"Das der Biobeerenanbau so anspruchsvoll würde, hätten wir uns vor fünf Jahren kaum vorgestellt", meint Simon Räss, während er interessierte Beerenproduzenten an einem Fachanlass über seinen Hof führt. Auf 15 Hektaren baut der Betrieb Tafelbeeren an und auf weiteren 15 Hektaren Verarbeitungsbeeren. Darunter sind klassische Beeren wie Erdbeeren, Himbeeren oder Brombeeren, aber auch aussergewöhnliche wie Goji-Beeren, Sanddorn oder Felsenbirnen. Die Beerensträucher stehen in Reih und Glied, zum Teil auch unter Witterungsschutz in der warmen Abendsonne. Die Familie Räss ist heute zufrieden, mit dem was sie in den letzten Jahren erreicht haben.
Qual der Kulturenwahl
Die Anfangsjahre waren aber sehr turbulent und die Herausforderungen beim Aufbau des Unternehmens breit gefächert, wie der junge Beerenproduzent vor ein paar Dutzend Beerenproduzenten erklärt. Eine zentrale Frage war die Kulturenwahl: "Welche Beeren eignen sich?". Es stellte sich heraus, dass die herkömmlichen Kulturen - Himbeeren, Brombeeren und Heidelbeeren - nicht zu unterschätzen sind. "Denn sie sind besonders gefragt auf dem Markt", weiss Räss.
Innerhalb der Kulturen mussten zudem die Sorten ausgewählt werden, was sich nicht als leicht erwies. Etwa bei den roten Stachelbeeren: "Bei diesen Beeren können wir nicht mit den konventionellen Angeboten arbeiten, da der Pilzdruck zu stark ist", so Räss. Um bessere Sorten zu entwickeln, widmete sich der Betrieb daher in Sortengärten der Zucht. Das Ziel ist es, robustere Sorten zu schaffen. Der Nachteil solcher Sorten kann dann jedoch ein geringerer Ertrag sein.
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Läuse machen Mühe
"Auch Pflanzenschutz und Düngung sind Herausforderungen", sagt Simon Räss, während er unter einem Folientunnel die Brombeeren präsentiert: "Dieses Jahr haben wir grosse Probleme mit Läusen". Das sei schweizweit ein Problem und auch von befreundeten Betrieben aus Deutschland habe man von Läuseplagen vernommen. Bei Räss versucht man vor allem mit Marienkäfer gegen die Läuse vorzugehen. "Oft lohnt es sich, abzuwarten. Nach zwei drei Wochen, sind die Nützlinge parat", erklärt der Agronome.
Unter dem Folientunnel könne man gut mit Nützlingen arbeiten, welche die Schädlinge bekämpfen, bestätigt auch Andreas Häseli vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). "Wenn erst wenige Schädlinge vorhanden sind, können Nützlinge deren Zunahme erfolgreich begrenzen", so der Experte für Nutzpflanzenwissenschaften. Die Nützlinge profitieren wie die Kulturen von den günstigen Bedingungen im Tunnel. Falls die Schädlinge bereits Überhand genommen haben, könne man etwa Seifenprodukte zur Bekämpfung einsetzen.
Pflanzen aus dem Kühler
Als schnell wirksame Düngungskomponente setzt der Betrieb Räss auf Presswasser - der flüssige Teil aus der Biogasanlage. Gespritzt wird nicht flächendeckend, sondern gezielt auf die Kulturen. Danach wird gehackt. "Gülle mag ich nur bei den Freilandkulturen", so der Beerenproduzent Räss. Gerade Terminkulturen seien zu Beginn auf rasch wirksame Nährstoffe angewiesen, ergänzt Häseli. Terminkulturen werden im Himbeeren-Anbau als sogenannte "Long cane"-Pflanzen im Vorjahr von den Vermehrungsproduzenten mit zwei Ruten auf ungefähr 1,8 Meter grossgezogen, danach im Frigo überwintert und schliesslich auf den Produktions-Betrieben acht bis neun Wochen vor dem geplanten Erntebeginn gepflanzt. Solche Terminkulturen werden auf dem Hof von Räss grossflächig angebaut.
Die Beeren verkauft der Betrieb zum grössten Teil über den Detailhandel. Die Verhandlungen mit den grossen Playern sei kein Problem, so Räss. Finanzielle Knackpunkte habe es eher bei den Investitionen gegeben. Dabei kam es zu unerwarteten Kosten: "Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass wir mal eine Kantine brauchen". Die rund 80 saisonalen Mitarbeiter müssten aber während der Hochsaison versorgt werden.
Erste Kulturen im Vollertrag
"Trotz aller Hürden, hat sich die Umstellung gelohnt", freut sich Simon Räss: "Wir haben dieses Jahr die ersten Kulturen im Vollertrag". Der Vater Hans Räss betrieb früher Milchwirtschaft und hatte einen kleinen Rebberg. Mitte der 90er-Jahre spezialisierte er sich auf die Produktion von Kartoffeln. Hans Räss interessierte sich schon immer für Nischenprodukte: "Ich bin sicher, dass die Nachfrage nach den gesunden Beeren in Zukunft nicht kleiner wird", meint er.
Auch mit Bio sei man gut aufgestellt. "Die Kundschaft, welche Wildbeeren-Produkte kauft, hat oft auch den Anspruch, dass es Bio ist", stellt Hans Räss fest. "Die Sicherheit ist für uns zentral", so Vater Räss in einem kurzen Vortrag am Anlass. Beim Betrieb ist die ganze Familie mit den zwei Söhnen Simon und Christoph und der Tochter Irene involviert. Auch die Partnerinnen der Söhne sind beim Projekt mit dabei. Dazu sind 25-30 Festangestellte satt zu bekommen.
Grössenziele bald erreicht
Ambitionen, viel grösser zu werden hat die Familie nicht. "Der grösste Teil der Flächenziele haben wir erreicht", meint Simon Räss. Himbeeren, Brombeeren und Heidelbeeren sind Kulturen, welche die Familie noch ausbauen möchte. In kleinen Schalen stehen genau diese Beeren für die Teilnehmer des Events zum Probieren bereit. Sie schmecken süss und machen süchtig. Dies ist sicher mit ein Grund, sich dem Beerengeschäft hinzugeben.