Obwohl Rinder bekannt sind für ihre spezielle Fähigkeit, Nahrungsfasern gut zu verdauen, werden etwa 13 % der weltweiten Getreideproduktion an Wiederkäuer verfüttert. Gleichzeitig beziffert die Ernährungs- und Landwirtschafts­organisation der Vereinten Nationen (FAO) den Anteil an unterernährten Menschen mit 11 %. Wegen dieses Spannungsfelds ging Agroscope der Frage nach, ob es heute noch Milchkühe gibt, die ausschliesslich mit Gras, frisch oder konserviert, gefüttert werden können.

Effizienzsteigerung in der Rindviehernährung

Die erfolgreiche Zucht auf erhöhte Milch- und Fleischleistungen hat unter anderem dazu geführt, dass mehr potenzielle Lebensmittel an Rinder verfüttert werden. So werden Energie- und Proteinkonzentrate in Rindviehrationen eingesetzt, um den erhöhten Nährstoffbedarf zu decken, die Futterverwertung und die Tiergesundheit zu verbessern oder um die Treibhausgasemissionen zu senken. Kraftfutter zu verfüttern ist grundsätzlich nicht problematisch, aber der Einsatz von potenziellen Lebensmitteln wie Getreide, Körnerleguminosen und Ölsaaten muss mit Bedacht erfolgen. Fütterungssysteme, die weniger potenzielle Lebensmittel als Kraftfutter enthalten, verringern in der Regel die Konkurrenz zwischen Lebens- und Futtermitteln.

Reine Grasrationen im Test

Bisher wurde gezeigt, dass die Fütterung von Milchkühen ohne Kraftfutter unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Aber wie sieht es bei reinen Grasrationen aus? In einem Grasland und mit der Absicht, die Effizienz in der Ernährungswirtschaft zu steigern, ist diese Fragestellung von Bedeutung. Agroscope ging dem in einem über drei Jahre dauernden Versuch nach.

Dabei bestand die Fütterung der Milchkühe während der Vegetationsperiode aus Weidegras und während der Winterfütterung aus Dürrfutter. Mineralstoffe, Viehsalz und Wasser wurden den Tieren zur Verfügung gestellt. Die Ration, die zur Kontrolle dient, bestand aus den gleichen Raufutterkomponenten, aber den Kühen wurden während ihrer Laktation zusätzlich 750 kg Kraftfutter verfüttert. Ausserdem wurden im Versuch zwei unterschiedliche Kuhtypen eingesetzt. Einerseits schweizerische Holsteinkühe, die an ein Vollweidesystem gewöhnt waren, andererseits neuseeländische Holsteinkühe.

Mit Gras 5376 kg Milch produziert

Insgesamt wurden 138 Laktationen von 92 Kühen ausgewertet. Die ausschliesslich mit Wei-degras und Heu gefütter-ten ­Milchkühe produzierten im Durchschnitt 5376 kg energiekorrigierte Milch pro Standardlaktation (3480 bis 8162 kg). Diese Leistungen wurden erreicht trotz einer sehr mässigen Dürrfutterqualität von 5,0 MJ NEL (Megajoule Netto-Energie Laktation – der Energiegehalt für Tierfutter) und 102 g Protein pro kg Trockensubstanz. Die durchschnittlichen Gehalte des Weidegrases betrugen 6,1 MJ NEL und 178 g Protein. Nicht neu ist, dass Milchkühe mit Kraftfutter mehr Milch erzeugen und zwar 1 kg Milch pro kg zusätzliches Kraftfutter. Genau 775 kg mehr energiekorrigierte Milch wurden mit 750 kg Kraftfutter erreicht.

Dabei ist hinsichtlich der Konkurrenz zwischen Lebens- und Futtermitteln zu bedenken, dass Milch nur 13 % Feststoffe enthält und Kraftfutter 88 %. Zudem wiesen die Kühe mit Kraftfutterergänzung ein leicht höheres Gewicht (+ 14 kg) und eine bessere Körperkondition auf. Diese Unterschiede waren kleiner als erwartet. Ob mit oder ohne Kraftfutter waren die schweizerischen Holsteinkühe zu mager im Vergleich zur in der Literatur angegebenen Referenz. Der Gehalt an Fett, Protein, Laktose und Harnstoff in der Milch sowie die Zellzahl waren zwischen den zwei Fütterungsvarianten ähnlich.

Wenig Unterschiede bei Behandlungen und Fruchtbarkeit

Die Behandlungen bezüglich Fruchtbarkeit und Gesundheit wurden vom Betriebspersonal aufgeschrieben. Zur Auswertung wurden die Behandlungen in die Gruppen Fruchtbarkeit, Mastitis, Milchfieber, Fütterung, Klauen und Beine sowie Verschie-dene eingeteilt. Gesamthaft sind viele Behandlungen (1,8 pro Laktation) durchgeführt worden und zirka zwei Drittel davon im Bereich Fruchtbarkeit.

Mögliche Gründe für die hohe Anzahl an Behandlungen sind, dass gewisse Holsteinkuhtypen schlechte Fruchtbarkeitsleistungen aufweisen und der Betrieb bei einem ­tierärztlichen Bestandesbetreuungsprogramm mitmachte. Es wurden keine signifikanten Unterschiede in der Anzahl an Behandlungen und Fruchtbarkeitskennzahlen zwischen den Fütterungsvarianten festgestellt, ausser einem Trend zu weniger Kalbungen nach erfolgter Laktation mit der reinen Grasration. Weniger Kalbungen nach erfolgter Laktation bedeutet höhere Remontierungsraten und folglich höhere Kosten.

Deutliche Unterschiede zwischen Holsteinkuhtypen

Deutlichere Unterschiede traten zwischen den beiden Holsteinkuhtypen auf. Die schweizerischen Holsteinkühe wiesen deutlich mehr Behandlungen als die neuseeländischen Holsteinkühe bezüglich Fruchtbarkeit und insgesamt auf. Zu vermerken ist, dass alle Kühe auf dem Betrieb aufgezogen und bezüglich Leistungszuchtwert unterdurchschnittlich waren. Indessen fanden mehr Behandlungen bezüglich Klauen und Beinen bei den neuseeländischen im Vergleich zu den schweizerischen Holsteinkühen statt.

Die neuseeländischen Holsteinkühe zeigten tendenziell kürzere Rastzeiten (Kalbung bis zur ersten Besamung) und Serviceperioden (Kalbung bis zur erfolgreichen Besamung) auf. Schliesslich war die Zwischenkalbezeit bei den neuseeländischen Holsteinkühen kürzer. Bezüglich der Anzahl Besamungen bis zur erfolgreichen Trächtigkeit gab es zwischen den untersuchten Kuhtypen keine Unterschiede.

Der Kuhtyp ist entscheidender

Dass die Fütterung von Milchkühen die Gesundheit sowie die Fruchtbarkeit beeinflusst, ist unbestritten. Nur das Ausmass der Wirkung wird teilweise überschätzt, wie es unsere und andere Studien zeigen. Der Kuhtyp beziehungsweise genetische Aspekte spielen bezüglich Gesundheit und Fruchtbarkeit die fast entscheidendere Rolle.

Um den Einsatz von potenziellen Lebensmitteln in der Milchkuhernährung zu reduzieren, wären reine Grasrationen top. Solche Rationen sind auch heute noch möglich, allerdings mit an die Ration angepassten Milchkühen. Des Weiteren spielt die Qualität des verfütterten Raufutters eine entscheidende Rolle bei kraftfutterreduzierten Rationen.