Silvestri Freilandschwein». Abnehmer sind die Detailhandelsgruppe Spar, die Metzgerei «Kilo + Gramm AG» in Tägerwilen, unweit der deutschen Grenze. Weitere Abnehmer sind die Jenzer Fleisch und Feinkost AG sowie die Ochsenmetzgerei in Altnau, ebenso der Gastro-Abholmarkt Top CC.
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10'000 Schweine als Ziel
Die Linus Silvestri AG suche weitere Freiland-Schweinemäster, erzählt Geschäftsleitungsmitglied Jakob Spring. Bisher handelt er zwischen 6000 und 7000 Freiland-Schweine jährlich, sein Ziel sind 10'000 Schweine pro Jahr, das wäre immer noch eine Nische. Höchste Zeit für einen Besuch bei der Metzgerei «Kilo + Gramm AG» im nahen Tägerwilen.
Georg Felber ist Geschäftsführer und überzeugt vom Freiland-Schwein. Seit dreieinhalb Monaten verkauft seine Metzgerei exklusiv Freiland-Schweinefleisch. «Wir wollen uns beim Fleischsortiment abheben vom Grossverteiler», begründet er den Wechsel auf das Freiland-Schwein. Wöchentlich verkaufe «Kilo + Gramm AG» das Fleisch von zwei Freiland-Schweinen, dies trotz der Nähe zur deutschen Grenze, wo jenseits um vielfach billigeres Schweinefleisch auch Kunden aus der Schweiz anlockt. «Ja, der Preis war zu Beginn ein Thema unter den Kunden», erinnert er sich gut. Und ja, er habe auch Leute im Laden gehabt, welche kein Freiland-Schweinefleisch gekauft hätten. Inzwischen sei der Preis bei den Kunden kein Thema mehr, denn die Fleisch-Qualität stimme und die «Kilo + Gramm AG» bleibe dem Freiland-Schweinefleisch treu, versichert er.
Nein zu Rundbogen-Zelten
Urs Hartmann vom Massnahmenzentrum Kalchrain kennt an der ganzen Erfolgsgeschichte nur einen Wehrmuts-Tropfen. Für seine zwei Rundbogenzelte, welche den Schweinen als Schlaf-und Schattenplatz dienen, hat er leider nur eine befristete Baugenehmigung bis Ende 2020. Wie es weiter geht, weiss Urs Hartmann noch nicht.
Hartmann ist nicht allein mit diesen Sorgen. Niklaus Gisler ist Bewirtschafter des Gutsbetriebs Castell. Der Betrieb verfügt über 80 Hektaren Landwirtschaftsland und liegt idyllisch oberhalb der Gemeinde Tägerwilen auf einer Anhöhe des Thurgauer Seerückens.
Gisler plante wie Hartmann in die Freiland-Schweinemast einzusteigen und stellte ein Baugesuch für Rundbogenzelte. Jedoch das Amt für Raumentwicklung des Kantons Thurgau sagte dazu «Nein». Der Gutsbetrieb hat aktuell gegen diesen negativen Entscheid Einsprache erhoben.
Landschaftsschutz hat Vortritt
Das Amt für Raumentwicklung des Kantons Thurgau hat zum Baugesuch des Gutsbetriebs Castel, Rundbogen-Zelte für die Freiland-Schweinemast aufzustellen, folgenden Entscheid getroffen. «Zwei mobile Rundbogenzelte stehen an den vorgesehenen Standorten überwiegende Interessen des Landschaftsschutzes gegenüber», schrieb das Amt am 24. Februar 2020 an den Gutsbetrieb Castell. Ein Türchen bleibt offen. Kleine Hütten von 8 Quadratmeter, welche alle zwei Wochen auf der Parzelle weiter gestellt würden, könne man bewilligen, lässt das Departement Bau und Umwelt des Kantons Thurgau verlauten. Dies weil ein mobiler Witterungsschutz für Schweine unabdingbar sei.