Nadine und Robi Perren holen die Journalistin der BauernZeitung am Bahnhof in Zermatt ab. Statt mit der Gondelbahn auf 1900 m ü. M. zu schweben, darf sie in einem «Höllengefährt» Platz nehmen. Es ist ein lärmiges Allrad-Nutz- und Transportfahrzeug, das in der Fahrerkabine drei Personen Platz bietet. Beim Einsteigen fällt zuerst die solide Stange vor den Beifahrersitzen auf. Wozu denn das? Im Fahrzeug gibt es ja Sicherheitsgurte.
Der Sinn der Haltestange
Die Fahrt beginnt gemütlich durchs Dorf. Allerdings findet man, der Zusatz «autofrei» sei übertrieben. Es wird viel gebaut, was neben den einheimischen Spezialfahrzeugen viele «normale» Lastwagen und Baustellenfahrzeuge auf die engen Strassen bringt. Beim Kreuzen mit Blick rechts den Hang hinunter greift man das erste Mal erschreckt zur Haltestange. Es geht weiter, den Berg hinauf.
Plötzlich sitzt man nicht mehr, sondern liegt im Sitz. Vor sich im Blick den blauen Himmel. Starten wir zu einer Mondfahrt in einer Rakete? Bevor der Gedanke zu Ende gedacht ist, steht man aufrecht im Fahrzeug. Perrens geniessen die Reaktionen ihrer Unterländer Mitfahrerin, lachen laut. Diese lacht auch, aber aus Verlegenheit und überlegt sich, ob ihre letzte Stunde angebrochen sei.
Religionslos aufgewachsen
Einmal im Weiler Furi angelangt, sieht es so aus, als ginge das Leben weiter. Nadine und Robi Perren geben Einblick in ihr vielseitiges Leben. Da ist das Restaurant «Les Marmottes» (geöffnet vom 1. Dezember bis 30. April) mit Gästezimmern, Ferienappartements und einem Massenlager. Im Jahre 2005 öffnete der gelernte Koch Robi Perren das Restaurant. Eines Abends im 2008 sass an Tisch 8 eine junge Frau. Der Wirt ging in die Küche und sagte zu seinem Kollegen: «Schau dir die Frau an am Tisch 8, das wäre eine zum Heiraten.»
Die Frau war Nadine, aus Deutschland, ausgebildete Musikerzieherin für Kinder zwischen vier Monaten und vier Jahren. Ihre Mutter lebte schon länger im Wallis, die Tochter besuchte sie hin und wieder und arbeitete aushilfsweise als Nanny. Nachdem sie Robi Perren getroffen hatte, fuhr sie nach Hause, gab ihre Wohnung und ihr ehemaliges Leben auf und zog in die Schweiz. Bevor die beiden 2009 heirateten, liess sich Nadine Perren taufen. «Es war die erste Erwachsenentaufe in Zermatt», erzählt sie, «Götti war der Pfarrer». Nadine gibt Einblick in ihre Kindheit und Jugend in der DDR, wo sie in einer religionslosen Umgebung aufwuchs.
Von der Landwirtschaft leben
Dem Paar wurden zwei Kinder geschenkt: Jean-Marie (13) und Lucienne (11). Je länger sie zusammen sind, umso mehr spüren sie, dass es ein Leben geben muss neben dem arbeitsintensiven Engagement in der Gastronomie und Hotellerie. «Nachdem wir geheiratet hatten, waren wir acht Jahre nie in den Ferien», hält Robi Perren fest.
Immer stärker fühlen sie, dass ihrer beiden Herzen für die Landwirtschaft schlagen. Das «Wir» ist für sie wichtig, weil in ihrem Zweierteam jedes die Arbeit des anderen übernehmen kann. Im Hinblick auf ihren Traum, eines Tages von der Landwirtschaft zu leben, bauten sie 2017 einen neuen grossen Stall. Zurzeit wird er belegt von 130 Schwarznasenschaf-Muttertieren und 20 Saanenziegen.
[IMG 2]
Garten auf 1900 m ü. M.
Kürzlich übernahmen sie das von Robi Perrens Vater erbaute Haus. Im Erdgeschoss, wo sich zurzeit die Schreinerei befindet, könnte eine Käserei oder Hofmetzgerei und im Gebäude nebenan der Hofladen eingerichtet werden. «Wir haben Träume», lächelt Nadine Perren, «ob sie sich erfüllen, steht in den Sternen.»
Angesichts der Zukunftspläne legte Nadine einen grossen Kräuter-, Beeren-, Gemüse- und Blumengarten an. Sie staune, was auf dieser Höhe alles reichlich gedeihe. Sie sei am Lernen und Ausprobieren, denn so vieles sei immer noch neu für sie. Sie folgt Aus- und Weiterbildungen am Landwirtschaftszentrum Visp. Eben absolvierte sie den Kurs für die Herstellung von Schaf- und Ziegenkäse.
Probleme mit Giftpflanzen
Grosse Sorge bereitet ihnen seit einiger Zeit der hochgiftige Weisse Germer, auch Weisser Nieswurz genannt, der sich ungehemmt ausbreitet. Deren Verzehr sei für Lämmer letal. Sie machen mit bei einem Projekt, das die Ausbreitung der Pflanzen durch gezielte Bewirtschaftungsmassnahmen zurückdrängen soll. Auch auf die Herbstzeitlosen sind Perrens nicht gut zu sprechen. «Eine ausdauernde Giftpflanze, welche sich auch bei uns immer mehr ausbreitet und zur Gefahr wird», erklärt Robi Perren.
Nadine lächelt: «Wir haben zwar noch keine Probleme mit dem Wolf, aber diese Giftpflanzen machen uns das Leben schwer und beeinträchtigen unser Lebenswerk.» Trotz allem sind sie überzeugt vom Leben in ihrem Weiler, denn die Sicherheit ihrer Kinder sei viel wert. Und Nadine sagt überzeugt: «Hier habe ich meine Heimat gefunden.»
Betriebsspiegel Les Marmottes
Name: Robi und Nadine Perren
Ort: Furi-Zermatt VS
Arbeitskräfte: Vom 1. Dezember bis 30. April acht Angestellte in Küche und Restaurant, für Gästezimmer, Ferienwohnungen, Massenlager.
Ackerfläche: 20 ha, Bergzone V, 1900 m ü. M.
Viehbestand: 130 Schwarznasenschafe, 20 Saanenziegen, 40 Hühner.
Garten: Kräuter, Gemüse, Blumen; Brot und Kuchen aus eigener Backstube.
Jagd: Fleisch wird im Restaurant serviert; kein Zukauf von Wild.
Traum: «Wir hoffen, eines Tages von der Landwirtschaft leben zu können.»