Im Januar hatte ich erstmals über die Eigentumsverhältnisse von Toggenburger Alpgebäuden berichtet. Auslöser des Streits zwischen Behörden und Alpgebäudebesitzern (rechtlich korrekt wäre Alpgebäudenutzer) war der Erlass einer neuen Verordnung über die selbstständigen Anteilsrechte und das Alpbuch im Kanton St. Gallen durch die Regierung.
Änderung hat Mehraufwand für Alpkorporation zur Folge
Die alte Verordnung vom März 1951 wurde ersetzt und auf den 1.1.2020 in Kraft gesetzt. Dies bewirkte bei der Gebäudeversicherung eine Praxisänderung, die zur Folge hatte, dass die Alpkorporationen als Eigentümerinnen der Alpgebäude eingesetzt wurden.
Neu werden die Rechnungen der Gebäudeversicherung pro Alpkorporation gemeinsam an die jeweilige Alpkorporation respektive deren Präsidenten geschickt und nicht mehr direkt an die ehemals aufgeführten Alpgebäudebesitzer. Erst dadurch wurden die Gebäudebesitzer darauf aufmerksam, dass die Alpkorporation neu im Grundbuch als Eigentümerin der Gebäude eingetragen ist.
Grundbuchaufsicht argumentiert mit ZGB
Dazu muss man wissen: Die Alpen im Toggenburg wurden nach der Loslösung von den Klöstern Mitte des 16. Jahrhunderts in Korporationen umgewandelt, die Alpgebäude durch die privaten Bewirtschafter erstellt und so auch weiterverkauft und übertragen. Die Alpen galten als Allgemeingut und wurden durch die Alpkorporation verwaltet. Daraus entstand einerseits das Anrecht auf Nutzung (Boden) und das Anrecht auf Eigentum (Gebäude).
Doch diese gelebte Praxis ist mit dem Zivilgesetzbuch, das notabene viel später in Kraft trat, nicht vereinbar. Dort heisst es, dass für dingliche Rechte das geschriebene Recht gilt. Das bedeutet, dass es für das Eigentum an Grundstücken einen Eintrag im Grundbuch braucht. Und dieser lautet neu auf die einzelnen Alpkorporationen.
Kanton St. Gallen reagierte spät
Die Betroffenen – längst nicht alles Landwirte – warfen dem Kanton St. Gallen Enteignung vor. Ein Sturm der Entrüstung brach über das Toggenburg herein. Der Kanton St. Gallen reagierte – wenn auch reichlich spät und erst unter medialem und politischem Druck – mit öffentlichen Informationsveranstaltungen. Es wurden Muster für den Alpzimmervertrag und den Baurechtsvertrag ausgearbeitet. Ende Oktober lagen die bereinigten Musterverträge vor.
Der Kanton St. Gallen spielte den Ball zurück an die Alpkorporationen. So sagte Markus Hobi, Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums St. Gallen in Salez, jüngst in einem Interview mit der BauernZeitung:
«Nun liegt es an den einzelnen Alpkorporationen, eine Versammlung abzuhalten und zu entscheiden, ob sie Alpzimmerverträge abschliessen oder Baurechte zulassen wollen und wie die Musterverträge im Detail ausgestaltet werden.»
Markus Hobi, Leiter LZSG Salez
Wer Baurecht eintragen will, braucht Durchhaltewillen
Die eigentliche Arbeit beginnt also erst jetzt. Voraussichtlich im nächsten Frühjahr werden die Alpkorporationen entscheiden, wie es weitergeht. Jene, die das Baurecht zulassen wollen, müssen einer Statutenänderung zustimmen und die Statuten anpassen, die dann durch den Kanton bewilligt werden müssen. Doch das ist erst der Anfang.
Jeder Alphüttenbesitzer, der ein Baurecht beantragen will, braucht Durchhaltewillen und eine gehörige Portion Geduld. Es sind Gesuche, Ausmarchungen, Verträge, die allenfalls bereinigt werden müssen, Bewilligungen usw. nötig. Es ist ein Pingpongspiel zwischen Grundbuchamt und Gesuchsteller. Wie hoch die Kosten sind und wer was bezahlt, ist bis heute nicht klar.
Gut möglich, dass sich einige Alpgebäudebesitzer oder ganze Korporationen von diesem Aufwand abschrecken lassen und es bei der gut gelebten Praxis, die über Jahrhunderte funktionierte, belassen. Das mag auch gut gehen, solange man sich innerhalb der Korporation einig ist. Was aber, wenn in zehn oder zwanzig Jahren die nächste Generation übernehmen will und sich eine Mehrheit der Korporationsmitglieder querstellt? Dann müssen sich die Alpkorporationen respektive deren Mitglieder wieder mit denselben Fragen rumschlagen wie heute. Und dass sich der Kanton St. Gallen noch einmal auf eine solche Diskussion einlässt, ist schwer vorstellbar.
Ein Leserbrief mit grossen Folgen
Was bleibt, ist viel zerschlagenes Geschirr und Misstrauen gegenüber den kantonalen Behörden, auch gegenüber dem Landwirtschaftsamt. Das ist aus den Gesprächen mit den Betroffenen herauszuhören. Ob die Reaktionen weniger heftig ausgefallen wären, wenn der Kanton die Betroffenen schon vor der Praxisänderung informiert hätte? Ich denke nicht. Aber es bietet der Anstand, die Bauern zu informieren und sich als Amtsträger auch unangenehmen Diskussionen zu stellen.
Und noch etwas nehme ich aus dieser Geschichte mit: Manchmal können wir Journalistinnen und Journalisten mit unserer Arbeit etwas in Bewegung setzen. Der Auslöser der Berichterstattung war nämlich ein simpler Leserbrief.


