Am 2. März 2022 trifft sich der Vorstand der Branchenorganisation Milch (BOM) zur nächsten Sitzung. Eines der Traktanden ist wie immer der Richtpreis für A-Milch. Dieser liegt seit Januar 2021 unverändert bei 73 Rp./kg.

«Viele Betriebe am Limit»

Nun erhöht die Produzentenseite rechtzeitig den Druck, um nach Möglichkeit eine Erhöhung zu erwirken; realistisch wäre wohl ein weiterer Zweirappen-Schritt. In den letzten Tagen und Wochen sind diverse entsprechende Meinungsäusserungen versandt worden. Gemeldet haben sich mit Preisbegehren unter anderen die Vereinigten Milchbauern Mitte Ost (VMMO), die Westschweizer Organisation Prolait, die Uniterre und Big-M.

Zwar seien die Preise gegenüber der Vorjahresperiode um 3 bis 5 Prozent gestiegen, schreiben die VMMO, aber gleichzeitig würden die Produzenten von einer Kostenlawine überrollt, heisst es mit Bezug auf die Vorleistungs-Verteuerungen. Erwähnt werden unter anderen die Presissteigerungen bei Maschinen, Futter, Treibstoffen, Medikamenten, Verbrauchsmaterialien, Energie und baulichem Unterhalt. Damit verpufften die Milchpreiserhöhungen. Bestimmt habe kein einziger Milchproduzent das neue Jahr mit Kaviar und Champagner begrüsst, schreiben die VMMO. Immer mehr Produzenten planten eine «Exit-Strategie» und mit einem Rückgang der Kuhzahl um erneut 3500 Stück seien die Zahlen deutlich.

«Wir wollen unsere Hausaufgaben machen auf der Kostenseite», sagt VMMO-Präsident Hanspeter Egli auf Anfrage, «aber es braucht nun eine Preiserhöhung, damit wir wieder etwas auf die Seite legen können». Derzeit liefen viele Milchproduzenten finanziell am Limit, jeglicher Spielraum sei ausgereizt, so Egli. «Das erklärt auch, warum der Strukturwandel im Milchbereich überdurchschnittlich bleibt und warum die produzierte Menge trotz besserem Preis nicht ansteigt», ergänzt er.  

Detailhandel in der Pflicht

Zu Wort gemeldet hat sich dieser Tage auch Prolait. Die Milchproduktion sei derzeit von einem Paradox geprägt: Die Milchmenge ist tendenziell knapp und die Preise haben sich namentlich im Molkereisektor verbessert. Die Verbesserung gegenüber dem Vorjahr beträgt 3–5 Prozent, wie unter anderem die Westschweizer Produzentenorganisation anerkennt.

Trotzdem ist am Markt wenig Freude zu spüren über die aktuelle Situation. Die besseren Preise nützten den Produzenten angesichts der stark gestiegenen Produktionskosten nicht, heisst es in der Mitteilung von Prolait weiter. Junglandwirte würden so die Motivation verlieren, den anspruchsvollen Beruf und die damit verbundenen langen Arbeitszeiten auf sich zu nehmen. «Es ist dringend notwendig, mehr Geld für das grossartige Produkt Milch zu zahlen, das eine erneuerbare und gesunde Proteinquelle ist, die oft schwer zu bewirtschaftendes Land erschliesst», so Prolait.

Um die prekäre Situation zu verbessern, sieht man verschiedene Akteure in der Pflicht. Der Detailhandel müsse es Konsumentinnen und Konsumenten ermöglichen, die Milchbauern fair für ihre Arbeit zu entlohnen. «Die Kundschaft ist um das Wohlergehen der Landwirte bemüht», ist sich Prolait sicher.

«Nur die Preise für Milchprodukte steigen»

Auch die Organisation Big-M setzt sich zum wiederholten Mal für bessere Produzentenpreise ein: «Leider steigen bis jetzt im In- und Ausland nur die Preise für Milchprodukte», heisst es im jüngsten Newsletter. Bei den Milchbauern komme davon wenig bis nichts an. «Im Gegenteil: Bereits ab Februar ist bei uns mit den üblichen Preisreduktionen zu rechnen, da die Verarbeiter diese seit Jahren eingeplant haben», befürchtet Big-M.

Auch Uniterre haut in dieselbe Kerbe: «Werden die Produktionskosten nicht gedeckt, kann auf Dauer die Milchproduk-tion nicht garantiert werden», schreibt die Organisation diese Woche in einer Mitteilung. Sie fordern, SMP und BOM müssten nun aufwachen, um den Milch-Richtpreis umgehend und drastisch zu erhöhen und durchzusetzen.

SMP fordern Richtpreiserhöhung

Diese Woche haben auch die Schweizer Milchproduzenten (SMP) Stellung bezogen. «Die Milchproduzenten erwarten und fordern nun ein klares Zeichen der Branche zur Richtpreiserhöhung», schreibt Präsident Hanspeter Kern im Produzenten-Newsletter. Der Index des BLW als Orientierungsgrösse für die A-Richtpreisfixierung habe die aktuellen 73 Rp. inzwischen sehr deutlich durchbrochen, so Kern.

Für den BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler ist das Resultat der Richtpreisverhandlungen noch offen, er erwähnt aber, dass sich die Rahmenbedingungen seit der letzten Erhöhung vom Januar 2021 sicher nicht verschlechtert hätten. 

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SMP-Direktor Stephan Hagenbuch: «Wir erwarten 3 Rp. mehr»
 

Um wieviel sollte der Richtpreis im zweiten Quartal 2022 steigen?
Stephan Hagenbuch: Wir orientieren uns dabei am vereinbarten System in der BOM. Aktuell liegt der Wert bei knapp 75 Rp. also plus 2. Aber wir erwarten 3 Rp. Wir gehen davon aus, dass sich die Branchenpartner an die Abmachungen und Aussagen halten.

Wie beurteilen Sie die Chancen, dass die Marktpartner dem Ansinnen zustimmen werden?
Wir gehen unverändert davon aus, dass sich die Branchenpartner an die in der BO Milch vereinbarten Abmachungen und Aussagen halten.

Es gibt Produzenten, welche das Problem weniger im Richtpreis sehen, als in der immer noch zu grossen Differenz zwischen ausbezahltem Preis und Richtpreis, droht diese Lücke mit der Richtpreiserhöhung nicht einfach noch grösser zu werden?
Beide Punkte sind natürlich sehr wichtig in der Diskussion. Mit dem A-Richtpreis respektive der Anpassung in diesem Segment geht es darum, das Markt-Potenzial im Inland auszuschöpfen. Mengenmässig ist das weitaus der grösste Hebel. Die Differenzen zum realisierten Preis entstehen vor allem aus dem «Schoggigesetz-Segment», das zwar auch zur A-Milch gerechnet wird, aber im Export nicht denselben Netto-Erlös hergibt, wie jene Milch, die effektiv im Inland abgesetzt wird. Am Schluss zählt für uns die Gesamtwertschöpfung (netto) für die Milchproduzenten und dann sind die Prioritäten sehr klar. Mit dem angesprochenen «Spagat» müssen wir umgehen können. Es ist wie in der Schule: Wenn wir die «Notenskala» so festsetzen würden, dass sie alle erfüllen könnten, würden wir uns selber anlügen...