Abo Katrin Carrel leitete vergangene Woche den Stiegenhof-Flurgang. Sie wird ab Herbst im FiBL tätig sein. Stellenwechsel Katrin Carrel wechselt zum FiBL Friday, 30. June 2023 «Dieses Versuchsjahr ist aufgrund des kühl-feuchten Frühlingswetters eine Härteprüfung bezüglich Gelbrostbefall und Unkrautregulierung», mit diesen Worten begrüsste Katrin Carrel die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu den Getreideversuchen am Flurgang Stiegenhof.

Gleich zu Beginn wies Mathias Christen vom FiBL darauf hin, bei der Sortenwahl auf Qualität zu achten. Das unterstrich auch Andreas Rohner von Fenaco GOF: «Per 2027 will Coop alle Biobrote aus Schweizer Anbau anbieten. Der Importanteil von Biomahlweizen wird noch weiter sinken. Dadurch können die Verarbeiter zum heimischen Brotgetreide immer weniger qualitätsstarken Importweizen dazumischen – also braucht es hohe Proteingehalte im BioBio Suisse schätzt den Inlandanteil an Biomahlweizen für die Ernte 2023 auf etwa 68 Prozent. 

Wiwa für Neueinsteiger

[IMG 2]Zu sehen waren am Stiegenhof-Flurgang Züchtungen von der Delley Samen und Pflanzen AG und von der Getreidezüchtung Peter Kunz (GZPK). Ein sicherer Wert im Bio-Mahlweizenanbau ist die Sorte Wiwa. Sie ist ein Allrounder und laut Michael Locher von GZPK bestens für Neueinsteiger geeignet. Die Sorte Prim ist eine Ergänzung zu Wiwa vor allem für mittlere, extensive Standorte und hat noch etwas bessere Backeigenschaften.

Sorgenkind Montalbano

Wital ist punkto Qualität mit Montalbano vergleichbar. Montalbano legte in den vergangenen Jahren einen rasanten Start hin, entwickelt sich aber laut Christoph Barendregt von der DSP Samen AG zu einem Sorgenkind und genügt den Qualitätsansprüchen nicht. [IMG 3]

Rosatch und Bodeli

Freude hat Barendregt an der Sorte Rosatch: «Eine behäbige Sorte, die nur im Biolandbau zugelassen ist», sagt er und verweist auf die hohen Hektolitergewichte und Proteingehalte dieser Sorte. Auch die Sorte Bodeli zeichnet sich durch eine sehr hohe Backqualität und einen hohen Proteingehalt aus. [IMG 4]

Zu den begrannten Sorten gehört die Kandidatensorte Pesi.3011. Laut Locher ist es aber zweifelhaft, ob diese Sorte weitergeführt wird. Anders Piz Nair, sie hat sich auch im Bioanbau mit hohen Protein- und Feuchtkleberwerten in den Praxisversuchen bewährt.

Hier geht es zu den Richtpreisen Biobrotgetreide

Die Preise bleiben gleich wie im Jahr 2022. Aufgrund der vollen Dinkellager gilt ein Rückbehalt von Fr. 8.–.


Dinkel mit Rückbehalt

Am Markt kommt niemand vorbei. Das zeigt sich beim Dinkel. Es zeichnet sich ein Angebotsüberhang ab. Die Lager sind voll. Bio Suisse verfügte einen Rückbehalt von Fr. 8.–/dt, um potenzielle Überschüsse anderweitig zu verwerten, gab Andreas Rohner (Fenaco GOF) bekannt. Demnach empfiehlt sich in guten Lagen Weizen statt Dinkel anzubauen und nur an Extensivstandorten auf Dinkel zu setzen.

Mehr Diversität wäre gut

Ein zweiter Flaschenhals seitens der Vermarktung ist die Marke Urdinkel, die den Markt dominiert. Da nur die Sorten Ostro und Oberkulmer unter der Marke verkauft werden dürfen, können sich Sorten mit höherem Ertragspotenzial, besserer Standfestigkeit und vermehrter Toleranz gegenüber Gelbrost nur wenig durchsetzen. Das bedauert vor allem Verena Simon-Kutscher von GZPK: «Wir sind für Diversität im Dinkel und haben ertragsstärkere und gesündere Sorten im Angebot.» [IMG 5]

Das breite Angebot an Dinkelsorten konnte man am Stiegenhof besichtigen. Aber auch hier litten die Kulturen unter dem Frühlingswetter, hinzu kam ein unregelmässiger Auflauf durch Staunässe sowie Gelbrost bei der Urdinkelsorte Ostro. Um die Standfestigkeit zu stärken, machte der Strickhof Anfang Mai einen Durchgang mit der Glattwalze.

Agronomisch gute Sorten

Überflieger bei den Dinkelsorten sind Gletscher, Edelweis­ser und Copper. Die späte Sorte Gletscher hat das grösste Ertragspotenzial. «Biofarm setzt denn auch auf den richtigen Dinkel – also die neuen, agronomisch sehr guten GZPK-Sorten», erklärte Hansueli Brassel von der Biofarm.


Sonnige Aussichten, aber hybrid

Mathias Christen vom FiBL und Hans-Georg Kessler von der Biofarm Genossenschaft präsentierten am Stiegenhof den Sortenversuch High-Oleic-(HO-)Sonnenblumen. «Sonnenblumen sind eine tolle Biokultur. Man kann sie gut hacken und sogar striegeln. Sie brauchen nicht viel Dünger, sind trockenheitstolerant und ausserdem eine Frühlingskultur, die getreidebetonte Fruchtfolgen auflockern», so Kessler. [IMG 6]

Auch für Umstellware

Nachfrage und Preis sind stimmig. Für die Ernte 2023 können auch HO-Sonnenblumen von Umstellflächen übernommen werden. Der Preis für HO-Sonnenblumen liegt bei Fr. 157.–/dt, für Umstellware bei ca. Fr. 150.–/dt.

Linienzucht am Start

Ein «Fleck im Bio-Reinheft» ist, dass mangels Alternativen auch Biobetriebe Hybridsorten verwenden müssen. «Im Gegensatz zu Raps dürfen die Landwirte das Hybridsaatgut nutzen. Erstmals haben wir nun hier auf dem Stiegenhof eine Sorte, die durch Linienzucht entstanden ist», sagte Kessler. Diese samenfeste Sorte Geno 15 wurde von der Sativa Rheinau AG gezüchtet. «Ob Geno 15 punkto Ertrag und Ölgehalt mit den Hybridsorten mithalten kann, wird sich im Herbst bei der Ertragserhebung zeigen», sagte Kessler. Geno 15 wurde in Frankreich als Sorte für die Prüfung angemeldet.

Eine andere wichtige Eigenschaft wäre die Frühreife. Aber damit hatten alle Sonnenblumen aufgrund des nass-kalten Wetters in diesem Frühjahr Probleme. «Viele Sonnenblumen wurden erst im Mai gesät. So verschiebt sich der Erntezeitpunkt nach hinten. Ich hoffe auf einen schönen und trockenen Oktober», schloss Hans-Georg Kessler.


Linsen mit Erbsen als Stützfrucht

[IMG 7] Drei G steht im Linsenanbau für gesät, geschaut, geerntet – also der Arbeitsaufwand für diese Kultur ist gering. «Sie brauchen keine Düngung, und bei einer optimalen Entwicklung kann zwischen Saat und Ernte sogar auf eine mechanische Unkrautregulierung verzichtet werden», sagte Katrin Carrel.

Dennoch birgt der Anbau von Linsen, wie bei allen Körnerleguminosen, einiges mehr an Risiko als bei Getreide. Aber in Mischkulturen angebaut, lassen sich laut den Experten Anbaurisiken minimieren.

Lange Anbaupause

Matthias Klaiss vom FiBL vermerkte, dass die Hälfte aller Linsen auf Biobetrieben in Mischkultur angebaut werden, vor allem mit Leindotter und Gerste, die als Stützfrucht dienen. Katrin Carrel ergänzte: «Wer Eiweisserbsen anbaut, muss bei der Fruchtfolgeplanung darauf achten, dass diese Körnerleguminose eine relativ lange Anbaupause von sieben bis neun Jahren braucht.»

Glutenfreie Linsen

Jürg Hiltbrunner von Agroscope präsentierte Versuche mit Erbsen als Stützfrucht. «Halbblattlose Erbsen stützen Linsen ausreichend. Zwei Leguminosen zeitgleich im Feld sind bessere Voraussetzungen für glutenfreie Linsen», sagte er. Das Mischungsverhältnis 20 Erbsen und 180 Linsen pro m2 sei ideal. Die Vorfruchtwirkung betrage zwischen 58 bis 83 kg N/ha – sowohl in Reinkultur als auch in der Mischung mit Erbse. Einen Nachteil haben Mischkulturen. Reinigung und Separierung verursachen zusätzliche Kosten. 


Hat Platz für Neueinsteiger

Am Stiegenhof waren die Sorten Aurelina, Obelix, Abaca, Adelfia, CH-Arnold und Talisse zu begutachten, die am 15. Mai gesät wurden. Wichtig ist die Frühreife und ein hohes Tausendkorngewicht.

[IMG 8] Leider ist Sojasaatgut aus Schweizer Vermehrung nur beschränkt erhältlich. Bio­soja ist gesucht. Es hat noch Platz für Neueinsteiger für den Futter- und den Speisesojaanbau. Für Biospeisesoja gilt ein Feuchtigkeitsgehalt von maximal 11 % (konventionelles Speisesoja 13 %). 

Der Produzentenpreis für Speisesoja beträgt dieses Jahr zwischen Fr. 220.– und Fr. 235.–/dt, bei Futtersoja sind Fr.  168.–/dt.