Jede Kuh trägt eine Treichel und alle sind behornt. Die Original-Braunvieh-Tiere sind halfterzahm und können problemlos in den Klauenstand geführt werden. Bäuerin und Bauer kennen jedes Tier und wissen von allen die Abstammung. Was sich nach einem traditionellen Zentralschweizer Milchviehzuchtbetrieb anhört, ist in Tat und Wahrheit der 46 Hektaren grosse Mutterkuhbetrieb von Mirjam und Roman Hürlimann. Seit fast drei Jahren bewirtschaften die beiden 25-jährigen, frischgebackenen Eltern den Hof Obersüren auf dem Walchwilerberg.

Einfach und zweckmässig

Der auf 950 m ü. M. gelegene Biobetrieb wird rationell und fast ohne Hilfsstoffe bewirtschaftet. Die 27 OB-Mutterkühe und ihr Nachwuchs erhalten nur betriebseigenes Wiesenfutter. Im Sommer sind die Tiere halbtags auf der Weide und ergänzt wird mit Heu im Stall. Im Winter wird die übergrosse Futterkrippe mit dem Hoflader jeweils am Morgen befüllt. Heu, Emd und Grassilage, alles wird auf einmal vorgelegt. Sind die Kühe am Fressgitter eingesperrt, wird mit dem Hoflader gemistet und die Boxen zurechtgemacht. Am Abend beschränkt sich die Stallarbeit auf Kontrollarbeiten und den wichtigen Mensch-Tierkontakt. «Besonders mit den kleinen Kälbern arbeiten wir intensiv. Wir wollen jedes Kalb streicheln können», erklärt Roman Hürlimann. Das sei sehr gut investierte Zeit. «Ob später bei Tierbehandlungen, beim Verladen oder beim Weidegang, mit halfterzahmen Tieren spart man viel Zeit und Ärger». Das Original Braunvieh sei zwar eine genügsame Rasse. «Vernachlässigt man aber im Kälberalter den Tierkontakt, werden auch diese wild».

«Wir wollen jedes Kalb streicheln können.»

Mit halfterzahmen Tieren spare man Zeit, sagt Hürlimann.

Doppelnutzung beim Vieh

Toni Hürlimann, der Vater von Roman, stellte 2003 aus gesundheitlichen Gründen auf die ­Mutterkuhhaltung um. Damals arbeitete er mit Kreuzungstieren. Doch die Tiere passten nicht zu Bauer und Hof. Nervöse Kühe, Abkalbeprobleme und nach und nach auch zu wenig Milch. Auf dem Betrieb Obersüren wurde mit dem Zukauf von sieben reinen OB-Rindern auf die Urschweizer Doppelnutzungsrasse umgestellt. Mittlerweile sind die Hürlimanns für ihren starken Viehbestand bekannt, verkaufen Zuchtstiere und Rinder. Ihre wichtigsten Selektionsmerkale sind die Abkalbeeigenschaften und die Kälber-Vitalität. «Es ist uns aber auch wichtig, dass wir wirkliche Doppelnutzungstiere haben. Denn nur fleischbetonte Kühe mit zu wenig Milch sind nicht wirtschaftlich». Roman Hürlimann erwähnt ein kürzlich vermarktetes Natura-Beef-Tier, welches ihm einen Erlös von über 3300 Franken einbrachte: «Das Adonis-Jungtier war erst elf Monate alt, wurde mit C3 taxiert und wies ein Schlachtgewicht 252 kg auf».

«Nicht nur fleischbetonte Kühe.»

Roman Hürlimann ist auch die Milchleistung wichtig.

Solche Resultate seien nur mit milchigen Mutterkühen zu erreichen, so der stolze Viehzüchter. Die junge Bauernfamilie Mirjam und Roman blickt optimistisch in die Zukunft. Mit ihrer Strategie tiefe Fremdkosten, naturnahe Produktion mit einer Doppelnutzungsrasse und 100 Prozent betriebseigenes Futter hat sie nicht nur eine wirtschaftlich interessanten Weg gefunden, ihre Betriebsphilosophie entspricht auch dem aktuellen gesellschaftlichen Zeitgeist.

 

Betriebsspiegel Obersüren

Betriebsleiter: Mirjam und Roman Hürlimann

Betrieb: Obersüren, Biobetrieb, 950 m ü. M, BZ II

Flächen: 46 ha LN, davon 5 ha Streue, Naturwiesen (drei Schnitte)

Tiere: Insgesamt 60 Stück, davon 27 Mutterkühe mit Kalb, ein Stier und Aufzuchttiere

Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Vater Toni Hürlimann

Nebenerwerb: Lohnarbeiten (Ballen pressen, misten), Vater Toni Hürlimann ist Treichel-Schmied