Würenlingen Corinne Mühlebach mag den grossen Auftritt nicht. Sie überzeugt lieber mit gut begründeten Argumenten. Passt ihr etwas nicht, sucht sie nach Lösungen – auch bei diesem Porträt kann sie dem ursprünglichen Einstieg nichts abgewinnen. Er tue nichts zur Sache, sagte sie. Und sie hatte Recht – wie eigentlich immer, wenn sie sich lange genug mit einem Thema auseinandersetzt und etwas will, setzt sie sich durch. Hartnäckig, diplomatisch, unaufgeregt.
Persönliches gibt die Betriebswirtschafterin ungern Preis, zugänglich ist sie trotzdem – besonders dann, wenn es um Inhalte und Fakten geht. Und um Rahmenbedingungen, Strategien, Entwicklungsschritte und Strukturen.
Vater machte Vorwärts
2008 stieg Corinne Mühlebach zusammen mit ihrem Bruder als Minderheitsaktionärin in fünfter Generation in die familieneigene Mühle in Würenlingen ein. Die Mühle besteht seit dem 12. Jahrhundert, um 1350 wird sie erstmals erwähnt. Zweimal brannten die Gebäude nieder. Zweimal wurde der Betrieb wiederaufgebaut, zuletzt 1657. Im ältesten erhaltenen Gebäude von 1657 ist heute die Spezial- und Vollkornmühle untergebracht, im jüngsten Erweiterungsbau von 2010 die Getreideannahme. 2012 war es der Vater, der den Generationenwechsel vorantrieb. "Der grösste Schritt kam von ihm; mein Bruder und ich hatten es nicht eilig, die Mehrheit zu übernehmen. Als Minderheitsaktionär trägt man nicht die ganze Verantwortung." Mühlebach lacht. Dass die Übergabe schlussendlich so reibungslos verlief, hat sie selbst überrascht. Sie sagt, es waren die vorausschauende Planung und die klar definierten Meilensteine. Seither ist Corinne Mühlebach zusammen mit ihrem Bruder verantwortlich für den Geschäftsgang der Firma. Sie ist die Ältere von beiden, Betriebswirtschafterin mit Doktortitel, Absolventin der Müllereifachschule St. Gallen und nebenberuflich Dozentin an der Fachhochschule Nordwestschweiz.
CEO und Tochter
Unterwegs in der Mühle, erzählt Corinne Mühlebach, dass es manchmal schwierig sei, zwischen den verschiedenen Rollen zu wechseln – sie ist nicht nur CEO sondern eben auch die Tochter des Patrons und die Schwester des Co-Geschäftsführers. Dazwischen erklärt sie die Funktionsweise von Getreidereinigung, Walzenstühlen, Elevatoren und Plansichtern bis zur vollautomatischen Absack- und Palettieranlage und der Loseverladung.
Dass sie als Tochter, Schwester oder Co-Geschäftsführerin schwierige Entscheidungen treffen muss, ist naheliegend. Jeder, der in einem Familienbetrieb arbeitet und Mitspracherecht beansprucht, weiss, dass es Meinungsverschiedenheiten geben kann. Während dem Besuch ist das kein grosses Thema. Einerseits, weil Mühlebach mit Medienschaffenden umzugehen weiss. Andererseits auch deshalb, weil sie findet, dass Probleme lösbar sind. So ist es wenig überraschend, dass die Ausrichtung des Geschäfts klar formuliert ist: kein Aussendienst, kaum Werbeaktivitäten. Dafür Mehl ohne Zusatzstoffe und das Firmenversprechen: «Unser Mehl backt besser.»
Das Ende ist der Anfang
Dass dereinst eine Mühle das Auskommen von Mühlebachs sichern wird, war lange nicht klar.Bis 1960 waren auch Mühlebachs vor allem Landwirte. Die Kundenmühle lief nebenher – mehr war damals nicht möglich, der Bund regulierte den Getreidemarkt. Erst 1961 konnte aus der Kunden- eine Handelsmühle werden. Mittlerweile ist die Mühlebach-Mühle die einzige Schweizer Mühle, die einen Produktionsstandort in Südbaden (D) betreibt. Corinne Mühlebach und ihr Bruder sind die ersten in der Familiengeschichte, die nicht mehr direkt in der Landwirtschaft arbeiten – ihre Eltern sind noch auf Bauernhöfen aufgewachsen.
Die Landwirte nimmt Mühlebach dennoch als wichtige Partner wahr. "Schliesslich ist die Beschaffung ein strategischer Erfolgsfaktor." Wie sie sagt, entfallen 70 Prozent der gesamten Müllereikosten auf die Beschaffung. "Wir haben ein vitales Interesse daran, dass die Produzenten vom Anbau von Ackerkulturen gut leben können und dass sie Qualität produzieren." Dass gerade die grossen Kulturen wie Weizen oder Zuckerrüben unter Druck stehen, beobachtet Mühlebach deshalb mit Sorge.
Prioritäten setzen
Neben den Herausforderungen in der Beschaffung ist auch der Absatzmarkt anspruchsvoll: "Wir sind in einem gesättigten Markt tätig", sagt Corinne Mühlebach. Der Mehlabsatz stagniert, die Mühlen kämpfen vor allem gegen die billigen Teiglinge aus dem Ausland und haben bei den Preisen kaum Spielraum. An dieser Ausgangslage könnte man verzweifeln – oder man kann sie auch zum Anlass nehmen, das eigene Tun zu hinterfragen. Letzteres macht Mühlebach: "Wir müssen uns konsequent die Frage stellen, was wir machen – und was wir nicht machen. Wir sind in einem Markt, der uns zwingt, unsere Ressourcen zu konzentrieren", sagt sie im Gespräch. Sie erklärt, dass es keinen Sinn habe, alles machen zu wollen. "Wir müssen Prioritäten setzen".
Tierfutter-Produktion eingestellt
Auf die Frage, was die Mühlebach-Mühlen nicht mehr machen, antwortet Corinne Mühlebach ohne zu zögern: "Tierfutter". Der letzte Sack verliess die Mühle 2007 – sowohl in Deutschland wie in der Schweiz konzentrieren sich Mühlebachs auf Getreideerfassung und Mehlherstellung. "Auch die Aufgabe der Landwirtschaft war 1970 ein strategischer Entscheid", ebenso die Entscheidung, keine Backmischungen herzustellen. "Wir vermahlen das Getreide und liefern gute Mehlqualität. Es bleibt die Kernkompetenz des Bäckers, mit Salz, Hefe, Wasser und unserem Mehl ein gutes Brot zu machen", sagt Mühlebach. Die Konkurrenz ist hart. Der Preiskampf intensiv, die Zahl der Bäcker abnehmend. Gleichzeitig entstehen neue Segmente. Corinne Mühlebach beobachtet, dass gerade Hofbäckereien erfolgreich unterwegs sind und Lücken im Angebot schliessen können.
Dass der Handel das Angebot im Brotregal immer stärker segmentiert, wird sich ihrer Meinung nach noch stärker auf die Produktion auswirken. Dass Weizen alleine als Massengut gehandelt wird, "stimmt in dieser Pauschalität heute nicht mehr", sagt Mühlebach. Sie sieht darin weniger eine Bedrohung als eine Chance, die Zusammenarbeit mit den Produzenten zu intensivieren. Es überrascht deshalb nicht, dass die Mühlebach- Mühle schon zu den Pionieren der Qualitätsbezahlung gehörte. "Unser Ziel ist es, die Qualitätsanforderungen der Verarbeiter bereits auf dem Feld zu verankern und umzusetzen", sagt Mühlebach. Der Schlüssel dazu: die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft.