Droht der Schweiz eine Milchknappheit? Die Produktion hat im laufenden Jahr kumuliert bis Ende Mai gegenüber der Vorjahresperiode um 2,8 Prozent abgenommen. Im Mai belief sich die Abnahme auf 3,9 Prozent. Dies, obschon die Preise deutlich zugelegt haben. Gleichzeitig ist aber die Käseproduktion in der gleichen Periode um 0,5 Prozent gesunken, wie der neuste Marktlagebericht der Branche zeigt. Auch die Käseexporte haben mit fast 8 Prozent markant abgenommen (s. Kasten unten).

«Ungewisse Zeiten»

«Es sind sehr ungewisse Zeiten», sagt Stefan Kohler, Geschäftsführer der Branchenorganisation Milch (BOM). Aufgrund der Produzentenpreis-Erhöhungen habe man erwartet, dass die Produktion ansteige. Für das Ausbleiben der Mehrproduktion gebe es mehrere Gründe, so Kohler. Er erwähnt namentlich den starken Anstieg der Produktionskosten. Viele Bauern, so vermutet er, seien derzeit sehr zurückhaltend mit dem Einsatz von Kraftfutter. Dies deshalb, weil die sogenannte Grenzkostenrechnung einen Mehreinsatz aufgrund der hohen Kosten nicht opportun erscheinen lassen.

Die stark gestiegenen Kosten führt auch Reto Burkhardt ins Feld. «Es ist brutal», sagt der Sprecher der Schweizer Milchproduzenten (SMP). «Die Mehrkosten fressen die Mehrerlöse gleich wieder auf.» Darüber müsse man diskutieren, wenn man sich Sorgen mache um die heimische Milchproduktion.

«Handel soll Margen senken»

Reto Burkhardt erwähnt auch die aktuelle Margendiskussion, diese sei natürlich von den Produzenten auch nicht mit Jubelstürmen aufgenommen worden. Kürzlich hatte ein Datenleck in der Westschweiz aufgezeigt, dass die Detailhändler für Milchprodukte enorme Margen absahnen. Burkhardt ist der Meinung, dass der Handel hier Abstriche machen müsse: «Preiserhöhungen für Produzenten und Verarbeiter sollten nicht auf dem Buckel der Konsument(innen) ausgetragen werden», sagt er.

Die nächste Preisdiskussion steht bereits vor der Tür. Anlässlich der BOM-Vorstandssitzung am 24. August 2022steht, wie berichtet, eine weitere Richtpreiserhöhung um 4 auf 82 Rp. im Raum. Ob sich die Produzenten mit ihrer Forderung durchsetzen können, ist aber alles andere als klar.

Mit Sicherheit wird dieser Entscheid die Entwicklung der Milchproduktion beeinflussen. Im Weiteren gilt es laut Reto Burkhardt, die aktuelle Trockenheit zu berücksichtigen. «Was passiert mit den Kuhbeständen», fragt er sich in diesem Zusammenhang. Diese haben im laufenden Jahr erneut abgenommen. Der aktuelle Markt-lagebericht notiert für Juni 2022 einen Rückgang um 5292 Milchkühe gegenüber der Vorjahresperiode.

Wie viel Heu braucht es?

Stefan Kohler erinnert demgegenüber an die sehr gute Qualität des im Frühjahr eingebrachten Raufutters: «Sowohl die Mengen wie auch die Gehalte sind sehr gut», so der BOM-Geschäftsführer. Die grosse Frage ist hier aber, wie viel Winterfutter aufgrund der Trockenheit bereits während der Vegetationszeit verfüttert werden muss.

Käseexporte sind im ersten Halbjahr um 7,9 Prozent gesunken
Im ersten Halbjahr 2022 hatten die Käseexporte nach zwei sehr guten Jahren einen deutlichen Rückgang zu ver-zeichnen. Laut der Treuhandstelle Milch sind es gegenüber der Vorjahresperiode 7,9 %, alleine im Juni waren es 10,4 %. Gruyère (–4,4 %) und Emmentaler (–5,2 %) kamen dabei noch gnädig davon. Appenzeller (–17,2 %), Vacherin Fribourgeois (–14,8 %) und Sbrinz (–30 %) traf es deutlich härter. Praktisch als einziger lag der Tilsiter im Plus (+32,5 %). Rückläufig sind auch die Importe. Diese nahmen im ersten Halbjahr um 5,4 % ab. Im Juni konnten sie aber bereits wieder um 1,1 % zulegen.