Worauf ist bei der Fütterung von Ziegen und Auen in den letzten beiden Trächtigkeitsmonaten besonders zu achten?
Bernhard Bütikofer: Im letzten Trächtigkeitsdrittel wächst der Fötus sehr stark, was den Nährstoffbedarf des Muttertieres deutlich erhöht. Durch das Fötenwachstum sinkt aber gleichzeitig das Pansenvolumen und damit der Futterverzehr. Um den Bedarf decken zu können, muss also die Nährstoffkonzentration in der Ration erhöht werden. Das heisst, hochträchtige Tiere müssen «gut» gefüttert werden.
Kann der Nährstoff- und Energiebedarf nur mit Raufutter gedeckt werden?
Grundsätzlich hängt das von der Rasse, dem Grundfutterangebot und der Anzahl Lämmer bzw. der erwarteten Leistung ab. Speziell bei Muttertieren mit Zwillingen oder bei Milchziegen und -schafen ist es aber in jedem Fall eine Herausforderung, da beispielsweise eine Energiedichte von rund 6,5 MJ NEL pro kg TS nötig ist.
Liefert die Ration zu wenig Energie und Eiweiss steigt das Risiko für untergewichtige, lebensschwache Lämmer, Stoffwechselprobleme der Aue bzw. Ziege und Minderleistungen. Deshalb ist oftmals schon im fünften Trächtigkeitsmonat eine Kraftfutterergänzung sinnvoll.
Auen und Geissen haben in den letzten beiden Trächtigkeitsmonaten einen hohen Energiebedarf. Welche Fütterungsempfehlungen geben Sie bezüglich Getreideergänzung und Kraftfutter ab?
Bei kleinen Wiederkäuern haben sich flockierte Futter gegenüber normalen Getreidemischungen sehr bewährt. Durch die thermische Behandlung wird die Stärke langsamer abgebaut, so ist die Energie längerfristig und besser verfügbar und die Gefahr einer Pansenazidose ist geringer. Ausserdem werden Flockenfutter gerne gefressen.
Um eine Pansenübersäuerung zu vermeiden, sollte pro Gabe nicht mehr als 250 bis 300 Gramm Kraftfutter gefüttert werden. Wichtig ist, dass das Kraftfutterfutter einerseits zur Grundration und andererseits zur Laktationsphase passt. Bei Schafen ist ausserdem darauf zu achten, dass nur Futter mit reduziertem Kupfergehalt eingesetzt werden. Auf der Etikette sollte explizit stehen, dass das Futter für Schafe geeignet ist.
Welches sind die häufigsten Fehler bei der Fütterung von Ziegen und Auen in den letzten beiden Trächtigkeitsmonaten?
Speziell in den letzten vier bis sechs Wochen vor dem Ablammen müssen Schafe und Ziegen gut gefüttert werden. Das heisst, einwandfreies Grundfutter und allenfalls noch eine angepasste Kraftfutterergänzung. Dem ist man sich oft zu wenig bewusst.
Auch eine gute Mineralstoffversorgung ist in dieser Phase zentral. Durch eine ungenügende Versorgung des trächtigen Muttertieres können Lämmer und Gitzis bereits mit einem Mangel zur Welt kommen
Wie oft sind Sie mit dem Problem der Trächtigkeitstoxikose konfrontiert?
Bei Schafen tritt die typische Trächtigkeitstoxikose vor dem Ablammen immer wieder auf –speziell bei Mehrlingsträchtigkeit. Bei Ziegen dagegen kennt man dieses Problem vor allem in der Startphase bei hohen Milchleistungen, vergleichbar mit der Ketose bei Milchkühen.
Welche anderen «fütterungsbasierten» Krankheiten sind verbreitet?
Typisch sind Fruchtbarkeits- oder Klauenprobleme durch Mineralstoffmangel. Mit einem Mineralfutter bekommt man diese Probleme aber oft in den Griff. Werden Leckschalen eingesetzt, sollte der Verzehr kontrolliert werden.
Weiter zählt die clostridienbedingte Breiniere zu den typischen Fütterungskrankheiten. Ihr stehen oft Fütterungsfehler wie Fallobst auf der Weide oder zu hohe Kraftfuttergaben zugrunde. Auch Stress begünstigt die Krankheit.
Was ist beim Mineralfutter zu beachten? Welche Mengen- und Spurenelemente sind in dieser Phase essentiell? Wieso?
Wichtig ist, dass man bei der Wahl des Mineralfutters zwischen Ziegen und Schafen unterscheidet. Schafe brauchen ein Mineralfutter mit stark reduziertem Kupfer-Gehalt. Ziegen dagegen haben einen normalen Kupfer-Bedarf. Bei ihnen kann der Einsatz eines Schafmineralfutters zu Kupfermangel führen. Weiter muss man regionale Gegebenheiten berücksichtig. So sind weite Teile der Schweiz Selen-arm und in einigen Gebieten, z.B. im Grossen Moos im Berner Seeland, ist selbst bei Schafen Kupfermangel möglich. Gerade von diesen zwei Spurenelementen treten immer wieder Fälle von Mangel-Erkrankungen bei Jungtieren auf. Solche Probleme haben ihren Ursprung bereits in einer ungenügenden Versorgung der Muttertiere. Entsprechend wichtig ist das Mineralfutter in der Hochträchtigkeit. Es beeinflusst zudem die Biestmilchqualität, was sich ebenfalls auf die Gesundheit der Lämmer und Gitzis auswirkt.
Aber auch für die Auen und Ziegen selber ist ein gutes Mineralfutter wichtig, denn praktisch alle Körperfunktionen rund um die Fruchtbarkeit werden von zahlreichen verschiedenen Mineralstoffen und Spurenelementen gesteuert. Mit einer guten Versorgung in der Hochträchtigkeit legt man also bereits den Grundstein für eine erfolgreiche nächste Trächtigkeit.
Was ist bei der Versorgung der frisch geborenen Lämmer zu beachten?
Das A und O ist die Biestmilchgabe. Hier kann man sich an der 3-Q-Regel orientieren: Quickly, Quality und Quantity. Lämmer und Gitzis sollten nach der Geburt so schnell wie möglich viel und gute Biestmilch aufnehmen. Dies, weil sie ohne eigenen Infektionsschutz zur Welt kommen. Die passive Immunisierung durch die Biestmilch überbrückt die heikle Zeit, bis die Neugeborenen eine eigene Abwehr aufgebaut haben. Wichtig ist, dass neugeborene Gitzis und Lämmer schon in den ersten zwei Stunden 360 bis 420 Milliliter Biestmilch und im Verlauf der folgenden zehn Stunden nochmals die gleiche Menge aufnehmen können. Verspätete oder ungenügende Biestmilchgaben erhöhen die Krankheitsanfälligkeit der Jungtiere erheblich.
Werden Jungtiere mit Kübel oder am Automat getränkt, empfehlen sich in den ersten Lebenswochen spezielle Tränkezusätze zur Spurenelementversorgung und zur Förderung der Verdauung. Sie tragen zu einem guten Start bei und können auf Betrieben mit Durchfallproblemen eine wertvolle Unterstützung sein.