Die Tafel beim Hoflädeli heisst die Kunden herzlich willkommen. Rahel Bieri (35) wirft einen Blick in den Verkaufsraum hinein und bemerkt, dass die Kühlfächer mit den Joghurts aufgefüllt werden müssen. Kurz verschwindet sie und kommt mit reichlich Nachschub aus dem Kühlraum zurück. «Am Donnerstagmorgen fülle ich jeweils das Joghurt in die 500-Gramm-Becher ab.» Die Woche der Bäuerin besteht aus zwei Teilen. Den Joghurt-Tagen, das sind Montag bis Donnerstag, und dem Freitag, da arbeitet sie in ihrem Erstberuf als Praxisassistentin. «Eigentlich hätte ich zu Hause genug zu tun. Aber es ist ein Ausgleich für mich, und ich treffe andere Leute.»

Besonders viel zu tun hattesie während des Corona-Lockdowns. «160 Liter Milch verarbeitete ich zu Joghurt. Mit meiner 40-Liter-Anlage bedeutete das vier Durchgänge pro Woche. Normalerweise reichen drei.» Dies ist auch der Grund, weshalb schon bald der Ausbau einerGarage zu einem grösseren Verarbeitungsraum ansteht. «Ich will 200 Liter Milch auf einmal verarbeiten können.»

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Hofnachfolge stimmt für alle

Rahel Bieri ist zusammen mit zwei Brüdern und einer Schwester auf dem Seehof in Seelmatten bei Turbenthal im Kanton Zürich aufgewachsen. «Wir konnten uns alle vorstellen, den Betrieb zu übernehmen», erzählt sie. Als Teenagerin distanzierte sie sich etwas von der Landwirtschaft: «Alle, die cool waren, waren keine Bauern», meint sie rückblickend, begleitet von einem herzhaften Lacher. Dass sie nun trotzdem die Chefin auf dem elterlichen Hof ist, hat folgenden Grund: «Silvio, mein Mann, ist zwar gelernter Käser. Er wollte jedoch von klein auf Bauer werden und hat deshalb die Zweitausbildung gemacht.» Als der Bruder, der eigentlich schon als Hofnachfolger zugesagt hatte, dann aus Liebe im Aargau blieb und den Hof seiner zukünftigen Frau übernehmen konnte, war der Fall für Rahel und Silvio Bieri klar. «Es war keine einfache Entscheidung für meinen Bruder. Aber so, wie es jetzt ist, stimmt es für alle.»[IMG 4]

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Weil der Hof ihrer Familie gehört, absolvierte Rahel Bieri die Bäuerinnenschule. «Ich wollte eine Ausbildung, mit der ich zum Bezug von Direktzahlungen berechtigt bin.» Da sie anfangs immer noch 80 Prozent als Praxisassistentin arbeitete, musste der Unterricht am Mittwoch, ihrem freien Tag, stattfinden.«Das ist der Grund, weshalb ich die Kurse im St. Gallischen und nicht am Strickhof besuchte.» Besonders gefallen in der Ausbildung hat ihr der Alpkäserkurs. Den besuchte sie wegen ihrer Abschlussarbeit. «Wir überlegten uns, die gesamte Milch vom Betrieb selber zu verkäsen. Leider waren die Kosten von rund einer halben Million für den Bau einer Käserei zu hoch, sodass wir das Projekt nicht umsetzten.» Da zum Zeitpunkt des Käserkurses das erste, von unterdessen drei Mädchen, auf der Welt war, wurden kurzerhand Familienferien aus der Schulwoche. «Ich käste und Silvio hat zu Aylin geschaut.»

Alles selber machen geht nicht

Den Traum von der eigenen Milchverarbeitung begruben Bieris dann doch nicht ganz. «Als unser Käser seinen Betrieb aufgab, stellte sein Nachfolger keine selbstgemachten Joghurts mehr her», erzählt Rahel Bieri. Kurzerhand probierte die junge Bäuerin das Joghurt machenaus. «Das kam leider nicht so gut.» Ihre Schwester animierte sie jedoch, es für den 1.-August-Brunch noch einmal zuwagen. Unterdessen bietet sie je nach Saison acht bis neuen verschiedene Joghurts an. «Das Erdbeer- und das Rhabarberaroma machen wir sogar selber. Letzteres aber nur im Frühling.»

Im vergangenen Jahr kauften Bieris 100 Kilogramm Erdbeeren bei einem Hof in der Region zu. «Zu meiner grossen Entlastung macht meine Schwiegermutter alles: vom Erdbeereinkauf bis zur Konservierung der Früchte. Ich muss nur noch die Rechnung bezahlen und dem Joghurt die Erdbeermasse zugeben.» Andere Aromen kauft sie zu. «Alles selber machen geht einfach nicht», erklärt sie. Das ist auch der Grund, weshalb im Hoflädeli viele der anderen Produkte zugekauft sind.

Traum vom eigenen Käse

Anfangs überlegte sich Rahel Bieri, ihr Joghurt in Gläsern zu verkaufen. «Bald war jedoch klar, das würde eine riesige Logistik bedeuten. Ein Lager für die Gläser und eine Abwascheinrichtung wären nötig gewesen.» Nun füllt sie das Joghurt in Plastikbecher ab. Für alle, die es doch etwas ökologischer wünschen, bietet sie eine Art Recycling-System an: «Die Kunden können ihre sauberen und beschrifteten Gläser bis am Montagabend bei uns abgeben und sie ab Donnerstagnachmittag hier im Hoflädeli im Kühlschrank selbstständig abholen.

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6000 Liter Milch vermarktete sie letztes Jahr als Joghurt. «Dabei haben wir nur wenig Werbung betrieben und waren zweimal auf dem Markt», meint sie stolz. Doch sie verarbeitet die Milch nicht nur, sondern hilft auch jeden Morgen und Abend aktiv im Stall mit. Sie füttert die Kälber und wenn ihr Mann verhindert ist, melkt sie sogar. Der Traum vom eigenen Käse geistert ihr immer noch im Kopf herum: ein Frischkäse oder ein Mutschli zum Bespiel. Wer weiss, vielleicht hat es ja im neuen Verarbeitungsraum Platz dafür.