Als 2015 der Schweizer Franken mit dem Euro Parität erreichte, war Benjamin Gasser klar: Der Milchpreis kommt unter Druck. Der Betriebsleiter mit einem Stall voller Kühe in Schleitheim SH rutschte in eine ernsthafte Krise hinein. Es ist die Schlüsselerkenntnis aus dieser Krise, welche Gasser den festen Boden gibt, risikoreiche Entscheidungen zu treffen: «Ich könnte den Hof an die Wand fahren, ich wäre immer noch ein wertvoller Mensch.»

60 Kühe und ein Roboter

Mit der neugewonnen inneren Sicherheit installierte der damals 32-jährige Meisterlandwirt einen Melkroboter für 60 Kühe, von denen er die Hälfte des Tierbestands zukaufen musste. Fast gleichzeitig stellte er den Betrieb auf Bio um.

Eine Kindheit mit Verzicht

Eindringlich sagt Gasser: «Erst wenn Scheitern erlaubt ist, kannst du solche Risiken eingehen.» Risiko muss kalkulierbar sein und ökonomisch Sinn ergeben. Ökonomisch ist ein Wort, das der Betriebsleiter oft und ohne Entschuldigung in den Mund nimmt. Gassers Kindheit war mit Verzicht verbunden. Seine Grosseltern erwarben mit wenig Mitteln den baufälligen Miltenhof. Die Eltern bauten darauf weiter. «Es gab eine halbe Bratwurst, nicht eine ganze», erinnert sich Gasser. «Das ist in mir. Davon wollte ich mich lösen, das muss ich ehrlich zugeben.»

Geeignete Hofstrukturen

Für eine Umstellung auf Bio sprachen die Hofstrukturen. Viele der sanften Hügel unterhalb des Randens, dem Ausläufer des Juras, werden von Benjamin Gasser bewirtschaftet. Viel arrondiertes Land zu haben, ist ein Vorteil für Bio, so auch die Kunstwiesen und die vielen Tiere. «Wenn du gute Bedingungen hast, drückst du die Anderen weg.»

 

Betriebsspiegel Miltenhof

Name: Rebekka und Benjamin Gasser

Ort: Schleitheim SH

Ackerfläche: 85 ha, Bio

Viehbestand: 60 Kühe bis 120 Tiere insgesamt

Arbeitskräfte: Betriebsleiterehepaar, Lehrling und der Nachbar

 

Wohlüberlegte Entscheidung

Gerade so wichtig ist Gasser die gesellschaftliche Anerkennung. Seine Produkte sind gefragt. «Als normaler Bauer gibst du die Milch ab, aber eigentlich will sie niemand», so seine Empfindung. Dem Entscheid, auf Biowirtschaft umzustellen, gingen viele Gespräche voraus. «Ich bin ein Mensch, der Entscheidungen trifft beim Diskutieren und indem ich viel frage», sagt Gasser. «Ich hole mir drei, vier Menschen, von denen ich weiss, sie sagen mir ehrlich, was sie denken.» Seine Frau Rebekka stammt nicht aus der Landwirtschaft, ihre Ausbildung als Bäuerin und Betriebsleiterin macht sie dennoch zu einer wertvollen Beraterin. Zu den engsten Ratgebern gehört sein Nachbar Hansruedi Stamm, mit welchem Gasser eng zusammenarbeitet. Als Bio ein Thema wurde, fuhr Gasser zuerst mal zu Stamm. «Denkst du, das würde hauen?» Dieser meinte, ja. Gassers mittlerweile verstorbener Vater riet dagegen. Die Entscheidung lag schliesslich beim Betriebsleiter.

«Ich frage viel und entscheide dann.»

Benjamin Gasser, Meisterlandwirt aus Schleitheim SH

Eine wichtige Person

Wenn es um einen neuen Ladewagen geht, kommt Hansruedi Stamm mit. «Es ist mir wichtig, ihn in die anstehenden Entscheidungen miteinzubeziehen, er hat eine grosse Erfahrung.» Stamm wird nicht immer auf dem Hof mitarbeiten. Dafür arbeitet Gasser jemanden ein, der dem Hof für kurze Zeit vorstehen könnte. «Wenn du alleine mit dem Lehrling bist, ist es immer gut, wenn noch jemand weiss, wie alles läuft, sonst bist du unentbehrlich.» Das will Gasser nicht sein. Schliesslich hat er noch eine Frau und vier Kinder im Alter von vier bis neun Jahren.

«Als Biobauer kann ich da etwas sagen.»

Benjamin Gasser zur Debatte über die Trinkwasser-Initiative.

Entwicklung geht weiter

Was bringt die Zukunft? Sicher einmal eine weitere Digitalisierung. Für den Biobauern könnte das grosse Vorteile bringen. «Ein Hackroboter könnte 1000 Arbeitsstunden ersetzen», schwärmt Benjamin Gasser. Der Biomilchpreis droht, zusammenzufallen. Mit 20 Rappen Preisdifferenz zwischen der Biomilch und der konventionellen Milch werden mehr Betriebe in den Markt einsteigen, ist sich Gasser sicher. Ihm ist bewusst – mit 60 Kühen hilft er mit, andere kleinere Biobetriebe unter Druck zu setzen. «Wenn meine Produkte niemanden unter Druck setzen sollen, muss ich nichts produzieren.»

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Bedürfnisse nehmen zu

Eine grosse Herausforderung sei der gesellschaftliche Wandel gegenüber der Landwirtschaft. Einerseits glaubt Gasser, Bauern müssen sich den gesellschaftlichen Bedürfnissen stellen, wenn sie überleben wollen. Gleich-zeitig nimmt er die Situation nicht einfach hin.

Er nahm an einer Debatte zur Trinkwasser-Initiative teil. «Als Biobauer kann ich da etwas sagen und ein Votum abgeben.» Er lud den SP-Nationalrat Beat Jans auf den Miltenhof zum Essen ein. Jans hatte nach Gassers Meinung negative Medienberichte über die Milchwirtschaft verursacht. Gute Gespräche ergaben sich. «Ich attestiere mir, dass ich das bäuerliche Leben und die Natur kenne. Ich will zeigen, wie ich es mache und wo die Stolpersteine sind.» Gasser hält inne, lacht: «Ich lade nur die Leute ein, die mich stressen, das ist klar!» «Dass der Miltenhof so weit gekommen ist, empfinde ich als Glück, oder Gottes Segen», stellt Gasser fest. Die blauen Augen blitzen. «Das Wichtigste für mich ist: Du musst deinen Wert kennen.» Er selbst nimmt sich diesen Wert aus seinem Glauben an Gott.