Zusammen mit meiner Tochter besuche ich einen Hundekurs. Das Training ist interessant, auch herausfordernd für unsere noch junge Toller-Hündin. Noch herausfordernder für mich war der Besuch in der Pizzeria im Anschluss an das letzte Training mit der bunt zusammengewürfelten Gruppe: Ich bestellte eine Pizza Formaggina mit dem Sonderwunsch, den Schinken wegzulassen, meine Tochter eine Verdura ohne Käse. Unsere Wünsche wurden von der Kellnerin diskussionslos entgegengenommen.

Grundsatzfragen zur Ernährung

Ich konnte aber keinen Schluck von meinem erfrischenden Bier trinken, schon wurden wir mit Fragen und Vorwürfen überhäuft. Die Sache glich einem Kreuzverhör zu unserer Ernährung: Fragen nach Nahrungsergänzungsmitteln, Gesundheit, Extrawünschen, natürlich auch Grundsatzfragen und Diskussionen rund ums Essen allgemein.

Abo Proviande 94 % der Schweizer essen regelmässig Fleisch Saturday, 11. June 2022 Eigentlich bin ich es schon gewohnt, vor einem Besuch im Restaurant anzukündigen, dass ich kein Fleisch esse, was dann je nach Gruppe oft zu Fragen und Diskussionen führt. 

Jede(r) meint, Experte zu sein

Obwohl ich diese Diskussionen also kenne und in der Regel recht gelassen nehme, störte ich mich diesmal doch ziemlich stark an den Vorurteilen zu unseren Essgewohnheiten, zu den Vorwürfen an Veganer(innen) und Vegetarier(innen). Es war weder für den Pizzaiolo noch für die Kellnerin ein Problem, unsere Wünsche zu erfüllen.

Nur unsere Grup­pen­kol­leg(innen) fühlten sich aus unerklärlichen Gründen in der Pflicht, sich als kleine Experten rund um Ernährung, Tierhaltung, Gesellschaft und Gesundheit zu profilieren und auch ihren Fleischkonsum zu rechtfertigen. Ich finde es sehr interessant, dass der Anstoss zu solchen Diskussionen praktisch immer von den Fleischessenden erfolgt. Die immer wieder aufkommende Frage nach dem Warum beantworte ich hier in ein paar Worten: Ökologie – Ethik –soziale Verantwortung.

Umweltbelastung bei tierischen Produkten ist höher

Abo Pro und Kontra Ein Landwirt für und eine Landwirtin gegen die MTI erklären ihren Standpunkt Monday, 4. July 2022 Ich lade Sie ein, sich die Grafik zur Ökobilanz von Lebensmitteln  einmal anzuschauen. Es ist klar ersichtlich, dass nebst per Flugzeug importierten Lebensmitteln tierische Produkte, insbesondere Fleisch, Fisch und Eier, Spitzenreiter bei der Umweltbelastung sind.

Aus ethischer Sicht stellt sich zudem die Frage, ob es richtig ist, Tiere in die Gattung Haustiere, die wir lieben, hegen und pflegen und in unseren Alltag integrieren, und in die Gattung Nutztiere, die klar einem wirtschaftlichen Zweck dienen, zu unterteilen. Ich gehöre da nicht zu den ganz Strikten. Bin ich dann aber mit der Frage konfrontiert, ob Pferde- oder Hundefleisch nicht auch auf den Teller kommen könnte, ist meine Meinung schnell gemacht – NEIN!

Ein kleiner Beitrag zur Erreichung der Klimaziele

«Earth Overshoot Day» Die Ressourcen für dieses Jahr sind weltweit bereits aufgebraucht Thursday, 28. July 2022 Manchen Prognosen zufolge wird die Weltbevölkerung bis 2050 auf über 10 Milliarden Menschen wachsen. Führe ich mir vor Augen, dass mit der gleichen Fläche, die für die Produktion von 4 Gramm Rindfleisch benötigt wird,100 Gramm pflanzliche Nahrungsmittel produziert werden können, ist für mich klar, dass wir mit unserem Essverhalten Einfluss auf die Ernährung der Weltbevölkerung haben. 

Jede und jeder entscheidet schlussendlich selber, was sie oder er am Grillfest bevorzugt: ein Stück Huhn oder Schwein oder einen Spiess mit Pilzen, Tofu und Auberginen. Ob sie oder er den Fleischkonsum zugunsten von pflanzlichen Produkten reduzieren will. Ob sie oder er mit dem Essverhalten einen kleinen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten will.

Meine Entscheidung kam schrittweise – ich habe mich mit den Argumenten meiner Tochter, weshalb sie sich für die vegane Ernährung entschieden hat, auseinandergesetzt. Ich habe Freude an der kreativen veganen und vegetarischen Küche gefunden!

Zur Autorin
Sandra Reinhart ist Grüne-Kantonsrätin des Kantons Thurgau. Sie schreibt regelmässig für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.