Cremo hat in der Branche einen durchzogenen Ruf. Es gibt immer wieder Gerüchte über geschäftliche Schwierigkeiten und man sagt der Freiburger Molkerei nach, dass sie schlecht bezahlt. Diese Beurteilung hält einer genaueren Betrachtung allerdings nicht stand. Wie das nicht öffentliche Preismonitoring der SMP zeigt, hat Cremo die Preise markant erhöht und steht mittlerweile besser da als mancher Konkurrent. Wir haben den neuen Verwaltungsratspräsidenten Alexandre Cotting gefragt, ob sich das ausbezahlt hat.
Ist es richtig, dass Cremo im Moment Mühe hat, die nötige Milchmenge zu beschaffen?
Alexandre Cotting: Ja, das stimmt, seit Dezember ist das für uns ein Sorgenkind, die Verträge sind zurückgekommen und wir haben gesehen, dass wir Milch verloren haben.
Was ist der Grund dafür?
Bei den 1200 Direktlieferanten sind wir perfekt im Budget. Dagegen haben wir im Handel Probleme. Wir haben zwei Pools, die auch Aktionäre sind und auch die haben weniger Milch erhalten und die Mengen an uns gekürzt. Das ist für schwer zu verstehen, denn wir haben im letzten Jahr unsere Preise erhöht und sie sind im Moment sehr gut.
Kam die Preiserhöhung zu spät?
Das hat damit zu tun, dass die Verträge langfristig abgeschlossen und es nicht einfach ist, die Milch wieder zurückzuerhalten.
Wie gross ist das Defizit?
In den Verträgen fehlen uns rund 15 Prozent. Aber im Tagesgeschäft erhalten wir derzeit deutlich mehr Milch als geplant, auch die Pools liefern mehr.
Wie wollen Sie das kompensieren?
Diesbezüglich prüfen wir verschiedene Optionen. Die Türen sind offen für neue Direktlieferanten. Da die Preise gut sind, ist das Interesse breit vorhanden, aber wir werden keine Produzenten abwerben. Wir wollen unser Profil verbessern. Bisher wurden wir vor allem als Regulator wahrgenommen, aber unser Ziel ist es, künftig ein verlässlicher Partner für langfristige Zusammenarbeit zu sein.
Sie haben in den letzten Jahren viel investiert in eine neue Molkerei und einen Pulverturm in Villars-sur-Glâne,haben sich diese Investitionenausgezahlt?
Der neue Trocknungsturm in Villars-sur-Glâne FR war ein Ersatz für den Turm in Lucens VD. Das hat sich ausbezahlt, wir können hier neue Produkte herstellen, namentlich Lactoferin, ein Protein, das als gesunde Nahrungsergänzung und Substrat für Bodybuilder genutzt wird.
Ist es richtig, dass vor allem die 2020 in Lyss eröffnete Molkerei sehr schlecht ausgelastet ist?
Die Molkerei ist noch jung und es gab noch einige Kinderkrankheiten. Jetzt haben wir die neue Bio-Produktelinie «Jardins du Seeland» lanciert und haben damit gute Erfolge, was die Auslastung stark verbessert.
Warum ist Hervé Perret kürzlich nach nur acht Monaten als Geschäftsführer zurückgetreten?
Er hat sich eine neue Heraus-forderung gesucht. Wir hatten gut zusammengearbeitet, aber manchmal passt es nicht ganz.
«Wir wollen unser Profil verbessern.»
Alexandre Cotting, Präsident des Cremo-Verwaltungsrats
Ist es richtig, dass er via Veredelungsverkehr Milch importieren wollte unddafür keine Mehrheit imVerwaltungsrat fand?
Wo haben Sie das her? Davon habe ich noch nie gehört und war auch nie Thema im Verwaltungsrat. Der Veredelungsverkehr war für uns nie ein Thema. Wir betrachten dieses Modell als etwas gefährlich für die Schweizer Produzenten, weil so die weisse Linie geöffnet wird.
Ist sein Nachfolger Frédéric Métrailler eine Übergangslösung oder eine definitive Besetzung?
Er ist kurzfristig eingesprungen und ein sehr guter Mann. Wenn es für beide Seiten passt, würden wir ihn sehr gerne als Direktor behalten, er kennt das Unter-nehmen sehr gut.
Wie war das Betriebsergebnis 2020?
Es ist noch nicht veröffentlicht. Was ist sagen kann ist, dass der EBITDA besser ist als im Vorjahr.
Aber Sie sind optimistisch für die Zukunft von Cremo?
Ja, wir haben ein sehr gutes Fundament und von den Kunden höre ich vorwiegend positive Feedbacks, aber wir müssen uns natürlich ausführlich Gedanken machen über die künftige Strategie. Wir haben jetzt eine neue Führung mit einem motivierten Team und das betrachten wir als Chancen.
Zur Person
Alexandre Cotting (54) ist seit 2020 Verwaltungsratspräsident der Cremo SA. Er bewirtschaftet gemeinsam mit Sohn Steve zwei Betriebe in Ependes FR mit einer Gesamtfläche von gut 100 ha. Sie haben ein Lieferrecht von rund einer Mio kg und melken mit zwei Robotern 100 Kühe. Die Familie betreibt zudem ein Lohnunternehmen für alle Getreidearbeiten.