Nein, Dina Gafner ist nicht auf einem Bauernhof aufgewachsen. Und sie hat auch keinen Freund, mit dem sie einen Hof bewirtschaften könnte. Trotzdem ist die Bankfachfrau ganz begeistert vom Lehrgang Bäuerin 2018–20 am Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg.
Komfortzone verlassen
Altweibersommer – ein Tag, wie man ihn sich nicht schöner wünschen könnte. Dina Gafner (33) sitzt entspannt in der «Gartenwirtschaft» vor dem Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg. Obwohl oder gerade weil ihr Beruf als diplomierte Betriebswirtschafterin HF wenig mit dem Alltag einer Bäuerin zu tun hat, hat sie sich vor einem Jahr entschlossen, den berufsbegleitenden Fachkurs Bäuerin zu absolvieren. Anders als bei der höheren Fachausbildung, die sie neben ihrem Vollzeitjob bei der Raiffeisenbank absolvierte, hat sie diesmal ihre berufliche Tätigkeit auf 80 Prozent reduziert. Die Arbeit als Leiterin eines kleinen Teams mache ihr Freude, erzählt sie. Doch die Tätigkeit sei kopflastig und mit den Jahren zur Routine geworden. «Irgendwann hatte ich das Gefühl, ich müsste aus der Komfortzone raus und etwas ausprobieren, das neben dem Kopf auch Herz und Hand fordert.»
Kindheitstraum Bäuerin
Dass die vielseitig interessierte Frau diesen Lehrgang besucht, hat eine Vorgeschichte: «Als Kind wollte ich Bäuerin werden. Als es um die Berufswahl ging, wählte ich dann doch den klassischen Weg und absolvierte eine Lehre im kaufmännischen Bereich. Ohne bäuerlichen Hintergrund fehlte mir damals der Mut, mich für den Wunschberuf zu entscheiden.» Fremd ist ihr diese Sparte nicht. Weil sie unbedingt reiten wollte, verbrachte sie bereits als Siebenjährige viel Zeit auf einem Bauernhof mit Pferdehaltung. Zusammen mit ihrer besten Freundin striegelte sie die Vierbeiner und putzte den Stall. Später übernahmen die Mädchen, zusammen mit der Altbäuerin, die Verantwortung für die Pferde, wenn die Chefs abwesend waren.
«Ohne bäuerlichen Hintergrund hat mir der Mut gefehlt.»
Dina Gafner, Bäuerin in Ausbildung
Leidenschaft Reiten
Hat Dina Gafner sich für etwas entschieden, dann engagiert sie sich voll und ganz. Das zeigt nicht nur ihr beruflicher Werdegang, sondern auch ihre Freizeitgestaltung. Zwar liesse sich ein eigenes Pferd nicht gut mit der Arbeit und der anderen Leidenschaft, dem Reisen, vereinbaren. Doch sie ist jede Woche in den beiden Reitställen anzutreffen, bei denen sie eine Reitbeteiligung hat. Und da sie auch fasziniert ist von fremden Ländern und Kulturen, ergibt sich bei ihren Reisen oft die Gelegenheit, Land und Leute auf dem Pferderücken zu erkunden.
Ausbildung als Lebensschule
Obwohl sie ein ruhiger Typ sei und gut allein sein könne, habe sie sich im Team ihrer Kurskolleginnen rasch wohlgefühlt. «Wir sind eine verschworene Gesellschaft. Die Jüngste ist etwas über zwanzig Jahre alt, die älteste Mitte vierzig. Spannend, was da an Lebensgeschichten und Berufen versammelt ist», staunt die Betriebswirtschafterin. Vom breit gefächerten bäuerlichen Fachkurs habe sie schon viel profitiert, bestätigt sie. Und: «Wenn ich hier bin, ist der Büroalltag weit weg.» Weil sie auch gern kocht, bäckt und gärtnert, hat ihr das Modul Produkteverarbeitung bisher am besten gefallen.
«Ich wollte etwas probieren, das neben Kopf auch Herz und Hand fordert.»
Dina Gafner zu ihrem Entscheid, die Ausbildung zu absolvieren
Natürlich Pferdehaltung
Ihr Wissen hat sie jeweils mit der Ernte aus Vaters Garten in die Praxis umgesetzt. Da sie vor Kurzem eine Parterrewohnung bezogen hat, kann sie im nächsten Jahr vielleicht Gemüse aus dem eigenen Garten verarbeiten. Bei den Wahlfächern hat sie sich – wen wunderts – für Pferdezucht und -haltung entschieden.
Obwohl sie alle Module belegt und die bisherigen erfolgreich abgeschlossen hat, kann sie die Berufsprüfung wegen fehlender bäuerlicher Praxis nicht mit dem Fachausweis abschliessen. Doch die Prüfungen sind sechs Jahre gültig. In dieser Zeit kann sich noch einiges ändern. Die Arbeitskollegen von der Bank sehen sie jedenfalls schon als Expertin für Bankgeschäfte in landwirtschaftliche Angelegenheiten. Persönlich will sie das zweite Jahr für eine Standortbestimmung nutzen: «Mal sehen, wie es weiter geht, ich bin offen für alles. Wer mutig ist, kann alle Ziele erreichen.»
Fachkurs Bäuerin am LZ Liebegg
Die berufsbegleitende zweijährige Ausbildung zur Bäuerin mit Fachausweis richtet sich an Frauen (und Männer) im landwirtschaftlichen Umfeld mit Interesse an der Ausbildung und am Abschluss Bäuerin mit Fachausweis. Der Fachkurs steht auch Menschen aus nichtbäuerlichen Kreisen offen, die sich persönlich weiterbilden möchten. Praxisnahe Unterrichtseinheiten fördern selbstständiges und verantwortungsbewusstes Handeln in Betrieb und Familie. Der Stoff wird in spezifischen Modulen vermittelt. Das erste Bildungsjahr ist dem Thema «Haushalt und Garten» mit den Modulen Reinigungstechnik und Textilpflege, Gartenbau, Ernährung und Verpflegung, Produkteverarbeitung gewidmet. Das zweite Bildungsjahr befasst sich mit «Familie und Betrieb/Management» mit den Modulen Haushaltführung, Familie und Gesellschaft, Landwirtschaftliches Recht, Landwirtschaftliche Buchhaltung, Landwirtschaftliche Betriebslehre. Dazu kommen Wahlmodule nach persönlichen und betrieblichen Bedürfnissen.
Der nächste berufsbegleitende Kurs an der Liebegg beginnt am 13. August 2020. Information und Unterlagen: LZ Liebegg, Tel. 062 855 86 82; www.liebegg.ch. Anmeldeschluss: 30. April 2020.
Modulbeschriebe und Infos: www.landfrauen.ch (Bildung)