Herr Riedener, Emmi konnte 2020 trotz Krise die Umsätze steigern, wem ist dieser Erfolg hauptsächlich zu verdanken?
Urs Riedener: Der Erfolg ist allen 8500 Mitarbeitenden zu verdanken. Wir hatten sehr grosse Nachfrageschwankungen und das hat unsere Leute extrem gefordert, es gab viele Sonderaufwendungen mit Waren, die neu disponiert werden mussten. Aber wir haben als Organisation einen guten Kampfgeist entwickelt nach dem Motto «Frauen und Mannen, das packen wir», damit konnten wir das sehr gut über die Bühne bringen. Dafür haben uns die Kunden ein sehr gutes Zeugnis ausstellen.
Wie beurteilen Sie die Leistung der Bauern?
Wir waren froh, dass die Milch in guter Qualität und der nötigen Menge kam. Zu Beginn hatten wir aber eher Befürchtungen, ob es uns überhaupt gelingen wird, die ganze Milch abzunehmen. Zum Glück ist es uns gelungen, die Lieferanten schadlos zu halten.
Sie erwirtschaften immer noch 45 Prozent des Umsatzes in der Schweiz, der Absatz ist gestiegen und die Milchmenge stagniert, macht Ihnen das Sorgen?
Sorgen macht uns das nicht. Das ist ein recht gutes Zeichen für einen intakten Markt, wenn die Milch etwas knapp ist. Deshalb gibt es auch keine C-Milch-Diskussionen mehr. Ich habe Freude, wenn diejenigen, die etwas weniger zahlen auch etwas knapp Milch haben. So würde endlich der Markt bestimmen und dann geht die Milch dorthin, wo der Preis richtig ist.
Sie haben gesagt, beim Milchkauf trenne sich die Spreu vom Weizen, sind Sie da mit Emmi auf der Seite des Weizens?
(Lacht) Wir haben immer genug Milch gehabt und wenn Sie die Milchpreisstatistik anschauen gehören wir ja zu denjenigen mit den besten Preisen. Es stört mich übrigens, dass die Preisstatistik unter Verschluss gehalten wird, aus welchen Gründen auch immer. Transparenz würde dem ganzen Markt helfen, sonst gibt es nur Beschuldigungen und Gerüchte. Zur Transparenz gehört, dass man aus den Statistiken kein Staatsgeheimnis macht. Es entzieht sich meiner Logik, warum die Produzenten diese Transparenz nicht wollen.
Braucht es aus Ihrer Sicht weitere Preiserhöhungen im laufenden Jahr?
Wir müssen jetzt schauen, dass wir die Schraube nicht überdrehen. Wir müssen Preis und Menge betrachten. Wir haben in Corona-Zeiten einen starken Importzuwachs gesehen. Zu glauben, dass diese wieder weggehen, ist ein frommer Wunsch. Wir müssen eine Preis- und eine Marktstrategie fahren, denn die Schweizer Milchwirtschaft hat im letzten Jahr klar an Marktanteilen verloren. Fakt ist, dass die Ausländer besser reagiert haben auf die höhere Nachfrage.
Hat man Fehler gemacht in der Sortimentsstrategie?
Die Branche muss die richtigen Themen diskutieren. Dort rein gehört die Frage, welche Segmente will man künftig bedienen und zu welchem Preis. Wenn man einen Markt erobern will, braucht es immer Mehrjahresstrategien. Ich will immer Marktanteile halten oder steigern, Märkte aufgeben ist einfach und keine gute Option.
Kürzlich wurde ein Importgesuch der Ostschweizer Käserei Imlig bewilligt, was halten Sie von solchen Veredelungsverkehrsprojekten?
Ich glaube nicht, dass das Geschäftsmodell ist, das sich durchsetzen wird. Das ist wohl eine Eintagsfliege und mir sind keine anderen Verarbeiter bekannt, welche diesen Weg beschreiten wollen, Emmi inklusive. Über ein solches Geschäftsmodell haben wir uns noch nie Gedanken gemacht. Diese Eintagsfliege ist deshalb entstanden, weil es gesetzlich möglich ist. Aber ursprünglich war der Veredelungsverkehr nicht für solche Geschäfte vorgesehen.
Das heisst, Sie wären einverstanden mit gesetzlichen Beschränkungen für diese Art des Veredelungsverkehrs?
Man muss aufpassen, dass man das Kind jetzt nicht mit dem Bade ausschüttet und alle Industrieabnehmer verunsichert. Man hatte zugesichert, dass Veredelungsverkehr möglich ist, in der Meinung, dass damit die Milchmengen in der Schweiz bleiben und die Industrie nicht im Ausland nach Alternativen suchen muss. Das war ein klares Signal, dass die Schweizer Milchwirtschaft marktfähig sein will. Was nun passieren kann, ist, dass 3 Mio. kg Milch im Veredelungsverkehr reinkommen und wir den etwa hundert Mal wichtigeren Absatzkanal der Industriekunden verunsichern, weil man an der Möglichkeit des Veredelungsverkehrs rumschraubt.
Sie wollen bis 2027 100 % nachhaltige Milch von Ihren Produzenten, mit welchen Anreizen wollen Sie das schaffen?
Wir haben heute schon 93 % des Volumens an nachhaltiger Milch, da braucht es nicht wahnsinnige Veränderungen. Ich war heute Morgen bei der Molkerei Biedermann und sie haben bereits 100 % nachhaltige Milch. Da bewegt sich etwas. Wir müssen uns alle bewegen, auch die Produzenten. Ich bin ein einfach denkender Mensch: Wir müssen Präferenz für Schweizer Milch schaffen. Nachhaltigkeit hilft. Punkt Schluss.
Sie gehen also davon aus, dass die Anforderungen eher noch steigen werden, wollen Sie das den Bauern zusätzlich abgelten?
Der Standard wird steigen müssen, das sagen auch die SMP. Aber wir müssen dabei ein verdauliches Tempo anschlagen und Verbesserungen partnerschaftlich diskutieren.
Sie wollen auch in Tunesien die nachhaltige Milchproduktion fördern. Wie gehen Sie dabei vor?
Jedes Land ist punkto Nachhaltigkeit an einem ganz anderen Ort. Wir können uns glücklich schätzen, hier in der Schweiz auf sehr hohem Nachhaltigkeitsniveau zu produzieren. In Tunesien ist das ganz anders. Dort versuchen wir mit einfachen Projekten, den Kleinproduzenten in Richtung gute Herstellungspraxis zu beraten. Da geht es um Basisthemen wie beispielsweise: Wenn eine Kuh Schatten hat, produziert sie auch mehr Milch.
Ich war etwas erstaunt, dass Sie in Ihrer Bilanzmedienkonferenz von Mandelmilch und Hafermilch gesprochen haben, ist das die gängige Bezeichnung bei Emmi?
Da haben Sie Recht, da können wir uns noch verbessern. In der Regel sagen wir Milchalternativen, aber das versteht niemand. Deshalb bezeichnen wir sie umgangssprachlich als Milch. Letztlich sind es aber Hafer- und Mandeldrinks. Emmi unterstützt, dass es gesetzlich nur möglich ist von Milch zu sprechen, wenn diese von Tieren gewonnen wird.
Welche Bedeutung erhalten diese veganen Linien?
Das ist schwierig zu sagen, es gibt ganz unterschiedliche Studien dazu. Wir sind in der Schweiz bei 1-2 % des Geschäfts mit Milchalternativen. Im Moment habe ich keinerlei Sorge, dass wir die in der Schweiz anfallende Milch nicht mehr verarbeiten könnten. Der Markt für Alternativen wird weitgehend mit importierten Produkten abgedeckt, das sehen wir natürlich auch nicht gern.
Werden Sie demnächst auch Haferproduzenten in der Schweiz suchen?
Ja, wir haben uns schon eingedeckt mit Schweizer Hafer.
Der Detailhandel sei derzeit ziemlich aggressiv unterwegs, haben Sie gesagt, was sind die Strategien von Emmi im Umgang mit dem Detailhandel?
Der Detailhandel muss knapp kalkulieren und im laufenden Jahr werden wir rückläufige Detailhandelsumsätze sehen, denn der letztjährige Boom lässt sich so nicht wiederholen. Einige haben vielleicht vergessen, dass sie trotz Umsatzzuwächsen Marktanteile verloren haben. Die Discounter haben im letzten Jahr stärker zugelegt, deshalb kommen die Grossen stärker unter Druck. Wichtig wäre für uns, dass nicht tiefe Milchpreise an die Produzenten zu aggressiven Preisangeboten an den Detailhandel führen. Auf Stufe Verarbeitung arbeiten wir als Emmi sehr effizient und haben gute Karten, zu bestehen.
Noch eine Frage zu den Pflanzenschutz-Initiativen, wie beurteilen Sie diese?
Diese Initiativen sind zu radikal und schreiben de facto den Biostandard für die Schweiz vor, was mit geringeren Produktionsmengen und für den Konsumenten mit extremen Mehrkosten verbunden wäre. Auf der anderen Seite sind gesellschaftliche Themen im Raum zu denen man nicht einfach nein sagen kann. Deshalb braucht es Absenkungsstrategien. Aber ich denke, die meisten Leute sind sich gar nicht bewusst, wie stark diese Initiativen das ganze Ernährungssystem umpflügen und die Preise für inländische Produkte erhöhen würden.
Unterstützen sie die Kampagne gegen die Initiativen finanziell?
In der Regel unterstützen wir politische Vorstösse nicht finanziell, weil es immer auch Parteipolitik ist. Wir engagieren uns bei diesem Thema schon über die Verbände und werden mit unserer Meinung im Abstimmungskampf nicht zurück halten. Ob wir uns obendrauf gegen diese Extreminitiativen finanziell engagieren werden, entscheiden wir in den nächsten zwei Monaten.