Die Gründe, Schafe zu halten, haben sich über die Jahre hinweg gewandelt. Während die Tiere in früheren Zeiten gerade wegen ihrer wärmenden Wolle als Kleidungslieferant geschätzt wurden (siehe Kasten), hat sich deren Nutzung mittlerweile stark auf die Erzeugung von hochwertigen Nahrungsmitteln verlagert. Ein weiterer Verlagerungspunkt in der Schafhaltung ist die Landschaftspflege geworden.
Trugschluss: Wolle ist kein wertloses Nebenprodukt
Dadurch hat sich der Naturrohstoff Schafwolle zunächst zu einem Sorgenkind entwickelt, welches in der Schafhaltung oft als unrentables Nebenprodukt wahrgenommen wird. In einer von Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) in Auftrag gegebenen Evaluation zur Verwertung von inländischer Schafwolle wurde 2018 ebenfalls festgestellt, «dass die finanzielle Bedeutung der Schafwolle für Schafhalterinnen und Schafhalter vernachlässigbar ist». Trotzdem schreibt die Tierschutzverordnung gesetzlich vor, dass Schafe ein bis zweimal jährlich geschoren werden müssen. Wohin also mit all der Wolle?
Eigenschaften mit modernen Werten
Zunächst ist Schafwolle ein Rohstoff, der Eigenschaften aufweist, welche in der heutigen Zeit vom Konsumenten sehr geschätzt werden. Wolle ist ein erneuerbares Naturprodukt das biologisch abbaubar, energie-effizient und nachhaltig nutzbar ist. Zudem kann die Vermarktung regional erfolgen und somit das Handwerk einer Region repräsentieren.
Öko-Gedanke als Chance
Das wachsende ökologische Bewusstsein der Konsumenten erstreckt sich über den Lebensmittelbereich hinaus, und kann als Chance für die Lancierung von biologischen Schafwollprodukten genutzt werden, so schreibt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in einem Merkblatt. Auch das BLW empfiehlt, auf die verstärkte Erschliessung neuer Absatzwege, sowie auf eine bessere Ausschöpfung bereits bestehender Marktpotenziale abzuzielen.
Eine vielseitig verwertbare Faser
Schafwolle kann über die klassische Verwendung als Bekleidungs-Rohstoff hinaus, in einer Vielzahl von Bereichen zum Einsatz kommen. Das FiBL führt beispielsweise die Nutzung der Wolle in den folgenden Verwertungs-Formen an:
- Bettwaren: Zunächst wird die Wolle für die Produktion von Bettwaren gekardet. Dabei werden alle Fasern in die gleiche Richtung gekämmt. Das dabei entstehende Vlies wird in Form gebracht und mit einem Baumwollstoff überzogen. Daraus entstehen Duvets, Matratzenauflagen oder Kissen aus hiesiger Schafwolle.
- Dämm- und Isolationsmaterialien: Auch im Hausbau sind ökologische Alternativen zu klassischen Wohnraum-Dämmstoffen wie Styropor immer gefragter. Mit Mottenschutz behandelt, kann Schafwolle auch in diesem Bereich zum Einsatz kommen.
- Heimtextilien: Nebst der Verarbeitung zu Bettwaren, kann Schafwollvlies auch als Isolation für Kleidung genutzt, als Füllung für Polster hergenommen, oder zu Teppichen verarbeitet werden.
Im Gartenbau werden Schafwollmatten als Unkraut- oder Schneckenschutz verwendet. In Form von gefilzten Wollbahnen, rund ausgeschnittenem Wollvlies oder Baumschutzmanschetten kommt die Wolle als vielseitiges Pflanzenschutzelement zum Einsatz. Die Naturfaser hat die Fähigkeit Wasser zu speichern, ist lichtundurchlässig und bietet Jungpflanzen Schutz vor mechanischen Einwirkungen. Als Stickstofflieferant ist die Wolle im Garten ausserdem auch gut als Dünger zu gebrauchen (wir berichteten).
Wolle als Böschungsstütze
In einem Leitfaden zur Wertschöpfungskette für Schafwolle im Alpenraum wird zudem über die Nutzung von Schafwolle als Böschungsstabilisator berichtet. Demnach könnte der Rohstoff in Form von Seilen oder gitterartigen Geotextilien für die Errichtung und Erhaltung von Erd- Wasser- und Verkehrswegbau, sowie für die Sicherung instabiler Hänge, Skipisten und Ufer nützlich sein. Zu einem gitterartigen Teppich verwoben, werden die Seile grossflächig auf Böschungen verlegt. Durch ihre Wasserspeicherung ist es möglich, Wiesensamen einzuweben und somit Böschungen gleichzeitig zu begrünen.
Transparente Haltung hilft bei der Vermarktung
Bei der Vermarktung von Wollprodukten ist also innovatives Denken gefragt. Für Schafhalter, die ihre Wolle kreativ vermarkten möchten empfiehlt das FiBL die Qualität der Wolle durch sorgfältiges Vorsortieren zu steigern und die Zusammenarbeit mit Kleinverarbeitern aus der Region zu suchen. Weiterhin erhöht die Transparenz in der Haltung die Attraktivität für potenzielle Kunden.
Kundenkontakt zum Schaf
Bereitgestellte Informationen über den Betrieb und die Tiere erhöhen die Authentizität der Produkte. Vorteilhaft ist es auch, den Kontakt zwischen den Tieren und Kunden zu ermöglichen. Um Verkaufsorte zu erweitern, können beispielsweise neben den klassischen Verkaufswegen wie Hofläden oder Online-Handel auch Ausstellungen zum Thema Handwerk Kontakt zu potentiellen neuen Kunden ermöglichen.
Schafwolle als Bekleidung: Früher und Heute
Bereits seit dem Ende der Jungsteinzeit wird Schafwolle von Menschen zu Textilien verarbeitet. Zunächst wurde die Wolle mit Kämmen aus dem Fell gerupft, bevor die Schafe vor etwa 800 Jahren erstmals geschoren wurden. Durch das Rollen einzelner Fäden zwischen den Fingern entstand aus der Schurwolle ein ungleichmässiges Garn, das zu Textilien verwoben werden konnte. Echte Handarbeit also.
Mittlerweile ist die Verarbeitung der Schurwolle hochtechnologisiert. Der Südtiroler Bergsport-Ausrüster Salewa beispielsweise verarbeitet regionale Wolle des Tiroler Bergschafs zu Isolationsmaterial in Bergsportkleidung. Unter dem Motto «Von Bergsteigern, für Bergsteiger», wird die Wolle erst durch eine Sauerstoffbehandlung veredelt. Diese macht die Wolle waschbar, weich und geruchlos. Danach werden die Wollfasern mit recycelten Polyesterfasern vermischt um eine höhere Isolationswirkung zu erzielen. Diese hochspezialisierte und wärmende Fasermischung kommt zum Beispiel auch in der Kleidung von Tiroler Bergrettern zum Einsatz.