Die Käseproduktion ist ein einziges Eldorado. So schien es zumindest in den letzten Jahren. Der Anteil der zu Käse verarbeiteten Milch hat kontinuierlich zugelegt. Und namentlich in den Pandemiezeiten war so etwas wie Euphorie zu spüren.
Ernüchterung herrscht
Diese Hochstimmung in der Käsebranche ist zuletzt einer gewissen Ernüchterung gewichen. Das starke Wachstum von Mozzarella und anderen Industriekäsen liess dabei etwas vergessen, dass es nicht allen gleich gut geht. Vor allem die Rohmilchkäse sind herausgefordert.
Der Emmentaler und der Sbrinz sind schon seit Längerem im kontinuierlichen Rückgang. Der Appenzeller stagniert und selbst der stolze Gruyère muss neu die Produktion einschränken. Diese Bremsspur schlägt sich auch in der Statistik nieder. Im ersten Halbjahr 2023 verlor die Produktion von Hart- und Halbhartkäse gegenüber der Vorjahresperiode je knapp 7 %. Gleichzeitig dürfte die mengenmässige Exportbilanz in diesem Jahr erstmals seit Beginn der Liberalisierung negativ ausfallen.
Gleichzeitig haben in den letzten Jahren die Industriemilchpreise klar zugelegt. Zum Teil sind die Differenzen zu den Preisen für Käse-Rohmilch sehr gering geworden. Abhängig von Saison, Sorte und Region sind die Industriemilchpreise punktuell sogar besser.
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Geringe Preisdifferenz
Das führt dazu, dass sich viele Rohmilchproduzenten Gedanken machen über einen Umstieg oder diesen Schritt bereits vollzogen haben. Wir haben mit einigen Produzenten gesprochen, was ihre Beweggründe für den Schritt sind. Dabei werden am häufigsten die folgenden Gründe genannt:
- Die geringe Preisdifferenz zwischen Industrie- und Käsereimilch.
- Die scharfen Qualitätskontrollen bei der Käsereimilch, verbunden mit zusätzlichen Abzügen.
- Die aufgrund des Klimas grösser gewordenen Schwierigkeiten bei der silofreien Futterproduktion.
- Die hohen Energiekosten für Belüftungsheu-Trocknung.
- Die Einschränkungen bei der Sortenkäse-Produktion und die damit verbundenen Milchpreisreduktionen.
Hohe Energiekosten
Fredi Mosberger aus Gossau SG ist einer der Umsteiger von Käserei- auf Industriemilch. Er hat mit der Milchproduktion für Appenzeller aufgehört und liefert seine Milch nun an die Züger Frischkäse AG.
Für ihn waren neben der gestiegenen Einschränkung bei der Appenzeller-Produktion die Energiekosten für die Heutrocknung und die arbeitswirtschaftlichen Überlegungen ausschlaggebend. Zudem machten dem Eigentümer von rund 40 Kühen die rigiden Qualitätskontrollen im Bereich der salztoleranten Keime zu schaffen.
Scharfe Kontrollen
[IMG 2]Auch Roman Egger aus Häggenschwil SG bereut seinen Umstieg auf Silofütterung nicht. Die Gründe sind zum einen, dass in der örtlichen Emmentaler-Käsereigenossenschaft viele Investitionen getätigt wurden, hinter denen er nicht mehr stehen konnte und wollte. Zum anderen störte er sich an den immer schärferen Qualitätskontrollen. Trotz grössten Bemühungen führten diese immer wieder zu Abzügen.
Für Egger hat sich die Umstellung gelohnt. Er erhält zurzeit auch dank saisonalen Zuschlägen 7 Rp./kg mehr als zuletzt für die Käsereimilch. Gleichzeitig seien Futterproduktion und Fütterung für die rund 50 Kühe um einiges einfacher geworden. Egger hat statt in Käsereiausstattung in einen selbstfahrenden Futtermischer investiert, siliert und lässt täglich weiden. Die Grasfütterung am Futtertisch hat er vollständig eingestellt.
Hohe Käserei-Investitionen
Adrian Ineichen aus Neudorf LU im Michelsamt ist zwar auch auf Industriemilch umgestiegen, hat aber an der Fütterung für die 50 Holsteinkühe nicht sehr viel geändert. Er macht neu etwas Maissilage, füttert aber weiterhin viel Heu. Auch hier wären in der Käserei hohe Investitionen angestanden.
Die Genossenschafter haben deshalb im vergangenen November fast einstimmig beschlossen, ihre Emmentaler-Käserei zu schliessen (wir berichteten). «Es wurde immer schwieriger, einen anständigen Preis zu bezahlen», sagt Ineichen. Gut die Hälfte der Milch liefern die Produzenten neu in die Industrie zur ZMP. Die restliche Milch geht weiterhin in die Emmentaler-Produktion.
Es sei ihm nicht ganz leicht gefallen, aus der Käsereimilch auszusteigen, räumt Ineichen ein. Den Entscheid bereue er aber keineswegs. Wenn er denn Käsemarkt anschaue, sei die Situation unterdessen eher noch schwieriger geworden.
«Deutlich zu viel Rohmilch»
Der Präsident des Käserverbandes Fromarte betrachtet die Situation eher gelassen. «Mir macht der grosse Strukturwandel in der Milchproduktion mehr Sorgen als der Umstieg von Käserei- auf Industriemilch», sagt Hans Aschwanden.
Die Produktion von Rohmilch für die Käseproduktion sei die Königsdisziplin, so der Inhaber der Bergkäserei Seelisberg UR. Zurzeit werde ohnehin deutlich zu viel Rohmilch produziert, sagt Aschwanden mit Blick auf die hohen Einschränkungen bei diversen Sorten.
Im Berggebiet unbestritten
Aschwanden geht davon aus, dass die seit Jahren anhaltende Entwicklung weiter anhält: «In gut erschlossenen Gebieten nimmt die Industriemilch an Attraktivität zu, im Berggebiet gibt es aber wenig Alternativen zur Spezialitätenkäserei, da die Transportkosten für Industriemilch sehr hoch sind.»