Vielleicht mögen sich einige Leserinnen und Leser an meine Beiträge erinnern, die ich 2017 und 2018 geschrieben habe. Nach einer Pause bin ich wieder am Schreibpult. Als ausgewanderter Schweizer bringe ich diesen Text quasi direkt von der neuseeländischen Weide aufs Papier.
Wetter vom Südpol
Während die Temperaturen in der Schweiz gesunken sind, ist bei uns der Winter endlich vorbei. Auch hier gilt: Die einzige Konstante ist die Veränderung. Vom Wetter über Geburten bis hin zu den Schlachtviehpreisen.
Hier, am nördlichen Zipfel Neuseelands, wäre ein kalter und nasser Winter normal. Wenig Graswachstum und nur ab und zu Sonnenschein. Der beissende Wind treibt die vielen Regenschauer horizontal ins Gesicht. Manchmal subtropisch warm und unnachgiebig lang. Der lehmhaltige Boden wird dabei schnell zum knöcheltiefen Morast.
Im Sommer kommt das Wetter in der Regel vom Südpol und bringt so trockene und kühlere Luft. Viel Sonnenschein, eine Brise Wind, aber wenig Regen. Optimal aus der Sicht der Landwirtschaft ist es, wenn dann alle vier Wochen ein kleiner Tropensturm feuchte Luft aus der Äquator-Region zu uns führt. So werden die Wasserreserven aufgefüllt und das Gras treibt wieder.
Zu viel Gras ist nicht nur gut
Die letzten drei Jahre hatten wir viel Sommerregen und zu milde Winter. Dadurch hatte ich das ganze Jahr gutes Graswachstum. Zu viel Gras ist aber nicht nur gut. Aus verschiedenen Gründen habe ich meinen Tierbestand reduziert und hatte dadurch zu wenig Mäuler auf der Weide. Dies führte zwar zu den schönsten und fettesten Lämmern, jedoch auch zu einer dichten Matte an altem Kraut, weil die Gräser nur zur Hälfte abgefressen wurden. Die Grasqualität nimmt dadurch ab und die Tiere rümpfen später die Nase.
Das Fehlen von Frost wirkte sich auch negativ auf die Grasarten und auf das Ungeziefer aus. Tropische Grasarten, vor allem das dominante Kikuyu, werden vom Frost richtig zurückgestutzt. Ohne Frost überleben zu viele Schädlinge wie interne und externe Parasiten der Tiere.
Mehr Mäuler auf der Weide
Damit das nicht noch mal passiert, habe ich im letzten Herbst mehr Schafe zugekauft und zugleich eine Herde trockener Milchkühe von meinem Nachbarn angeheuert. Damit wollte ich die «Krautstielmatte» loswerden. Mähen geht nicht: Das Terrain ist zu steil und ich habe ich keine Maschinen dafür. Ein Unternehmen anzuheuern, wäre nicht wirtschaftlich.
Die 25 trockenen Milchkühe hatte ich im Herbst während sechs Wochen. Über den Winter (Juni bis September) hatte ich neben meinen sechs Mutterkühen mit ihren Kälbern noch 75 Mutterschafe mit ihren 30 einjährigen Nachwuchstieren. Die Kühe kalben im Herbst (März, April) und die Schafe lammen im Winter (Juli, August) ab. Ich trieb die Tiere im Gegenuhrzeigersinn von einer Weide zur anderen und wechselte ab, welche Herde den Vorzug und damit das frische Gras bekam.
Der Besitzer der «Gastkühe» gab mir einige Ballen Silage, quasi als Gegenleistung. Die Schafe sind sich Silofutter nicht gewohnt und rühren es kaum an. So habe ich dann die Rindviecher in einer Ecke einer Weide eingezäunt und so das Gras rationiert. Sie bekamen täglich zusätzlich drei bis vier Säcke Silo. So reichte ein grosser Ballen zehn bis zwölf Tage. Alle vier Tage gab es einen neuen «Weide-Blätz».
Sobald die Schafe die Jungen zur Welt brachten, habe ich sie einzeln (Schaf und Nachwuchs zusammen) in die nächste Weide auf frisches Gras gebracht. Meine Tiere sind sich das bereits gut gewohnt und für die zugekauften Schafe war es eine steile Lernkurve – da brauchte es manchmal ein Flexinet und etwas akustische Aufmunterung, um nachzuhelfen.
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Durchhalten! Wie lange noch?
Mitte September habe ich ausgemustert. Die trockenen Schafe und überzähligen Jungtiere des letzten Jahres wurden in die Metzgerei verkauft. In Neuseeland gelten Jungtiere, die ihre Erwachsenenzähne noch nicht zeigen, noch als Lamm und bringen mehr als doppelt so viel Geld ein. 20 Tiere hatte ich zum Verkauf. Ich war etwas überrascht, als der Fleischhändler mir mitteilte, dass die Lastwagen nicht zu mir fahren wollten wegen der 20 Schafe. Ich musste sie zu einem grösseren Bauern bringen, wo sie einem Transport zusteigen konnten. Dieser Bauer war etwa eine Autostunde entfernt.
Die Nacht zuvor musste ich in Windeseile meine Laderampe fast komplett erneuern. Ein halber Baum war während des Sturms Gabrielle auf sie gefallen und hatte sie zertrümmert. Der Transport war auf sieben Uhr angesetzt. Die Reparatur war daher eine Nacht-und-Nebel-Aktion im wahrsten Sinne des Wortes. Der Zahltag fiel dann noch mickriger aus als befürchtet. Für ein Muttertier bekam ich nur noch einen Drittel im Vergleich zum letzten Jahr und die Lämmer waren einen Viertel weniger wert. Dies ist so tief wie seit zehn Jahren nicht mehr.
«Wie lange soll ich das noch machen?»
Beni Aeschbach hat in Neuseeland keinen leichten Stand.
Schwierige Situation
Der Hauptabsatzmarkt (der Mittelstand in China) sei markant eingebrochen, heisst es, und die Trockenheit in Australien bringe viel Schaffleisch auf den Markt. Und im Allgemeinen ist Covid immer noch der Sündenbock. Zumindest was die Transportkosten (hohe Benzinpreise) und Verarbeitungskosten (Fachkräftemangel) anbelangt. In meinen Augen ist diese Leier langsam, aber sicher etwas abgelutscht. Sie wird immer noch vorgeschoben, um eigene Versäumnisse zu vertuschen, zum Beispiel die Erschliessung anderer Absatzkanäle für die Fleischprodukte oder die Investition in Ausbildung zum Erhalt guter Arbeitskräfte.
Der Lammfleischpreis im Supermarkt jedenfalls zeigt seit zehn Jahren nur noch nach oben. «Go figure» würde man auf Englisch sagen – das muss man sich zuerst einmal gründlich überlegen.
Ich frage mich zwei Dinge: Wie machen das Bauern, die ganz von der Schafzucht leben, und wie lange soll ich das noch so machen? Schafe haben zwar alle ihre Vorteile auf der Weide und schmecken herrlich auf dem Teller. Aber so viel Aufwand ist dieser Ertrag eigentlich gar nicht wert.
Herausforderungen am Horizont
Wie so oft in einer verflixten Welt geht das Arge noch weiter. Das wiederkehrende Wetterphänomen El Niño steht vor der Tür. Wenn man den Prognosen glaubt, dann soll El Niño in diesem Sommer kräftiger und damit heisser und trockener werden als je zuvor.
Dieses Jahr habe ich fast doppelt so viele Lämmer wie letztes Jahr, dafür sind die Aussichten auf einen guten Preis nur halb so gross. Dazu kommt noch, dass die Temperaturen trotz Frühlingsbeginn weiterhin im Keller hängen geblieben sind. Das Graswachstum ist auf kleinem Niveau stecken geblieben. Besonders hart ist das für die Schafe, die ihren Winterspeck schon lange verbrannt haben. Dabei sollten sie doch die Möglichkeit haben, sich noch etwas Reserve anzufressen vor einem harten Sommer in der staubigen Dürre.
Und die Lämmer? Einigen geht es nicht wirklich gut und ich wünschte mir, etwas für sie machen zu können. Sie fressen ja kein Silo. Ich kann also nur hoffen, dass es in den nächsten Wochen doch noch etwas wärmer wird, bevor es ganz trocken kommt und ich die Lämmer verkaufen werde. Doch wie viel ist der Markt dann bereit, für sie zu bezahlen? Ist es ein Trost, zu wissen, dass die ganze Region im gleichen Wetter- und Markt-Boot sitzt? Sicher ein Trost ist, dass ich meine eigenen Kühe zum Grasen für ein paar Monate auswärts geben kann – auf die Alp quasi.
Betriebsspiegel Beni Aeschbach
Ort: Whangarei, Neuseeland
Fläche/Nutzfläche: 26 ha, davon 13 ha Nutzfläche (Weide)
Viehbestand: 60 Mutterschafe und Lämmer, 1 Widder, 6 Mutterkühe
Arbeitskräfte: Keine zusätzlichen Arbeitskräfte
Energieversorgung: Autarke Wasser- und Stromversorgung (Solar)
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