Grundsätzlich müssen heute sämtliche Einkünfte wie Löhne, Renten und Kapitaleinkommen (z.B. Zinsen, Dividenden und Erträge aus Vermietung) in vollem Umfang versteuert werden. Diese Einkommenssteuern dienen unter anderem dazu, Ungleichheiten bei der Verteilung der Einkommen innerhalb der Bevölkerung abzumildern. Die grösste Umverteilung findet in der Schweiz über die Sozialleistungen statt. Die Ausgaben für Sozialleistungen betrugen alleine im Jahr 2018 zirka 177 Milliarden Franken.
Alle, die ein Haus besitzen wären betroffen
Die Initiantinnen und Initianten (Jungsozialisten) erachten diese Umverteilung als ungenügend und fordern eine noch stärkere Besteuerung der hohen Kapitaleinkommen. Konkret soll jeder Franken oberhalb eines gewissen Schwellenbetrags (die Initiantinnen und Initianten sprechen von 100 000 Franken) anderthalbfach besteuert werden. Mit anderen Worten soll das «reichste» Prozent mehr bezahlen, so dass die anderen 99 % durch Umverteilung stärker profitieren können.
Bei einer genauen Betrachtung stellt man fest: Alle, die etwas Geld angelegt haben, eine Wohnung oder ein Haus besitzen oder auch einen Landwirtschaftsbetrieb führen, wären von der Initiative betroffen. Und das sind weit mehr als nur ein Prozent der Schweizerinnen und Schweizer. Die Initiative lässt nämlich viele Fragen offen und verweist auf die spätere Ausgestaltung im Gesetz. Unklar ist beispielsweise, was genau mit Kapitaleinkommen gemeint ist.
Es ist davon auszugehen, dass im Geschäftsvermögen alle Erträge aus Liegenschaften unter diese Kapitalerträge fallen, z.B. Erträge aus Photovoltaikanlagen, Biogasanlagen, Mieteinnahmen usw. Erträge also, die oft auf einem Landwirtschaftsbetrieb erwirtschaftet werden. Auch Liquidationsgewinne bei Betriebsveräusserungen würden kaum von der neuen Steuer verschont bleiben. Somit wären viele Betriebe in der Landwirtschaft im Steuersog der Initiative. Mit der Initiative wird zudem eine Hintertür für die Versteuerung von privaten Kapitalerträgen geöffnet und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis diese auch zur Umsetzung gelangt.
Schweiz steht gut da
Hinzu kommt, dass in der Schweiz die Einkommen vor Abzug der Steuern und Erhalt von Sozialleistungen (z.B. Renten oder Sozialhilfe) gleichmässiger verteilt sind als in den meisten anderen OECD-Ländern. Mit anderen Worten steht die Schweiz im internationalen Vergleich gut da und es besteht kein Handlungsbedarf.
Die Landwirtschaftskammer des Schweizer Bauernverbands hat daher die Nein-Parole gefasst und empfiehlt allen Bäuerinnen und Bauern, am 26. September 2021 ein Nein zur 99 %-Initiative in die Urne einzulegen.