«Ich habe zweimal beruflich Glück gehabt», erzählt Erika Rickenbacher-Geissbühler fröhlich. «Zweimal habe ich Berufungen gefunden, denen ich noch jahrelang nachgehen kann, wenn es die Gesundheit erlaubt.» Sie wollte als Bauerntochter nur eines: Bäuerin werden. Aber ihre Mutter riet ihr davon ab, sie war selbst Bäuerin mit Leib und Seele auf einem Hof im Solothurnischen Bezirk Gösgen. Weil der Betrieb nicht mehr genug hergab für drei Familien, mussten Geissbühlers aufgeben.

«Ich absolvierte die dreijährige Ausbildung als Koch», erzählt Erika Rickenbacher. «Nicht Köchin», präzisiert sie, das sei nämlich eine Lehre, die zwei Jahre dauerte. «Weil ich ein Töff-verrückter Teenager war, durchlief ich die Ausbildung im ‹Isebähnli› Trimbach. Das ist in der Motorradwelt ein Begriff. Seit über 50 Jahren finden dort donnerstags Europas grösste Treffen statt.»

Die Scheidung war ein mittlerer Skandal

Erika Rickenbacher heiratete ins Baselbiet, nach Zeglingen auf einen Bauernhof, und gebar zwei Söhne. Im Dorf lebte auch Rolf Rickenbacher mit seiner Familie. Bald bemerkten Erika und Rolf, dass sie beide angefressene Viehzüchter sind. Aus dem beruflichen Interesse entwickelte sich eine heimliche Liebesgeschichte.

«Wir waren für einander geschaffen.»

Erika Rickenbacher über die Begegnung mit ihrem zweiten Mann.

Rolf Rickenbacher hat auch zwei Kinder. Die Liebenden kamen überein, sie würden bei ihren Partnern bleiben, bis alle Kinder aus der Schule wären. «Aber daraus wurde nichts», sagt Erika Rickenbacher, «denn wir spürten, dass wir füreinander geschaffen sind und nicht Jahre warten wollten, um zusammenzuziehen.» Die Scheidung war zu jener Zeit ein mittlerer Skandal. Die Bäuerin zog 1994 mit ihren Buben Adrian und Lorenz zu ihrem Liebsten auf den Hof; dessen Kinder Sonja und Simon blieben bei ihrer Mutter. 1997 heiratete das Paar.

An jedem Viehanlass dabei

Rickenbachers gingen auf in ihrem Hobby, der Viehzucht. Keine Viehschau, keine Auktion in der Region, wo sie nicht dabei waren. Auch die Söhne liessen sich als Landwirte ausbilden. Die Bäuerin und ihr Mann freuen sich ebenfalls an Gärten und Gartenanlagen. Das Sprichwort des französischen Zisterzienser-Abtes und Theologen Bernard von Clairvaux (1091–1153): «Halte aber das Paradies der inneren Wonne nicht für einen körperlichen Ort. Diesen Garten betritt man nicht mit den Füssen, sondern man begeht ihn mit dem Herzen», habe sie beim ersten Lesen gefangengenommen. 2001 gründete das Paar «Rickenbachers Gartenteam». Die Idee dahinter war, im Winter Bäume und Sträucher zu schneiden, weil sie von der Landwirtschaft allein nicht leben konnten. Die Aufträge nahmen stetig zu. Nachdem sie 2014 den Hof an die Nachkommen übergeben hatten, stiegen sie 2016 ganz ins Gartengeschäft ein.

«Es fiel uns nicht leicht, die Viehzucht aufzugeben», gibt Erika Rickenbacher zu, «aber im Nachhinein war es das Richtige». Ihr berufliches und privates Leben sei freier geworden, weil sie die Arbeitszeit nicht mehr dem Lebensrhythmus der Tiere anpassen müssten. Von der Landwirtschaft her hätten sie gute Vorkenntnisse mitgebracht für die neue Tätigkeit im Gartenbereich. Zudem besuchten sie Weiterbildungskurse und stockten ihre Bibliothek mit Fachbüchern auf, die nicht als Dekoration dienen.

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Z Alp und doch daheim

2003 übernahmen Erika und Ralf Rickenbacher die Aufgabe des Alphirts der Weidgenossenschaft Zeglingen. Die 32 Hektaren grosse Alp liegt ein paar Minuten oberhalb ihres Daheims und ist mit dem Auto erreichbar. Rickenbachers gehen zwar des Sommers z Alp, aber wohnen trotzdem zu Hause.

Rolf ist zuständig für das Mähen der Weg- und Waldränder und die Wasserversorgung. Erika betreut die 50 Rinder und zwölf Mutterkühe. Mindestens einmal täglich begibt sie sich zu den Tieren. Der Kontrollgang dauert nicht immer gleich lang. Je nachdem, wie lange das Vieh gestreichelt werden will oder ob es anhänglich ist, dauert der Besuch bei den Tieren länger oder kürzer. «Meine Mädels» nennt die Hirtin die ihr Anvertrauten und ruft alle mit Namen. Schaut man ihr zu, wie sie sich in der Herde bewegt, ist offensichtlich: Die mögen sich alle.

Zwei Bänkli und ein Lebensbaum

Auf der Meiernweid, das ist ein Ort auf der Zeglinger Alp, haben Rickenbachers zwei Bänke aufgestellt und ihren Lebensbaum gepflanzt. Von dort sieht man auf die Gemeinden Zeglingen, Kilchberg und Rünenberg inklusive Hügelzug. Sie sitze oft dort, verrät Erika Rickenbacher, «auch mit Rolf». Das Bild zeige das Oberbaselbiet in seiner reinsten Form.

Es sei zum Weinen schön. Das Strässchen, das vorbeiführt, ist nicht für den allgemeinen Verkehr offen. Es würden Wanderer vorbeikommen und sich an diesem aussergewöhnlichen Fleck ausruhen. Deshalb kreierte Erika Rickenbacher ein «Bänklibuech». Ihr Mann habe sie ausgelacht: «Da schreibt doch kein Mensch hinein!» Er hatte Unrecht: «Ich bin erstaunt, wie viele sich dort verewigen», freut sich die Bäuerin, «und auf welch philosophische Gedanken Passanten angesichts dieser Weitsicht kommen».